Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
4A_558/2015
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Urteil vom 25. Februar 2016
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Daniel Riner,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________ AG,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Taggeldversicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht,
vom 8. September 2015.
Sachverhalt:
A.
A.a. Die am 5. Mai 1969 geborene A.________ (Versicherte, Klägerin, Beschwerdeführerin) war seit dem 5. Mai 2008 als Betriebsmitarbeiterin in der Abteilung Verpackung bei der C.________ AG (Arbeitgeberin) in U.________ angestellt. Im Rahmen eines Kollektiv-Taggeldversicherungsvertrages war die Versicherte über die Arbeitgeberin bei der B.________ AG (Versicherung, Beklagte, Beschwerdegegnerin) krankentaggeldversichert nach Versicherungsvertragsgesetz (VVG, SR 221.229.1). Am 15. März 2012 meldete die Arbeitgeberin der Versicherung, dass die Versicherte ab dem 30. Januar 2012 arbeitsunfähig sei. Daraufhin erbrachte die Versicherung nach Vorliegen von ärztlichen Bescheinigungen und Ablauf der Wartefrist von 60 Tagen ab dem 31. Mai 2012 die vertraglich vereinbarten Taggeldleistungen.
A.b. Mit Schreiben vom 8. November 2012 teilte die Versicherung mit, aufgrund der medizinischen Unterlagen sei davon auszugehen, die Versicherte sei im angestammten Beruf als Produktionsmitarbeiterin 100 % arbeitsfähig. Deshalb würden die Taggelder noch bis maximal zum 18. November 2012 bezahlt. Die Versicherung forderte die Versicherte sodann auf, sich bei der Arbeitgeberin zu melden, damit die Rückkehr an den Arbeitsplatz vorbereitet werden könne. Bereits am 15. Oktober 2012 hatte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist von 90 Tagen infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit per 31. Januar 2013 aufgelöst.
B.
Mit Klage vom 23. April 2014 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, beantragte die Klägerin, die Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 53'932.30 nebst Zins seit dem 1. August 2013 (mittlerer Verfall) zu verpflichten. Mehrforderungen seien vorbehalten. Dies entspreche Taggeldern à Fr. 103.716 für die Zeit zwischen dem 19. November 2012 und dem 23. April 2014. Mit Urteil vom 8. September 2015 wies das Kantonsgericht die Klage ab. Es wurden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und sie wiederholt das vor Kantonsgericht gestellte Rechtsbegehren. Eventualiter sei die Sache an das Kantonsgericht zur Vornahme weiterer Abklärungen zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat auf Bemerkungen zur Beschwerdeantwort verzichtet. Im Sinne eines echten Novums reichte sie dem Bundesgericht in einer persönlichen Eingabe sowie im Rahmen einer ausführlichen Eingabe ihres Rechtsvertreters denselben provisorischen Bericht des Kantonsspitals Baselland vom 10. Dezember 2015 ein. Sie macht geltend, sie habe sich am 9. Dezember 2015 einer Operation unterziehen müssen. Sie ist der Auffassung, die anlässlich der Operation erhobenen Befunde stützten ihre Position. Die Beschwerdegegnerin hat zu der Eingabe des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin Stellung genommen.
Erwägungen:
1.
Vor Bundesgericht sind neue Vorbringen grundsätzlich nur zulässig, soweit erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was näher darzulegen ist (BGE 134 V 223 E. 2.2.1 S. 226; 133 III 393 E. 3 S. 395). Tatsachen oder Beweismittel, die sich auf das vorinstanzliche Prozessthema beziehen, jedoch erst nach dem angefochtenen Entscheid eingetreten oder entstanden sind (sog. echte Noven), sind vor Bundesgericht unbeachtlich (BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 344; Urteil 4A_470/2015 vom 12. Januar 2016 E. 1.3; 4A_642/2009 vom 2. Februar 2010 E. 2.4; Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4340 Ziff. 4.1.4.3 zu Art. 93 E-BGG). Der angefochtene Entscheid datiert vom 8. September 2015. Die Operation vom 9. Dezember 2015 sowie der provisorische Bericht vom 10. Dezember 2015 erfolgten nach dem Entscheiddatum und sind nach dem Gesagten nicht zu berücksichtigen.
Im Übrigen geben die Eintretensvoraussetzungen keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die Beschwerde ist unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf Taggeldleistungen bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit von mindestens 25 % (Art. 12.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten vom 1. Januar 2006; AVB). Die versicherte Person hat die Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen, sonst besteht kein Anspruch (Art. 13.2 AVB). Umstritten ist, ob die Beschwerdeführerin über den 18. November 2012 hinaus in diesem Sinn arbeitsunfähig war.
Die Vorinstanz verneinte dies und stellte dabei massgeblich auf die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. med. D.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 29. Oktober 2012 sowie von Dr. med. E.________, FMH Rheumatologie und Innere Medizin, vom 2. November 2012 ab. Es bestünden keine Anhaltspunkte, die gegen deren Zuverlässigkeit sprechen würden. Zu diesem Schluss komme in einem Schreiben auch der Arzt des regionalen ärztlichen Dienstes (RAD). Entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung (namentlich BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 f.) stellte die Vorinstanz fest, hinsichtlich des Beweiswertes eines ärztlichen Berichts sei entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Expertin oder des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert sei grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht oder Gutachten, sondern ausschliesslich dessen Inhalt. Die Beschwerdeführerin habe zwar umfangreiche medizinische Abklärungen vornehmen lassen, diese vermöchten aber die Feststellungen von Dr. D.________ und Dr. E.________ nicht in Frage zu stellen.
3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Beweiswürdigung, weil die Vorinstanz das Gutachten E.________ als zuverlässig qualifizierte, womit sie sich in Widerspruch setze zu ihrem früheren Beschluss vom 5. Februar 2015.
3.1. Anlässlich der Urteilsberatung vom 5. Februar 2015 setzte die Vorinstanz das Verfahren aus und unterbreitete den Parteien einen Vergleichsvorschlag. Zu dessen Begründung führte sie aus:
" Das rheumatologische Gutachten von Dr. med. E.________ vom 2. November 2012 vermag für sich alleine nicht zu überzeugen; es fällt eher kurz und oberflächlich aus und es wurden keine bildgebenden Untersuchungen und Abklärungen vorgenommen. Die übrigen medizinischen Gutachten und Berichte sowie der IV-Entscheid deuten zwar eher darauf hin, dass keine medizinische Erklärung für die körperlichen Beschwerden der Klägerin vorliegt bzw. keine körperlichen Beschwerden bestehen, die die Arbeitsfähigkeit zumindest in einer angepassten Tätigkeit beeinträchtigen.
Es ist fraglich und noch nicht entschieden, ob die Arbeitsfähigkeit der Klägerin in der bisherigen und einer angepassten Tätigkeit aufgrund der vorliegenden Akten abschliessend beurteilt werden kann. Wird die Frage verneint, wären zur Klärung der Leistungspflicht weitere Sachverhaltsabklärungen und insbesondere ein Gerichtsgutachten notwendig. Dessen Kosten gingen zu Lasten der Beklagten [...]".
Unter Hinweis auf die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung, nach welcher bei beruflichem Wiedereinstieg während einer Übergangsfrist das Taggeld weiterhin auszuzahlen ist, schlug sie vor, die Beschwerdegegnerin möge die Taggelder statt nur bis zum 18. November 2012 noch bis zum 31. Januar 2013 bezahlen. Diesen Vergleich lehnte die Beschwerdeführerin in der Folge ab.
3.2. Eine widersprüchliche und damit willkürliche Beweiswürdigung ergibt sich allein wegen dieser Begründung des Vergleichsvorschlags nicht. Es handelte sich um eine vorläufige Beurteilung (" [...] und noch nicht entschieden, ob [...]"). Das Gericht war offensichtlich bemüht, die Sache als offen erscheinen zu lassen, um die Beschwerdegegnerin, die sich auf das Gutachten E.________ berief, von einem Vergleich zu überzeugen. Davon zeugt auch der Hinweis auf die von der Beschwerdegegnerin zu übernehmenden Kosten, sollte es zu einem Gerichtsgutachten kommen.
4.
Die Vorinstanz hat wie erwähnt massgeblich auf die von der Beschwerdegegnerin eingeholten Parteigutachten abgestellt; sie erachtete deren Beweiswert im Sinn der von ihr zitierten sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung als gegeben. In der Folge setzte sie sich mit den von der Beschwerdeführerin beigebrachten medizinischen Berichten und Gutachten auseinander, namentlich jenen von Dr. F.________ und Dr. G.________ und kam zum Schluss, dass diese nicht geeignet seien, die Einschätzung von Dr. E.________ zu widerlegen. Auch das psychiatrische Gutachten von Dr. D.________ sei überzeugend; sie habe nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie zu einer anderen Beurteilung als der behandelnde Psychiater gekommen sei.
Das Bundesgericht hat aber in BGE 141 III 433 entschieden, dass Parteigutachten keine Beweismittel im Sinn von Art. 168 Abs. 1 ZPO sind. Auch in diesem Verfahren um Taggeldleistungen hatten sich der Versicherer und die Vorinstanz auf die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung gemäss BGE 125 V 351 abgestützt (BGE 141 III 433 E. 2.4 S. 435 f.). Das Bundesgericht stellte fest, im Anwendungsbereich der ZPO gelte diese sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung nicht. Ein Parteigutachten sei also kein zivilprozessuales Beweismittel, sondern eine (substanziierte) Parteibehauptung. Als Parteibehauptung möge ein Parteigutachten allenfalls zusammen mit - durch Beweismittel nachgewiesenen - Indizien den Beweis zu erbringen. Es genüge aber nicht, dass einzig gestützt auf ein Parteigutachten als bewiesen erachtet werde, dass ein Versicherter arbeitsfähig gewesen sei (BGE 141 III 433 E. 2.6 S. 438).
Die Vorinstanz hat nicht im Sinn dieser Ausführungen die beiden Parteigutachten zusammen mit andern für die Auffassung der Beschwerdegegnerin sprechenden Indizien gewürdigt, sondern allein auf die Gutachten abgestellt. Daran ändert der Hinweis, auch der RAD-Arzt habe festgehalten, es bestünden keine Anhaltspunkte, die gegen die Zuverlässigkeit der Parteigutachten sprechen würden, nichts. Andererseits hat die Beschwerdeführerin aber mit den von ihr beigebrachten Arztberichten, die ebenfalls Parteibehauptungen darstellen, den Beweis für ihre Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht. Diese ist daher mit einem Gerichtsgutachten abzuklären. Die Beschwerde ist somit teilweise gutzuheissen, das Urteil des Kantonsgerichts vom 8. September 2015 aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 8. September 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Februar 2016
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Luczak