BGer 1B_76/2016
 
BGer 1B_76/2016 vom 30.03.2016
{T 0/2}
1B_76/2016
 
Urteil vom 30. März 2016
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg.
Gegenstand
Strafverfahren; Beschlagnahme; Verwertbarkeit von Beweisen,
Beschwerde gegen das Urteil vom 22. Januar 2016 des Kantonsgerichts Freiburg.
 
Sachverhalt:
 
A.
Am 23. Juli 2014 reichte A.________ bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern Strafantrag/-anzeige gegen B.________ insbesondere wegen Verletzung des Geheim- und Privatbereichs, unbefugten Aufnehmens von Gesprächen, versuchter Nötigung und Beschimpfung ein. Er machte unter anderem geltend, B.________ habe ihn ohne seine Einwilligung auf Video aufgenommen. A.________ beantragte, bei der Beschuldigten sei eine Hausdurchsuchung vorzunehmen.
Bei der am 20. August 2014 durchgeführten Durchsuchung wurde im Fotoapparat von B.________ eine SanDisk Card sichergestellt, welche eine Videoaufnahme enthielt. Für die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern ergab sich aufgrund dieser Videoaufnahme und weiterer Beweismittel der Verdacht, A.________ habe sich der Nötigung, evtl. der Ausnützung einer Notlage, zum Nachteil von B.________ schuldig gemacht. Am 11. September 2014 eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen A.________.
Mit Eingabe vom 26. September 2014 beantragte A.________, die beschlagnahmte Videoaufnahme sei aus den Akten zu entfernen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter Verschluss zu halten und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu vernichten.
Mit Verfügung vom 7. Januar 2015 übernahm die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg das im Kanton Bern eröffnete Verfahren gegen A.________. Am 30. Juni 2015 verfügte die Staatsanwaltschaft, die beschlagnahmte Videoaufnahme sei im Strafverfahren gegen A.________ verwertbar.
Diesen Entscheid focht A.________ mit Beschwerde vom 9. Juli 2015 beim Kantonsgericht Freiburg an, welches die Beschwerde mit Urteil vom 22. Januar 2016 abwies.
 
B.
Mit Eingabe vom 29. Februar 2016 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht mit den Hauptanträgen, das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Videoaufnahme sei aus den Akten zu entfernen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter Verschluss zu halten und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu vernichten.
Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassungen zur Beschwerde.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Ein Entscheid über die Verwertbarkeit von Beweismitteln (Art. 140 und 141 StPO) schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig. Erforderlich ist somit ein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Die Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Gutheissung der Beschwerde nicht sofort einen Endentscheid herbeiführen würde.
Im Strafrecht muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren End- oder anderen Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 137 IV 172 E. 2.1 S. 173 f.). Der alleinige Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer bestreitet, in den Akten bleibt, stellt grundsätzlich keinen Nachteil rechtlicher Natur dar, da der Beschwerdeführer seinen Einwand bis zum Abschluss des Strafverfahrens erneut vorbringen kann. Er kann die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels namentlich dem Sachrichter unterbreiten (Art. 339 Abs. 2 lit. d StPO). Von diesem kann erwartet werden, dass er in der Lage ist, die unzulässigen Beweise von den zulässigen zu unterscheiden und sich bei der Würdigung ausschliesslich auf Letztere zu stützen. Der Betroffene kann das Urteil des Sachrichters in der Folge mit Berufung anfechten (Art. 398 StPO) und die Angelegenheit schliesslich an das Bundesgericht weiterziehen (BGE 141 IV 284 E. 2.2 S. 287; 289 E. 1.2 S. 291 f.).
1.2. Von dieser Regel bestehen jedoch Ausnahmen. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn das Gesetz ausdrücklich die sofortige Rückgabe aus den Akten bzw. Vernichtung rechtswidriger Beweise vorsieht (vgl. z.B. Art. 248, Art. 271 Abs. 3, Art. 277 und Art. 289 Abs. 6 StPO). Ebenso verhält es sich, wenn aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalls die Rechtswidrigkeit des Beweismittels ohne Weiteres feststeht. Derartige Umstände können nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein besonders gewichtiges rechtlich geschütztes Interesse an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises geltend macht (BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292).
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG muss der Beschwerdeführer die Tatsachen darlegen, aus denen sich seine Beschwerdeberechtigung und der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben sollen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292).
 
2.
Nachfolgend ist im Lichte der Ausführungen in E. 1.2 hiervor zu prüfen, ob die Weigerung der Vorinstanz, die Videoaufnahme aus den Strafakten zu entfernen und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss zu halten, einen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil nach sich zieht.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, ein Verwertungsverbot ergebe sich direkt aus Art. 277 StPO respektive allenfalls analog aus Art. 278 Abs. 4 StPO.
Diese Auffassung geht fehl. Art. 269 - 279 StPO regeln die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs durch die Strafbehörden. Vorliegend erfolgte keine behördliche Überwachung. In Frage steht vielmehr die Verwertbarkeit eines von einer  Privatpersonerstellten Videos. Art. 277 und Art. 278 Abs. 4 StPO finden keine Anwendung.
2.2. Die Strafprozessordnung enthält Bestimmungen zu den verbotenen Beweiserhebungen (Art. 140 StPO) und zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise (Art. 141 StPO). Wieweit die Beweisverbote auch greifen, wenn nicht staatliche Behörden, sondern Privatpersonen Beweismittel sammeln, wird in der Strafprozessordnung nicht explizit geregelt.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel nur verwertbar, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können und kumulativ dazu eine Interessenabwägung für deren Verwertung spricht (Urteile 6B_786/2015 vom 8. Februar 2016 E. 1.2; 6B_983/2013 und 6B/995/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2; 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012 E.2.4.4). Bei von Privaten rechtswidrig erlangten Beweismitteln gilt mithin kein prinzipielles Verwertungsverbot (SABINE GLESS, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 40c zu Art. 141 StPO).
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen gemäss der angeführten bundesgerichtlichen Rechtsprechung als erfüllt erachtet und geschlossen, die Videoaufnahme sei selbst im Fall der rechtswidrigen Beschaffung verwertbar.
2.3. Ob die Auffassung der Vorinstanz zutreffend ist, ist im jetzigen Verfahrensstadium nicht vertieft zu prüfen. Da kein prinzipielles Verwertungsverbot besteht, kann jedenfalls nicht gesagt werden, die Unverwertbarkeit der Videoaufnahme stehe in Anbetracht der besonderen Umstände Hinzu kommt, dass nach den in E. 1.2 hiervor dargelegten Kriterien besondere Umstände des Einzelfalls, welche ausnahmsweise eine sofortige Prüfung der Verwertbarkeit als geboten erscheinen lassen, nur angenommen werden dürfen, wenn der Betroffene ein besonders gewichtiges rechtlich geschütztes Interesse an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises (bzw. an seiner sofortigen Entfernung aus den Akten) geltend macht und substanziiert, etwa im Rahmen der Wahrung gesetzlich geschützter Privatgeheimnisse. Solche besonders gewichtigen und rechtlich geschützten Geheimnisinteressen bringt der Beschwerdeführer nicht vor. Sein faktisches Interesse als Beschuldigter, ihn belastende Beweisergebnisse möglichst zu vermeiden, fällt nicht darunter (vgl. BGE 141 IV 289 E. 2.10.3 S. 297).
 
3.
Zusammenfassend ist ein drohender nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu verneinen. Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten. Damit wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg und dem Kantonsgericht Freiburg schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. März 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Stohner