BGer 9C_89/2016 |
BGer 9C_89/2016 vom 12.05.2016 |
{T 0/2}
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9C_89/2016
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Urteil vom 12. Mai 2016 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
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Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
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Gerichtsschreiber Fessler.
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Verfahrensbeteiligte |
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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vertreten durch Rechtsanwalt Gian Andrea Danuser,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2015.
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Sachverhalt: |
A. Mit Verfügung vom 28. Dezember 2012 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich A.________ rückwirkend ab 1. August 2011 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Im Rahmen des Anfang 2014 eingeleiteten Revisionsverfahrens wurde A.________ polydisziplinär abgeklärt (Expertise SMAB [Swiss Medical Assessement and Business-Center] AG vom 23. Oktober 2014). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 18. Februar 2015 die halbe Rente auf den gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt hin auf.
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B. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde der A.________, soweit darauf einzutreten war, änderte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 17. Dezember 2015 die Verfügung vom 18. Februar 2015 dahingehend ab, dass festgestellt wurde, sie habe weiterhin Anspruch auf eine Viertelsrente.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle des Kantons Zürich, der Entscheid vom 17. Dezember 2015 sei aufzuheben und die Verfügung vom 18. Februar 2015 zu bestätigen.
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A.________ ersucht um Abweisung der Beschwerde und Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen: |
1. Streitgegenstand bildet die von der Vorinstanz - im Rahmen eines Revisionsverfahrens nach Art. 17 Abs. 1 ATSG und Art. 86ter ff. IVV - zugesprochene Viertelsrente ab dem ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung vom 18. Februar 2015 folgenden Monats an (Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV). Dabei ist nach verbindlicher, im Übrigen unbestrittener Feststellung des kantonalen Sozialversicherungsgerichts (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) ein Revisionsgrund gegeben (vgl. dazu BGE 134 V 131 E. 3 S. 132) und demzufolge der Invaliditätsgrad neu und ohne Bindung an die frühere Invaliditätsschätzung zu ermitteln (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 mit Hinweisen).
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2. Die Vorinstanz ist gestützt auf das Gutachten der SMAB AG vom 23. Oktober 2014 von einer Arbeitsfähigkeit von 55 % in leidensangepassten Tätigkeiten ausgegangen. Aus orthopädisch-/traumatologischer Sicht bestehe bei einem vollen Pensum eine Minderung der Leistungsfähigkeit von 30 %. Aufgrund der mittelschweren depressiven Episode (ICD-10 F32.1) werde seit Mai 2013 eine Arbeitsunfähigkeit zwischen 40 und 50 % festgehalten. Dabei handle es sich um eine verselbständigte Diagnose. Da die depressive Episode bereits im Mai 2013 entstanden und die Symptomatik auch durch die Psychotherapie nur leicht gebessert worden sei, sei ein invalidisierender Gesundheitsschaden zu bejahen. Durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) ermittelte die Vorinstanz einen Invaliditätsgrad von 45 %, was Anspruch auf eine Viertelsrente gab (Art. 28 Abs. 2 IVG).
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3. Die Beschwerde führende IV-Stelle bestreitet, dass ein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden gegeben sei. Mit ihren Vorbringen rügt sie sinngemäss, der angefochtene Entscheid verletze insbesondere Art. 7 Abs. 2 ATSG und Art. 4 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 8 ATSG. Nach erster Bestimmung sind für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (vgl. dazu BGE 135 V 215 E. 7.2-3 S. 229 ff.).
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4. |
4.1. Störungen, wie solche leicht bis mittelgradiger depressiver Natur, seien sie im Auftreten rezidivierend oder episodisch, fallen einzig dann als invalidisierende Krankheiten in Betracht, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent sind (statt vieler: BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis). Nur in einer solchen - seltenen, da nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung Depressionen im Allgemeinen therapeutisch gut angehbar sind - gesetzlich verlangten Konstellation ist den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE 141 V 281 E. 3.7.1 bis 3.7.3 S. 295 f.). Ein solcher Sachverhalt muss überwiegend wahrscheinlich und darf nicht lediglich nicht auszuschliessen sein. Es kommt dazu, dass die Therapie in dem Sinne konsequent gewesen sein muss, dass die aus fachärztlicher Sicht indizierten zumutbaren (ambulanten und stationären) Behandlungsmöglichkeiten in kooperativer Weise optimal und nachhaltig ausgeschöpft wurden (BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197; 137 V 64 E. 5.2 S. 70 mit Hinweis; Urteil 9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2).
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4.2. Wie auch die Vorinstanz festgestellt hat, wurde die mittelschwere depressive Episode aufgrund psychosozialer Faktoren ausgelöst. Gemäss dem psychiatrischen Gutachter entwickelte sich die Störung im Zusammenhang mit der Geschäftsaufgabe wegen mangelnder Auftragslage, nachdem der grösste Auftraggeber sein Geschäft geschlossen hatte. Diese Entstehung ist ein gewichtiges Argument gegen das Vorliegen eines rechtlich relevanten invalidisierenden Gesundheitsschadens (vgl. auch Urteil 9C_ 559/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 3.2.3). Ob spätestens seit dem Begutachtungszeitpunkt von einer verselbständigten, d.h. von psychosozialen Faktoren losgelösten Diagnose einer mittelschweren depressiven Episode auszugehen ist, wie die Vorinstanz angenommen hat, kann offen bleiben. Selbst wenn die Frage bejaht würde, fehlte es am Erfordernis einer konsequenten Therapie in dem in E. 4.1 hiervor dargelegten Sinne. Die Beschwerdegegnerin begab sich zwar nach der Geschäftsaufgabe aufgrund der depressiven Symptomatik in psychotherapeutische Behandlung, auf welche sie indessen nur ungenügend ansprach. Der psychiatrische Gutachter sah den Hauptgrund im fehlenden Einsatz von selektiven Antidepressiva vor allem nach Mai 2013. Die verpasste konsequente antidepressive Therapie bezeichnete er ebenso wie die Länge der bestehenden Symptomatik als negativ für die Prognose. Umgekehrt seien die durch Zuverlässigkeit, Leistungsbewusstsein und Durchhaltevermögen geprägte primäre Persönlichkeitsstruktur sowie die Motivationshaltung und der Wunsch, ohne fremde Hilfe zurecht zu kommen, im Hinblick auf die dringend angezeigte Intensivierung der Behandlung als positiv zu werten. Bei Ansprechen sei eine Besserung innert maximal eines Jahres zu erwarten. Unter diesen Umständen kann nicht von einer im Sinne überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellten invalidenversicherungsrechtlich relevanten Therapieresistenz gesprochen werden.
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4.3. An diesem Ergebnis vermögen die Vorbringen der Beschwerdegegnerin nichts zu ändern. Art. 8 Abs. 1 ATSG umschreibt zwar Invalidität als voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Aus dem Umstand, dass die depressive Symptomatik im Mai 2013 entstand und im Zeitpunkt der Begutachtung im Oktober 2014 noch andauerte, kann indessen nicht ohne weiteres auf Invalidität im Sinne von Art. 8 Abs. 1 ATSG geschlossen werden. Die Beschwerdegegnerin verkennt, dass nach Art. 7 Abs. 2 ATSG für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen sind, und dies zudem nur, soweit sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar sind, welches Merkmal, wie dargelegt, erst bei überwiegend wahrscheinlicher Therapieresistenz gegeben ist.
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5. Nach der im Übrigen nicht bestrittenen Invaliditätsbemessung der Vorinstanz sind beide Vergleichseinkommen nach Art. 16 ATSG auf derselben tabellarischen Grundlage zu bestimmen. Der Invaliditätsgrad entspricht somit dem Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung eines allfälligen Abzugs vom Tabellenlohn gemäss BGE 126 V 75 (Urteil 9C_898/2015 vom 7. April 2016 E. 1 mit Hinweis). Einen solchen Abzug hat die Vorinstanz nicht vorgenommen, was nicht zu beanstanden ist und von der Beschwerdegegnerin auch nicht gerügt wird. Daraus ergibt sich bei einer Arbeitsfähigkeit von 70 % aus somatischer Sicht (E. 2 hiervor) ein Invaliditätsgrad von 30 %, was keinen Rentenanspruch ergibt (Art. 28 Abs. 2 IVG). Die Beschwerde ist begründet.
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6. Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
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7. Ausgangsgemäss hat grundsätzlich die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach sie der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2015 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 18. Februar 2015 bestätigt.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen und es wird der Beschwerdegegnerin Rechtsanwalt Gian Andrea Danuser als Rechtsbeistand beigegeben.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
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4. Dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'350.- ausgerichtet.
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5. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Gerichtskosten und die Parteientschädigung für das vorangegangene Verfahren neu festzusetzen.
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6. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 12. Mai 2016
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Glanzmann
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Der Gerichtsschreiber: Fessler
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