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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
6B_1280/2015
Urteil vom 1. Juni 2016
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber M. Widmer.
Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Schönbächler,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Bedingter Strafvollzug (Art. 42 Abs. 2 StGB),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 15. Oktober 2015.
Sachverhalt:
A.
X.________ lenkte am 27. Oktober 2013 seinen Personenwagen auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 163 km/h und überschritt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 43 km/h. Am 7. Februar 2014 fuhr er in einem Personenwagen vom Spital Schwyz auf die Autobahneinfahrt von Seewen. Vor dem dort stationierten Kontrollposten der Kantonspolizei Schwyz verliess er die Autobahneinfahrt in Gegenfahrrichtung, um der drohenden Kontrolle zu entgehen, bevor er von der Polizei angehalten werden konnte. Vom 22. April 2013 bis 17. Juni 2013 lenkte er seinen Personenwagen täglich, obschon ihm der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen worden war und er nicht über eine gültige Fahrerlaubnis verfügte.
B.
Das Bezirksgericht Affoltern verurteilte X.________ am 2. Dezember 2014 wegen mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln, mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Busse von Fr. 300.--.
Auf Berufung von X.________ ordnete das Obergericht des Kantons Zürich am 15. Oktober 2015 den Aufschub der Freiheitsstrafe an und bestimmte eine Probezeit von 5 Jahren. Im Übrigen war das bezirksgerichtliche Urteil in Rechtskraft erwachsen.
C.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei teilweise aufzuheben. Es sei der Vollzug der Freiheitsstrafe anzuordnen oder die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
D.
X.________ beantragt, auf die Beschwerde in Strafsachen sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und beantragt, die Berufung des Beschwerdegegners sei abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen. Damit ist sie zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 3 BGG). Daran ändert entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners in seiner Vernehmlassung nichts, dass sie sich gestützt auf Art. 405 Abs. 2 StPO von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung dispensieren liess (vgl. dazu MARC THOMMEN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 81 BGG).
1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Echte Noven sind vor Bundesgericht unbeachtlich (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229; je mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdegegner Tatsachen vorbringt, die sich zugetragen haben, nachdem vor der Vorinstanz keine neuen Tatsachen mehr vorgetragen werden durften, ist darauf nicht einzutreten. Die mit seiner Vernehmlassung eingereichten Unterlagen vom 20. Januar, 16. Februar und 26. Februar 2016 sind nicht zu berücksichtigen.
2.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzugs.
2.1. Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen und Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Vorliegend sind besonders günstige Umstände vorauszusetzen, da der Beschwerdegegner am 21. Juni 2010 vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 1 ½ Jahren verurteilt wurde (vgl. Art. 42 Abs. 2 StGB); ausländische Urteile sind den inländischen insofern gleichgestellt, wenn sie den Grundsätzen des schweizerischen Rechts nicht widersprechen (BGE 105 IV 225 E. 2 S. 226 f.; vgl. auch Urteil 6B_258/2015 vom 26. Oktober 2015 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Ein Rückfall im Sinne von Art. 42 Abs. 2 StGB ist ein Indiz dafür, dass der Täter weitere Straftaten begehen könnte. Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs kommt daher nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz des Rückfalls eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Anders als beim nicht rückfälligen Täter nach Art. 42 Abs. 1 StGB ist das Fehlen einer ungünstigen Prognose nicht zu vermuten. Vielmehr kann eine günstige Prognose nur gestellt werden, wenn Umstände vorliegen, die ausschliessen, dass der Rückfall die Prognose verschlechtert. Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht oder bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters (BGE 134 IV 1 E. 4.2 S. 5 ff.).
2.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdegegner sei im aktuellen Verfahren geständig gewesen und habe sich einsichtig, selbstkritisch und reuig gezeigt. Seine sozialen Bindungen erschienen deutlich gefestigter als früher. Er habe in Ungarn einen neuen Lebensmittelpunkt, sei dort mit seiner Verlobten in einem gemeinsamen Haus sesshaft und habe sich beruflich wie privat eine Zukunftsperspektive erschaffen. So habe er sich für den Aufbau einer beruflichen Selbstständigkeit seiner Verlobten eingesetzt und unterstütze sie dabei tatkräftig. Sie betreibe ein mobiles Hundekosmetikstudio in einem Bus, den er gebaut habe und für dessen Unterhalt er sorge. Zentral erscheine der Umstand, dass er den ungarischen Führerausweis erlangt habe, sodass sich das Fahren ohne Berechtigung nicht mehr wiederholen könne. Mit einer auf das Maximum angesetzten Probezeit werde allfälligen Bedenken Rechnung getragen, dass er sich doch nicht bewähre.
2.3.
2.3.1. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, vermögen die positiven Elemente das bisherige Verhalten des Beschwerdegegners nicht aufzuwiegen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen. Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Zu den relevanten Faktoren zählt auch die strafrechtliche Vorbelastung (BGE 134 IV 1 E. 4.2.1 S. 5).
2.3.2. Zwar dürfen die Verurteilungen des Beschwerdegegners durch das Amtsgericht Ottweiler vom 6. August 2002 und durch das Amtsgericht Sigmaringen vom 19. April sowie 18. August 2004 nicht beachtet werden. Denn in der Schweiz wären sie nach 10 Jahren aus dem Strafregister entfernt worden (Art. 369 Abs. 1 lit. c StGB) und dürften dem Beschwerdegegner nicht mehr entgegengehalten werden (Art. 369 Abs. 7 StGB). Dagegen sind die übrigen Verurteilungen durch deutsche Gerichte zu berücksichtigen (BGE 105 IV 225 E. 2 S. 226 f.). Am 6. August 2007 verurteilte das Amtsgericht Löbau den Beschwerdegegner wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen; ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis bis zum 28. April 2008 gesperrt. Am 5. November 2008 verurteilte ihn das Amtsgericht Zwickau wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen; die Fahrerlaubnis wurde ihm bis zum 21. März 2010 gesperrt. Am 24. März 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Hagenow wegen Urkundenfälschung und Betrugs zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Am 12. Juni 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Uelzen wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Am 23. Juni 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen Urkundenfälschung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten; seine Fahrerlaubnis wurde bis 30. Juni 2010 gesperrt. Am 4. September 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Ludwigslust wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen; die Sperre seiner Fahrerlaubnis wurde bis zum 24. September 2011 erweitert. Am 12. Oktober 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Zittau wegen Urkundenfälschung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten; die Sperre seiner Fahrerlaubnis wurde bis zum 4. Juli 2012 verlängert. Am 18. März 2010 verurteilte ihn das Amtsgericht Löbau wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 31 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 1 ½ Jahren. Diese Strafe verbüsste er zusammen mit den 10 Monaten gemäss Urteil vom 12. Oktober 2009. Der Beschwerdegegner wurde am 3. Juni 2012 aus dem Strafvollzug entlassen mit einer Probezeit bis zum 26. April 2015. Mit Urteil vom 21. Juni 2010 zog das Amtsgericht Berlin-Tiergarten die Verurteilungen vom 24. März 2009, 12. Juni 2009, 23. Juni 2009 und 4. September 2009 zu einer Gesamtstrafe von 1 ½ Jahren zusammen; die Fahrerlaubnis wurde bis am 24. September 2011 gesperrt (vgl. Vorstrafenbericht vom 24. Juni 2014). Mit Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 27. April 2015 wurde dem Beschwerdegegner die Reststrafe der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Löbau vom 18. März 2010 und der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Zittau vom 12. Oktober 2009 erlassen.
2.3.3. Die Vorinstanz durfte den bedingten Strafvollzug im Sinne von Art. 42 Abs. 2 StGB nicht gewähren. Auch wenn beim Beschwerdegegner eine positive Entwicklung eingesetzt haben mag, kann bei einer Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren von besonders günstigen Umständen nicht gesprochen werden. Seine strafrechtliche Vorbelastung lässt auf eine ausgeprägte Uneinsichtigkeit und Gleichgültigkeit schliessen. Die einschlägige Delinquenz zieht sich wie ein roter Faden durch seine letzten Lebensjahre. Durch die Erlangung des ungarischen Führerausweises ist das in der Vergangenheit im Zentrum des deliktischen Verhaltens stehende Fahren ohne Berechtigung zwar weniger wahrscheinlich geworden, mit Blick auf die verschiedenen Tatbestandsvarianten aber nicht ausgeschlossen. Der Beschwerdegegner wurde überdies im vorliegenden Verfahren nicht nur deswegen verurteilt, sondern auch wegen mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. Sein Verhalten zeigt eine eklatante Geringschätzung der Rechtsordnung. Bei seiner positiven Entwicklung handelt es sich letztlich um eine solche, die von einem Straftäter grundsätzlich erwartet werden darf (vgl. insbesondere Urteil 6B_67/2009 vom 30. April 2009 E. 1.2.3). Zwar schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Strafvollzug nicht notwendigerweise aus, bei der Prognosestellung und im Rahmen der Gesamtwürdigung sind sie jedoch als erheblich ungünstiges Element zu gewichten (vgl. Urteil 6B_623/2011 vom 29. September 2011 E. 6).
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Juni 2016
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: M. Widmer