Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
6B_1134/2015
Urteil vom 3. Juni 2016
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern,
2. C.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Nichtanhandnahme (falsches Gutachten),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 1. Oktober 2015.
Erwägungen:
1.
Am 23. Dezember 2014 erstattete X.________ Strafanzeige gegen Dr. C.________ und machte darin geltend, dieser habe ein falsches Gutachten erstellt und ihn mit seinen Ausführungen im Gutachten in seiner Ehre verletzt. Hintergrund der Anzeige bildet das Scheidungsverfahren zwischen X.________ und seiner Ehefrau A.________, in welchem es insbesondere um die Zuteilung der gemeinsamen Tochter B.________, geb. 2008, geht. In diesem Zivilverfahren verfasste Dr. C.________ ein Gutachten "zur Beurteilung der Erziehungsfähigkeit beider Elternteile, Regelung von Sorgerecht, Obhut und Kontaktrecht sowie Abklärung der Notwendigkeit von Kindesschutzmassnahmen".
Mit Verfügung vom 30. Juli 2015 nahm die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, das Verfahren nicht an die Hand. Gegen diese Verfügung reichte X.________ am 22. August 2015 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern ein mit dem Antrag, das Verfahren sei an die Hand zu nehmen. Gleichzeitig stellte er ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Am 31. August 2015 verfügte das Obergericht, das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werde abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für die Privatklägerschaft setze nicht nur Mittellosigkeit, sondern auch genügende Prozesschancen voraus; nach der derzeitigen Aktenlage sei die Beschwerde als aussichtslos einzustufen. Zugleich wurde X.________ aufgefordert, innert zehn Tagen ab Erhalt der Verfügung eine Sicherheit von Fr. 800.-- zu leisten. Werde die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, so trete das Gericht auf das Rechtsmittel nicht ein.
2.
Gegen die Verfügung des Obergerichts betreffend unentgeltliche Rechtspflege vom 31. August 2015 erhob X.________ am 30. September 2015 Beschwerde in Strafsachen. Ehe das Bundesgericht darüber befand, trat das Obergericht des Kantons Bern am 1. Oktober 2015 infolge Nichtleistung der verlangten Sicherheit auf die bei ihm hängige Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft nicht ein. Der Entscheid von 31. August 2015 wurde auf diese Weise hinfällig, weshalb das Bundesgericht auf die Beschwerde vom 30. September 2015 nicht eintrat (Urteil 1B_340/2015 vom 24. November 2015).
3.
Am 3. November 2015 erhob X.________ Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss des Obergerichts vom 1. Oktober 2015. Er bezeichnet seine Eingabe als Ergänzung zur Beschwerde vom 30. September 2015 und beantragt, es sei auf seine beim Obergericht eingereichte Beschwerde einzutreten. Ebenso beantragt er den Ausstand von Oberrichter Trenkel und Oberrichterin Schnell. Für das Verfahren vor dem Bundesgericht ersucht X.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Obergericht und die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern sowie Dr. C.________ verzichten auf eine Vernehmlassung.
4.
Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der Privatkläger die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen. Ein in der Sache nicht legitimierter Beschwerdeführer kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren, noch kann er geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend. Er kann hingegen vorbringen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, er habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder er habe keine Einsicht in die Akten nehmen können ("Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_827/2014 vom 1. Februar 2016 E. 1.1; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht auf das von ihm erhobene Rechtsmittel nicht eingetreten. Er ist demnach legitimiert, den Entscheid der Vorinstanz vor dem Bundesgericht anzufechten.
4.1.
4.1.1. In seinem Urteil vom 24. November 2015 hielt das Bundesgericht fest, dass sich der Zwischenentscheid der Vorinstanz vom 31. August 2015 auf den nun angefochtenen Endentscheid vom 1. Oktober 2015 auswirkt. Es sei daher im Rahmen der Beschwerde gegen diesen Beschluss - die Legitimation des Beschwerdeführers gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG vorausgesetzt - die Rechtmässigkeit der Verpflichtung zu einer Sicherheitsleistung zu prüfen und damit gleichzeitig zu beurteilen, ob die Vorinstanz die unentgeltliche Rechtpflege verweigern durfte.
4.1.2. Nach Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO gewährt die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft zur Durchsetzung ihrer Zivilansprüche die unentgeltliche Rechtspflege, wenn die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint. Im Strafverfahren können adhäsionsweise nur Ansprüche geltend gemacht werden, die ihre Grundlage im materiellen Privatrecht haben, unter Ausschluss derjenigen, die sich auf öffentliches Recht stützen (Art. 122 Abs. 1 StPO; Urteil 6B_780/2015 vom 6. Januar 2016 E. 1.1 mit Hinweisen; VIKTOR LIEBER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 5 f. zu Art. 122 StPO; ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 64 zu Art. 122 StPO).
Nach der Rechtsprechung steht ein gerichtlicher Sachverständiger in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zum Staat (BGE 134 I 159 E. 3; Urteil 6B_1168/2014 vom 13. Februar 2015 E. 1.2; je mit Hinweisen). Ob auf kantonaler Ebene eine öffentlich-rechtliche Haftung besteht, bestimmt das kantonale Recht (vgl. Art. 61 Abs. 1 OR). Nach Art. 100 Abs. 1 des bernischen Personalgesetzes (PG, BSG 153.01) haftet der Kanton für den Schaden, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die nebenamtlich Tätigen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zugefügt haben. Art. 101 desselben Gesetzes bestimmt, dass öffentliche Organisationen des kantonalen Rechts und private Organisationen oder Personen, die unmittelbar mit kantonalen öffentlichen Aufgaben betraut sind, für den Schaden haften, den ihre Organe oder Angestellten in Erfüllung ihrer Aufgabe Dritten widerrechtlich zugefügt haben (Abs. 1). Der Kanton steht für den Ausfall ein (Abs. 2). Die Haftung stützt sich sowohl im Rahmen von Art. 100 als auch von Art. 101 PG auf öffentliches Recht, solange kein gewerbliches Handeln vorliegt (JÜRG WICHTERMANN, in: Müller/Feller [Hrsg.], Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2013, S. 120 ff.; derselbe, Haftung der mit öffentlichen Aufgaben betrauten Personen, in: Rütsche/Fellmann [Hrsg.], Aktuelle Fragen des Staatshaftungsrechts, 2014, S. 141). Eine Zivilforderung, die der Beschwerdeführer im Strafverfahren adhäsionsweise hätte geltend machen können, bestand nicht. Die Vorinstanz wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Ergebnis zu Recht ab. Gestützt auf Art. 383 StPO durfte sie vom Beschwerdeführer eine Sicherheitsleistung verlangen und infolge nicht fristgerechter Bezahlung auf die Beschwerde nicht eintreten.
5.
Das Ausstandsbegehren gegen Oberrichter Trenkel begründete der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 30. September 2015 damit, dass dieser die damals angefochtene Zwischenverfügung vom 31. August 2015 gefällt habe und für die weitere Bearbeitung der Beschwerde ungeeignet sei. In der Beschwerde in Strafsachen vom 3. November 2015 beantragt er zusätzlich den Ausstand von Oberrichterin Schnell, zumal diese am nun angefochtenen Entscheid vom 1. Oktober 2015 mitgewirkt und auch frühere von ihm erhobene Rechtsmittel abgewiesen habe.
Die Mitwirkung eines Richters an einem negativen Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit bildet für sich alleine keinen Ausstandsgrund (BGE 131 I 113 E. 3.7). Dasselbe gilt, wenn ein Richter sich mit der gleichen Sache mehrfach befasst hat (MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 28 zu Art. 56 StPO mit Hinweisen). Darüber hinaus erübrigt es sich, auf die vom Beschwerdeführer formulierten Ausstandsbegehren einzugehen, zumal eine Rückweisung an die Vorinstanz infolge Abweisung der Beschwerde ohnehin nicht erfolgt.
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Vorinstanz wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit der Begründung ab, die Prozessbegehren des Beschwerdeführers seien aussichtslos. Sie verwies dabei einzig auf die "Aktenlage". Eine derartige Begründung genügt den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Die Anträge waren in dieser Hinsicht nicht von vornherein aussichtslos und die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ist ausgewiesen. Der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor dem Bundesgericht ist folglich gutzuheissen; dem Beschwerdeführer sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juni 2016
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Moses