BGer 9C_739/2015 |
BGer 9C_739/2015 vom 20.06.2016 |
{T 0/2}
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9C_739/2015
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Urteil vom 20. Juni 2016 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiber Furrer.
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Verfahrensbeteiligte |
Bundesamt für Gesundheit, Schwarzenburgstrasse 165, 3003 Bern,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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A.________ SA,
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vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Eggenberger Stöckli,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Krankenversicherung (Spezialitätenliste; Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2015.
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Sachverhalt: |
A. Die A.________ SA als Zulassungsinhaberin des Arzneimittels B.________, welches in verschiedenen galenischen Formen und Dosisstärken in der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste; fortan: SL) aufgeführt ist, übermittelte dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) am 20. Dezember 2011 Unterlagen zwecks Überprüfung der Aufnahmebedingungen von B.________ nach Patentablauf (Art. 65e KVV [SR 832.102]; in der von 1. Oktober 2009 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung [AS 2009 4245; 2015 1255]). Das BAG informierte mit Schreiben vom 17. April 2012, gestützt auf einen Auslandpreisvergleich (fortan: APV) beabsichtige es, die Preise über alle Packungen von B.________ um 21,24 % zu senken. Mit Stellungnahmen vom 8. Mai und 12. Juni 2012 vertrat die A.________ SA den Standpunkt, bei der Preisfestsetzung sei eine Toleranzmarge von 5 % zum durchschnittlichen Fabrikabgabepreis der Referenzländer hinzuzurechnen. Das BAG setzte mit Verfügung vom 21. Juni 2012 die SL-Preise für B.________ - ausschliesslich auf der Grundlage eines APV und ohne Berücksichtigung einer Toleranzmarge - mit Wirkung ab 1. August 2012 wie folgt fest:
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Gleichzeitig entzog es einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
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B. Eine hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht - nachdem es mit Zwischenverfügung vom 20. Februar 2013 die Publikumspreise von B.________ für die Dauer des Beschwerdeverfahrens neu festlegte - mit Entscheid vom 1. September 2015 dahingehend gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache an das BAG zurückwies, damit dieses nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen (Vornahme einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand eines APV und eines therapeutischen Quervergleichs [fortan: TQV]) über die Preissenkung neu verfüge. Im Übrigen (Gewährung der Toleranzmarge) wies es die Beschwerde ab.
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C. Das BAG erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2015 sei aufzuheben und die Verfügung des BAG vom 21. Juni 2012 zu bestätigen.
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Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des angefochtenen Entscheids an, soweit die Verfügung des BAG vom 21. Juni 2012 aufgehoben und die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen und neuer Verfügung an das BAG zurückgewiesen werde.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Beim angefochtenen Entscheid, welcher die Sache zur Vornahme einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfung sowie zum anschliessenden Erlass einer neuen Verfügung über die Preissenkung an das BAG zurückweist, handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 142 V 26 E. 1.1 S. 28 mit Hinweis auf BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f.). Die Beschwerde an das Bundesgericht ist daher nur zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
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1.2. Nach der Rechtsprechung obliegt es dem Beschwerdeführer darzutun, dass eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist, es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu in die Augen (BGE 141 III 80 E. 1.2 S. 81; 138 III 46 E. 1.2 S. 47; 137 III 324 E. 1.1 S. 329; 134 III 426 E. 1.2 i.f. S. 429; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2 S. 633).
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Der Beschwerdeführer setzt sich mit den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG nicht auseinander. Vorliegend ist ein nicht wieder gutzumachender Nachteil jedoch evident: Könnte der Beschwerdeführer den vorinstanzlichen Entscheid nicht anfechten, wäre er gezwungen, eine seines Erachtens rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Sodann wäre er nicht legitimiert, seine eigene Verfügung anzufechten (Art. 27 Abs. 2 KVV e contrario). Die Beschwerdegegnerin ihrerseits hätte keinen Anlass, die neu zu erlassende Verfügung anzufechten, wenn sie zu ihrem Vorteil ist, so dass im Ergebnis der allenfalls rechtswidrige Entscheid nicht mehr angefochten und das falsche Ergebnis nicht korrigiert werden könnte (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2.4 S. 484 f.). Daher ist auf die Beschwerde einzutreten.
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1.3. Die Vorinstanz hat in Dispositiv-Ziffer 1 die Beschwerde dahingehend gutgeheissen, dass sie die Rückweisung der Sache zur umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfung anordnete (erster Satz). Im Übrigen hat sie die Beschwerde abgewiesen und damit die Nichtgewährung der Toleranzmarge bestätigt (zweiter Satz). Weil der Beschwerdeführer - wie sich aus der Begründung ergibt (Urteil 9C_251/2009 vom 15. Mai 2009 E. 1.3) - den vorinstanzlichen Entscheid einzig in Bezug auf die Anordnung anficht, (nebst dem APV) auch einen TQV durchzuführen und hernach über die Preissenkung neu zu verfügen, bildet die Toleranzmarge nicht Streitgegenstand (BGE 125 V 413 E. 2a S. 415). Soweit sich die Beschwerdegegnerin dennoch zur Frage der Toleranzmarge äussert, ist darauf nicht einzugehen.
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2. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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3. |
3.1. Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt wird, übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung gemäss Art. 25 KVG die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese Leistungen umfassen u.a. die ärztlich verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b). Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1), wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss (Satz 2). Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft (Art. 32 Abs. 2 KVG). Das BAG erstellt laut Art. 52 Abs. 1 lit. b Satz 1 KVG (i.V.m. Art. 34, Art. 37a lit. c und Art. 37e Abs. 1 KVV) nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1 sowie Art. 43 Abs. 6 KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste).
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3.2. Die hier massgebenden, auszugsweise wiederzugebenden Bestimmungen der KVV (in der ab 1. Mai 2012 in Kraft gestandenen Fassung) zu den Bedingungen für die Aufnahme in die SL, zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen und zur Überprüfung der Aufnahmebedingungen lauten wie folgt:
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Art. 65 Allgemeine Aufnahmebedingungen
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1 Ein Arzneimittel kann in die Spezialitätenliste aufgenommen werden, wenn es über eine gültige Zulassung des Instituts verfügt.
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(...)
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3 Arzneimittel müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein.
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(...)
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Art. 65b Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen
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1 Ein Arzneimittel gilt als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellen Aufwand gewährleistet.
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2 Die Wirtschaftlichkeit wird aufgrund eines Vergleichs mit anderen Arzneimitteln und der Preisgestaltung im Ausland beurteilt.
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3 Der Auslandspreisvergleich erfolgt summarisch, wenn er mangels Zulassung in den Vergleichsländern zum Zeitpunkt des Gesuchs um Aufnahme nicht oder nur unvollständig vorgenommen werden kann.
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4 Die Kosten für Forschung und Entwicklung sind bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Originalpräparates angemessen zu berücksichtigen. Zur Abgeltung dieser Kosten wird im Preis ein Innovationszuschlag berücksichtigt, wenn das Arzneimittel in der medizinischen Behandlung einen Fortschritt bedeutet.
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Art. 65d Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre
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1 Das BAG überprüft sämtliche Arzneimittel, die in der Spezialitätenliste aufgeführt sind, alle drei Jahre daraufhin, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen.
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1bis Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wird der Vergleich mit anderen Arzneimitteln nur durchgeführt, wenn der Vergleich mit der Preisgestaltung im Ausland nicht möglich ist.
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1ter Das Departement kann beim Auslandpreisvergleich eine Toleranzmarge vorsehen, mit der Wechselkursschwankungen berücksichtigt werden.
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2 Ergibt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit aufgrund der umsatzstärksten Packung, dass der geltende Höchstpreis zu hoch ist, so verfügt das BAG auf den 1. November des Überprüfungsjahres eine angemessene Preissenkung.
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Art. 65e Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf
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1 Das BAG überprüft Originalpräparate unmittelbar nach Ablauf des Patentschutzes daraufhin, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen. Verfahrenspatente werden bei der Überprüfung nicht berücksichtigt.
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2 Bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit werden die Kosten für Forschung und Entwicklung nicht mehr berücksichtigt.
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3 Ergibt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, dass der geltende Höchstpreis zu hoch ist, so verfügt das BAG eine Preissenkung.
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3.3. Die Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.112.31; in der ab 1. Mai 2012 in Kraft gestandenen Fassung) führt zur hier interessierenden Thematik Folgendes aus:
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Art. 34 Wirtschaftlichkeit
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1...
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2 Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels werden berücksichtigt:
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a. dessen Fabrikabgabepreise im Ausland;
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b. dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise;
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c. dessen Kosten pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise
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d. bei einem Arzneimittel im Sinne von Artikel 31 Absatz 2 Buchstaben a und b ein Innovationszuschlag für die Dauer von höchstens 15 Jahren; in diesem Zuschlag sind die Kosten für Forschung und Entwicklung angemessen zu berücksichtigen.
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Art. 37 Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf
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Für die Überprüfung eines Originalpräparates nach Artikel 65e KVV muss die Zulassungsinhaberin dem BAG spätestens sechs Monate vor Ablauf des Patentschutzes unaufgefordert die Preise in allen Vergleichsländern nach Artikel 35 Absatz 2 und die Umsatzzahlen der letzten vier Jahre vor Patentablauf nach Artikel 65c Absätze 2-4 KVV angeben. Die Durchschnittspreise der Vergleichsländer werden auf der Homepage des BAG publiziert.
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4. Unbestritten ist die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit des Arzneimittels B.________ sowie das Vorliegen einer gültigen Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic. Strittig ist hingegen, ob die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von B.________ im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf gemäss Art. 65e KVV - wie die Verwaltung annimmt - einzig anhand eines APV oder - mit Vorinstanz und Beschwerdegegnerin - grundsätzlich mittels APV und TQV vorzunehmen ist.
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4.1. Das Bundesverwaltungsgericht verwies einleitend auf seinen Grundsatzentscheid (C-5912/2013 vom 30. April 2015) zur dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen, wonach der TQV ein wesensnotwendiger Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei. Es stellte fest, das BAG nehme bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung nach Patentablauf keinen TQV vor. Diese Auslegung von Art. 65e KVV komme in Ziff. F.1.3 des vom BAG herausgegebenen Handbuchs betreffend die Spezialitätenliste vom 1. September 2011 (Stand: 1. Januar 2012) zum Ausdruck, wonach bei der Überprüfung nach Patentablauf ein TQV nur in begründeten Fällen durchgeführt werde. Einen Ausschluss oder eine Einschränkung der Anwendung des TQV im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Patentablauf sähen indes weder die Bestimmungen der KVV noch der KLV vor. Mangels einer speziellen Regelung und angesichts des Wortlauts von Art. 65e KVV sei die Wirtschaftlichkeit anhand der in allgemeiner Weise in Art. 65b KVV festgelegten und in Art. 34 KLV konkretisierten Kriterien zu beurteilen. Mithin habe die Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Anwendung von APV und TQV zu erfolgen, ausser ein TQV sei im Einzelfall nicht möglich. Gegenteiliges lasse sich weder den Materialien zu Art. 65e KVV entnehmen noch aus dem Sinn und Zweck der Überprüfung nach Patentablauf ableiten. Im Ergebnis fehle - im Gegensatz zur dreijährlichen Überprüfung (Art. 65d KVV) - eine rechtliche Grundlage für eine eingeschränkte Anwendung des TQV bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Patentablauf. Die im SL-Handbuch - wobei es sich um eine Verwaltungsverordnung handle - kodifizierte Praxis des BAG sei somit nicht durch eine entsprechende Gesetzes- oder Verordnungsgrundlage gedeckt. Nicht einzugehen sei auf die Frage, ob die per 1. Juni 2015 in Kraft getretene Fassung von Art. 65e Abs. 2 KVV gesetzeskonform sei. Dasselbe gelte für die Frage, wie der TQV in casu konkret auszugestalten und wie die Vergleichsgruppe zu bestimmen sei. Betreffend TQV sei der Sachverhalt nicht abgeklärt worden, weshalb die Sache an das BAG zur Vornahme einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfung zurückzuweisen sei.
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4.2. Der Beschwerdeführer rügt eine fehlerhafte Auslegung von Art. 65e KVV i.V.m. Art. 37 KLV und macht geltend, die eingeschränkte Anwendung des TQV bei der Überprüfung nach Patentablauf sei in den Verordnungen zwar nicht explizit festgehalten. Indes könne durch Auslegung ermittelt werden, dass die Grundlage für die eingeschränkte Anwendung des TQV in Art. 65e KVV i.V.m. Art. 37 KLV angelegt sei. Während in Art. 65b KVV die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit "im Allgemeinen" geregelt werde, stelle Art. 65e KVV eine lex specialis dar, gemäss welcher bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Patentablauf nur der APV massgebend sei. Die Details zum Vollzug der Überprüfung seien in Ziff. F.1.3 des SL-Handbuchs geregelt. Die Gründe für den Vorrang des APV lägen in der Schwierigkeit, bei einem Arzneimittel, dessen Patent ablaufe, einen sachgerechten TQV durchzuführen: Ein Vergleich von B.________ mit patentgeschützten Originalpräparaten oder Generika würde das Gleichbehandlungsgebot verletzen. Die Überprüfung (einzig) mittels APV entspreche dem Willen des Verordnungsgebers, stehe im Einklang mit Sinn und Zweck der Überprüfung nach Patentablauf (Ziel der möglichst günstigen Kosten) und decke sich mit der Systematik der KVV. Somit sei Ziff. F.1.3 des SL-Handbuchs mit Art. 65e KVV i.V.m. Art. 37 KLV durch eine ausreichende rechtssatzmässige Regelung gedeckt.
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4.3. Die Beschwerdegegnerin wendet ein, auch bei der Überprüfung nach Patentablauf gehe es um die Überprüfung der Aufnahmebedingungen, wobei die Wirtschaftlichkeit gemäss ständiger und jüngst bestätigter Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 142 V 26) anhand von APV und TQV zu beurteilen sei. Nicht der Wille des Verordnungsgebers sei entscheidend, sondern das übergeordnete Gesetz und der Wille des Gesetzgebers. Der Bundesrat habe nicht die Kompetenz, die Wirtschaftlichkeit anders zu definieren als dies im Gesetz vorgesehen sei. Dieses enthalte keine Hinweise auf unterschiedliche Wirtschaftlichkeitsbegriffe. Schliesslich könne die vom BAG erwähnte Schwierigkeit eines rechtsgleichen TQV gleichermassen beim APV auftreten, weil der Patentschutz nicht in allen Ländern gleichzeitig ablaufe. Mit diesem Argument könne der Verzicht auf den TQV daher nicht gerechtfertigt werden.
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5. |
5.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Re chtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 140 V 449 E. 4.2 S. 455 mit Hinweisen).
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Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (BGE 140 V 538 E. 4.3 S. 540 f.; 139 V 537 E. 5.1 S. 545; je mit Hinweis).
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5.2. |
5.2.1. Gemäss Sachüberschrift von Art. 65e KVV sowie Abs. 1 dieser Bestimmung ist bei Ablauf des Patentschutzes zu prüfen, ob das Originalpräparat die
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5.2.2. Entstehungsgeschichtlich ist festzuhalten, dass die von Art. 32 Abs. 2 KVG geforderte periodische Überprüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen (E. 3.1 hiervor) in der ursprüngli chen, ab 1. Januar 1996 in Kraft gestandenen Fassung der KVV (AS 1995 3867) noch nicht bzw. erst ansatzweise umgesetzt war. So wurden die auf der SL aufgeführten Arzneimittel gemäss Art. 65 Abs. 7 KVV (in der von 1. Januar 1996 bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung; AS 1995 3887) erstmals 15 Jahre nach ihrer Aufnahme einer (einmaligen) Überprüfung unterzogen. Mit Änderung der KVV vom 2. Oktober 2000 (AS 2000 2835; in Kraft getreten am 1. Januar 2001) wurde Art. 65 Abs. 7 KVV dergestalt modifiziert, dass die Überprüfung der Arzneimittel bereits nach Patentablauf stattfand (spätestens jedoch 15 Jahre nach der SL-Aufnahme), d.h. auch wenn die Arzneimittel noch keine 15 Jahre in der SL aufgenommen waren (vgl. vorbereitende Arbeiten zur Änderung der KVV vom 2. Oktober 2000, Erläuterung zu Art. 65 Abs. 7 KVV; vgl. auch DOMINIQUE MARCUARD, Preisbildung bei Arzneimitteln, in: Soziale Sicherheit [CHSS] 2/2001 S. 70). Mit Änderung der KVV vom 26. April 2006 (AS 2006 1717; in Kraft getreten am 10. Mai 2006) wurde die Überprüfung nach Patentablauf sodann in eine eigene Bestimmung (Art. 65b KVV) überführt und mit dem Wort "unmittelbar" (nach Ablauf des Patentschutzes) ergänzt, wodurch das Ziel der möglichst raschen Überprüfung und Entlastung der "OKP durch früher erfolgende Preissenkungen" hervorgehoben wurde (S. 4 und 6 der Publikation "Kommentar" des BAG vom April 2006 zu den Änderungen der KVV vorgesehen für 1. Mai 2006 [abrufbar unter www.bag.admin.ch]). Per 1. Oktober 2009 - gleichzeitig mit der Etablierung der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen - trat schliesslich der hier massgebliche Art. 65e KVV (vgl. E. 3.2 hiervor) in Kraft (Änderung der KVV vom 1. Juli 2009; AS 2009 4245), wobei im Vergleich zur Vorgängerbestimmung im Wesentlichen der alternative Überprüfungszeitpunkt (15 Jahre nach der SL-Aufnahme) wegfiel.
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Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte sind zweierlei Ziele der Überprüfung der Arzneimittel nach Ablauf des Patentschutzes auszumachen. Zum einen das Ziel, die Preise der Arzneimittel unmittelbar nach und wegen dem Ablauf des Patentschutzes (u.a. Wegfall des Innovationszuschlags) zu senken. Zum anderen jenes der Überprüfung der Aufnahmebedingungen (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) gemäss Art. 32 Abs. 2 KVG (vgl. auch Ziff. 2.1 der Antwort des Bundesrates vom 25. Mai 2005 auf die Interpellation Nr. 05.3010 von Ruth Humbel betreffend "Preisgestaltung von neuen patentgeschützten Medikamenten" [abrufbar unter www.parlament.ch], wonach eine "generelle Überprüfung der WZW-Kriterien" u.a. nach Ablauf des Patentschutzes bzw. nach 15 Jahren erfolge).
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Das Bundesgericht hat in Bezug auf die dreijährliche Überprüfung der Aufnahmebedingungen (Art. 65d Abs. 1bis KVV; in der von 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung) erkannt, diese habe nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend zu erfolgen, d.h. unter Einschluss einer Kosten-Nutzen-Analyse, wie sie im Rahmen des TQV stattfinde. Denn nur eine umfassende Überprüfung der Kriterien von Art. 32 Abs. 1 KVG ermögliche es, "überholte Leistungen auszumustern" (oder deren Preise zu senken) bzw. sicherzustellen, dass die im Rahmen der Aufnahme eines Arzneimittels in die SL gestellten Anforderungen während der gesamten Verweildauer auf der SL erfüllt sind (BGE 142 V 26 E. 5.2.3-5.4 S. 36 ff.; in diesem Sinne auch GEBHARD EUGSTER, Die obligatorische Krankenpflegeversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016 [fortan: SBVR], S. 626 Rz. 713, laut welchem für eine Wirtschaftlichkeitsbeurteilung nebst dem APV "zwingend" zusätzlich ein TQV durchzuführen sei). Dies hat - weil die Überprüfung nach Patentablauf nach dem Dargelegten ebenso wie die dreijährliche Überprüfung (Art. 65d KVV) die Zielsetzung von Art. 32 Ab s. 2 KVG verfolgt - ohne Weiteres auch für die Überprüfung nach Patentablauf zu ge lten. Folglich steht der Einbezug des TQV im Einklang mit Sinn und Zweck der Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Patentablauf.
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5.2.3. Soweit der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, die Einschränkung auf den APV orientiere sich am Ziel der möglichst günstigen Kosten nach Art. 43 Abs. 6 KVG, "wobei der APV geeignet" sei, dieses Ziel zu erreichen, vermag dies nicht zu überzeugen. Zum einen wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist auch (anderweitig) nicht ersichtlich, weshalb die alleinige Anwendung des APV und damit eine ausschliesslich preisbezogene Überprüfung der Wirtschaftlichkeit geeignet sein sollte, das in Art. 43 Abs. 6 KVG stipulierte Ziel der qualitativ hoch stehenden und zweckmässigen (Arzneimittel-) Versorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen. De facto vermag die ausschliesslich preisbezogene Überprüfung lediglich zu verhindern, dass die Preisdifferenz zu den Vergleichsländern nicht zunimmt (eingehend zu den Unzulänglichkeiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschliesslich anhand des APV: BGE 142 V 26 E. 5.4 S. 38 f. mit Hinweisen auf den Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 13. Juni 2013, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung [fortan: Bericht PVK]). Zum anderen ist in Bezug auf das Kriterium der "möglichst günstigen Kosten" festzustellen, dass der Einbezug des TQV in der Regel sogar zu einem tieferen Vergleichswert als die alleinige Anwendung des APV führt (Bericht PVK, S. 29 Fn. 47]). Daher ist eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung auch im Sinne des angerufenen Art. 43 Abs. 6 KVG. Dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung mittels APV und TQV zu tieferen Preisen als bei der ausschliesslichen Prüfung mittels APV führen kann, wird beschwerdeweise denn auch eingeräumt: So führt der Beschwerdeführer - indes als systematisches Auslegungsargument gegen die Verwendung des TQV - ins Feld, wenn der TQV zu einem Preis führte, der tiefer als das Auslandpreisniveau minus 10 oder 20 % läge (vgl. Art. 65c Abs. 2 lit. a und b KVV), wären Generika teurer als das Originalpräparat. Die Möglichkeit eines solchen (vom Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigten) Ergebnisses (vgl. Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG) vermag allenfalls Unzulänglichkeiten der Verordnungsbestimmungen betreffend die Preisfestlegung von Generika aufzuzeigen. Ein Abweichen von der umfassenden Wirtschaftlichkeitsbeurteilung vermag sie nach dem Gesagten indes nicht zu rechtfertigen.
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5.2.4. Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, eine Auslegung im Sinne der Rechtsgleichheit müsse zur alleinigen Anwendung des APV führen. Ein rechtsgleicher Preisvergleich wäre nur mit Arzneimitteln möglich, deren Patentschutz ungefähr zur selben Zeit ablaufe wie das zu überprüfende Originalpräparat, was praktisch nie vorkomme. Demgegenüber sei ein Vergleich namentlich mit patentgeschützten Originalpräparaten rechtsungleich, weil deren Preise einen Innovationszuschlag und eine Toleranzmarge enthalten könnten.
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Dieser Einwand verfängt nicht. Zunächst tritt - wie die Beschwerdegegnerin zutreffend bemerkt - die Problematik in Form des Vergleichs von Arzneimitteln mit ablaufendem bzw. abgelaufenem Pa tentschutz mit solchen mit noch bestehendem Patentschutz nicht nur beim TQV, sondern - mutatis mutandis - auch beim APV auf. Dies deshalb, weil der Patentschutz ein und desselben Originalpräparats in vielen Fällen zuerst in der Schweiz und erst später in den Vergleichsländern des Länderkorbs abläuft, was auf die unterschiedlichen Anmeldezeitpunkte zurückzuführen ist (S. 4 vierter Absatz der Publikation "Kommentar" des BAG vom April 2006 zu den Änderungen der KVV vorgesehen für 1. Mai 2006[abrufbar unter www.bag.admin.ch]; vgl. zur Schweiz als Hochpreisland und Erstzulassungsstaat: Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, S. 70 Ziff. 158, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 13. Juni 2013). Alsdann ist - auch wenn im vorliegenden Verfahren nicht über die konkrete Ausgestaltung des TQV im Rahmen von Art. 65e KVV zu befinden ist - nicht erkennbar, weshalb eine rechnerische Ausscheidung der Toleranzmarge und eines allfälligen Innovationszuschlags des noch patentgeschützten Arzneimittels, welche preislichen Komponenten gemäss Beschwerdeführer einen rechtsgleichen Vergleich verunmöglichten, nicht möglich sein sollte.
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5.3. Zusammenfassend ergibt die Auslegung von Art. 65e KVV, dass nach Ablauf des Patentschutzes grundsätzlich eine umfa ssende Wirtschaftlichkeitsprüfung - anhand von APV und TQV - durchzuführen ist. Soweit das SL-Handbuch in Ziff. F.1.3 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vor allem anhand eines APV vorsieht, ist es gesetzeswidrig. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer zu Rec ht angewiesen, die Wirtschaftlichkeit umfassend zu prüfen und hernach über die Preissenkung neu zu verfügen.
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6. Vom BAG als unterliegende Partei sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 20. Juni 2016
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Glanzmann
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Der Gerichtsschreiber: Furrer
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