BGer 5A_213/2016 |
BGer 5A_213/2016 vom 07.07.2016 |
{T 0/2}
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5A_213/2016
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Urteil vom 7. Juli 2016 |
II. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter von Werdt, Präsident,
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Bundesrichter Marazzi, Bovey,
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Gerichtsschreiber Möckli.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Gysler,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Regionalgericht Berner Jura-Seeland.
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Gegenstand
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unentgeltliche Rechtspflege (Eheschutz),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
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des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer,
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vom 9. Februar 2016.
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Sachverhalt: |
A. A.________ und B.________ haben am 8. Januar 2007 in Peru geheiratet und sind Eltern einer 2007 geborenen Tochter.
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B. Am 28. Mai 2014 machte B.________ beim Regionalgericht Berner Jura-Seeland ein Eheschutzverfahren anhängig, das noch pendent ist.
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Mit Entscheid vom 7. August 2014 wies das Regionalgericht die Anträge von A.________ um Verpflichtung von B.________ zu einem Prozesskostenbeitrag von Fr. 8'000.--, eventualiter um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 27. Januar 2015 ab.
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C. Mit Eingabe vom 30. März 2015 beantragte A.________ die Einsetzung einer Kindesvertretung und erneut die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Mit Verfügung vom 23. Oktober 2015 wies das Regionalgericht die beiden Anträge ab, wogegen A.________ beim Obergericht Beschwerde erhob.
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Betreffend Kindesvertretung trat das Obergericht auf die Beschwerde mit Entscheid vom 9. Februar 2016 nicht ein, betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege wies es die Beschwerde ab und im Übrigen wies es auch das von A.________ gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren ab.
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D. Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat A.________ am 14. März 2016 eine Beschwerde erhoben mit den Begehren, es sei ihr für das Eheschutzverfahren vor dem Regionalgericht, für das Beschwerdeverfahren vor dem Obergericht und für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. Es wurden keine Vernehmlassungen, aber die Akten eingeholt.
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Erwägungen: |
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit welchem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Bei dieser geht es um einen Eheschutzentscheid, mithin um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit, gegen welche die Beschwerde in Zivilsachen offen stünde. Die vorliegende Beschwerde erweist sich folglich als zulässig.
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Weil Eheschutzverfahren als vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG gelten (BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2 S. 396 f.; Urteile 5A_552/2008 vom 27. Januar 2009 E. 2; 5A_417/2011 vom 20. September 2011 E. 1.2), kann auch mit der vorliegenden Beschwerde betreffend die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Urteil 5A_761/2014 vom 26. Februar 2015 E. 1.3; ferner Urteile 5A_212/2012 vom 15. August 2012 E. 1.2; 5A_247/2013 vom 15. Oktober 2013 E. 1.2). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip. Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 IV 265 E. 2.5 S. 266 f.; 140 III 264 E. 2.3 S. 266).
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2. Gemäss den Feststellungen des Obergerichtes hat das Regionalgericht das erste Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege am 7. August 2014 abgewiesen mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe auf dem Sparkonto Nr. xxx bei der Bank C.________ ein Guthaben von rund Fr. 47'000.-- und insgesamt stünden ihr rund Fr. 50'700.-- an flüssigen Mitteln zur Verfügung. Im zweiten Gesuch vom 30. März 2015 mache sie geltend, aufgrund einer Teilkündigung vom 18. August 2014 mittlerweise noch 50 % zu arbeiten und ihr bisheriges Vermögen aufgebraucht zu haben. Das Regionalgericht habe darauf hingewiesen, dass sie bereits im ersten Gesuch vorgebracht hätte, alles Vermögen aufgebraucht zu haben, und dass sie im Übrigen hätte darlegen müssen, weshalb sie sich nicht bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet habe. Aus dem Arbeitslosengeld hätte sie ein Ersatzeinkommen von Fr. 1'300.-- erzielen und zusammen mit ihrem aktuellen Nettoeinkommen ihren Notbedarf decken können. Aber selbst ohne Einbezug eines hypothetischen Arbeitsloseneinkommens wäre sie noch nicht prozessarm, wenn sie von ihrem Vermögen monatlich rund Fr. 1'300.-- für den Lebensunterhalt verbraucht hätte.
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Das Obergericht hat befunden, die Behauptung des Vermögensverbrauchs könne mit den ins Recht gelegten Kontoauszügen nicht nachgewiesen werden. Auch wenn die Konten nur noch einen geringen Saldo aufwiesen, könne daraus nicht geschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin über kein nennenswertes Vermögen mehr verfüge. Vielmehr berechtigten die Auszüge nur zur Annahme, dass auf den erwähnten Konten keine nennenswerten Geldbeträge mehr vorhanden seien. Es fehle aber ein Überblick über alle Bankbeziehungen, und Barvermögen müsse auch nicht zwingend auf diese Weise angelegt sein. Für den Beweis des Vermögensverbrauchs wäre erforderlich, dass die Beschwerdeführerin in plausibler und nachvollziehbarer Weise aufzeigen und durch Unterlagen belegen würde, wie das im ersten uR-Entscheid vom 7. August 2014 festgestellte Vermögen bis zum Zeitpunkt des zweiten Gesuches am 20. Mai 2015 entäussert worden sei. Dieser Beweis werde praxisgemäss durch die Gegenüberstellung von erzieltem Einkommen und prozessrechtlichem Existenzminimum sowie gesondertem Nachweis für ausserordentliche Auslagen geführt. Die geltend gemachte Einkommenseinbusse durch die zwischenzeitliche Änderungskündigung sei aber in der Berechnung der Vorinstanz berücksichtigt und die angeblichen Umzugskosten nicht belegt. Soweit Anwaltskosten angeführt würden, wären darunter jedenfalls diejenigen des hängigen Eheschutzverfahrens nicht zu zählen, weil diese gerade Gegenstand des vorliegenden uR-Verfahrens bildeten, welches sich erübrigen würde, wenn die hierfür anfallenden Kosten vorgängig schon aus den verfügbaren Mitteln bestritten worden wären. Andere Anwaltskosten seien nicht belegt, so dass auch dieser Einwand nicht stichhaltig sei.
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Insgesamt ergebe sich, dass selbst unter Berücksichtigung eines Vermögensverzehrs von monatlich Fr. 1'300.-- für das Manko während der Zeit der Änderung des Anstellungsgrades und der Einreichung des uR-Gesuches sowie nach Abzug des Notgroschens von Fr. 13'000.-- immer noch freies Vermögen vorhanden sei, welches die anfallenden Kosten für das Eheschutzverfahren um ein Mehrfaches übersteige.
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3. Die Beschwerdeführerin vermag keine willkürliche Beweiswürdigung aufzuzeigen, indem sie sich auf die wiederholte Aussage beschränkt, es sei vom dokumentierten heutigen und nicht von einem hypothetischen Vermögensstand auszugehen. Das Obergericht hat gerade nicht ein hypothetisches, sondern ein höheres tatsächliches Vermögen angenommen mit der Begründung, der angebliche Verzehr des im ersten uR-Entscheid festgestellten Vermögens innert der wenigen Monate bis zur Stellung des zweiten uR-Gesuches sei erklärungsbedürftig und die Beschwerdeführerin müsste den Verzehr konkret nachweisen.
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Mit dieser Entscheidbegründung setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, weshalb ihre Beschwerde bereits daran scheitert. Die obergerichtliche Begründung wäre im Übrigen aber auch nicht willkürlich: Die Beschwerdeführerin hatte im kantonalen Verfahren ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f.). Dabei traf sie eine umfassende Mitwirkungsobliegenheit (Urteile 5A_897/2013 vom 8. Juli 2014 E. 3.1; 5A_761/2014 vom 26. Februar 2015 E. 3.2). Soweit sie dieser Obliegenheit nicht nachgekommen ist, durfte das Gericht die Bedürftigkeit ohne Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs verneinen und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abweisen (BGE 125 IV 161 E. 4a S. 164 f.; Urteile 5A_382/2010 vom 22. September 2010 E. 3.1; 2C_683/2014 vom 24. Oktober 2014 E. 3.1.1; 5A_761/2014 vom 26. Februar 2015 E. 3.2; 5A_142/2015 vom 5. Januar 2016 E. 3.7). Vorliegend ist die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungs- bzw. Nachweispflicht nicht genügend nachgekommen, indem sie nur vom Postkonto vollständige Monatsauszüge, jedoch von den Bankkonten einzig Saldobestätigungen eingereicht und im Übrigen keine konkreten bzw. plausiblen Ausführungen gemacht hat, auf welche Weise das kurz zuvor noch vorhandene Geld verbraucht worden sein soll. Insbesondere bleibt mit der blossen Saldobestätigung im Dunkeln, wohin die Fr. 47'000.-- auf dem Konto der Bank C.________ geflossen sind. Allein für das Unterhaltsmanko während weniger Monate kann dieser Betrag schon rein rechnerisch nicht verbraucht worden sein, wie das Obergericht zutreffend festhält. Deshalb wären wie gesagt Willkürrügen - welche indes nicht erhoben worden sind - auch in der Sache unbegründet.
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Nichts ableiten kann die Beschwerdeführerin daraus, dass sie bereits im Rahmen des ersten uR-Verfahrens ausgesagt hatte, das vorhandene Vermögen sei zwischenzeitlich aufgebraucht worden; im damaligen uR-Entscheid vom 7. August 2014 wurde ausdrücklich ein Vermögen von über Fr. 50'000.-- festgestellt (davon Fr. 47'000.-- auf dem Konto Nr. xxx bei der Bank C.________), so dass die seinerzeitige Falschaussage der Beschwerdeführerin nicht als Nachweis dafür die nen kann, dass sie nunmehr kein Vermögen besitze.
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Appellatorisch sich die Ausführungen, wonach ein Vermögensanteil von knapp Fr. 23'000.-- im Jahr 2006 als Freizügigkeitsleistung ausbezahlt worden sei und es sich dabei um Mittel zur Sicherstellung der privaten Altersvorsorge handle. Selbst bei einer substanziierten Willkürrüge liesse sich daraus nicht ableiten, dass die betreffenden Mittel bei der Berechnungsbasis ausgeklammert bleiben müssten. Durch die Barauszahlung wurden sie zu ungebundenem Vermögen und sie sind bislang nie in eine gebundene Vorsorgeform zurückgeführt worden; sie sind deshalb unbeschränkt pfändbar (VONDER MÜHLL, Basler Kommentar, N. 40 zu Art. 92 SchKG) und gehören somit auch zu den für die unentgeltliche Rechtspflege zu berücksichtigenden Vermögensbestandteilen. Für das behauptete Gegenteil ruft die Beschwerdeführerin einzig BGE 133 V 205 E 4.8 und das Urteil 5C.70/2004 E. 3.2.2 an, welche indes im betreffenden Kontext nicht ansatzweise topisch sind.
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Nicht zu hören ist das Vorbringen, das Obergericht hätte ihr einen Notgroschen von Fr. 20'000.-- statt von nur Fr. 13'000.-- zubilligen müssen. Vorliegend können einzig verfassungsmässige Rechte gerügt werden (vgl. E. 1) und aus Art. 29 Abs. 3 BV - der im Übrigen ohnehin nicht als verletzt angerufen wird, so dass es bereits an einer Verfassungsrüge fehlt - lässt sich kein Anspruch auf einen Notgroschen (und umso weniger ein Anspruch auf einen höheren als den zugestandenen Notgroschen) ableiten (Urteil 5A_612/2010 vom 26. Oktober 2010 E. 2.4).
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4. Das für das Rechtsmittelverfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hat das Obergericht wegen Aussichtslosigkeit der beiden Beschwerdepunkte abgewiesen. Es hat erwogen, die Beschwerdeführerin habe im Zusammenhang mit der erstinstanzlichen Verweigerung einer Kindesvertretung keinen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil dargetan, obwohl sie für den Nachweis dieser Prozessvoraussetzung beweisbelastet sei. Sodann habe sie es im Zusammenhang mit der erstinstanzlichen Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege unterlassen, den behaupteten Vermögensverbrauch substanziiert darzulegen und mit den entsprechenden Unterlagen zu belegen.
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Im Zusammenhang mit der Einsetzung einer Kindesvertretung ruft die Beschwerdeführerin keine Verfassungsverletzung an, weshalb die Beschwerde bereits daran scheitert (vgl. E. 1). Im Übrigen würde das appellatorische Vorbringen, ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil im Fall der Nichteinsetzung einer Kindesvertretung sei in der Lehre unbestritten, auch inhaltlich nicht zur Begründung einer Verfassungsrüge ausreichen. Die Beschwerdeführerin müsste vielmehr aufzeigen, inwiefern sie bereits vor Obergericht eine taugliche Begründung vorgebracht, das Obergericht diese aber in Verletzung eines verfassungsmässigen Rechtes nicht berücksichtigt hätte.
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In Bezug auf die Aussichtslosigkeit betreffend die erstinstanzlich verweigerte unentgeltliche Rechtspflege ruft die Beschwerdeführerin nicht nur kein verfassungsmässiges Recht als verletzt an, sondern macht sie gar nicht erst irgendwelche Ausführungen.
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5. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Im Übrigen muss sie, wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das betreffende Gesuch für das bundesgerichtliche Verfahren abzuweisen ist. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. Juli 2016
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: von Werdt
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Der Gerichtsschreiber: Möckli
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