BGer 9C_264/2016 |
BGer 9C_264/2016 vom 07.07.2016 |
{T 0/2}
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9C_264/2016
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Urteil vom 7. Juli 2016 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
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Gerichtsschreiberin Huber.
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Verfahrensbeteiligte |
Beschwerdeführer,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
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Beschwerdegegnerin,
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. März 2016.
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Sachverhalt: |
A. A.________, geboren 1973, verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Heizungsmonteur und eine Fachausbildung in Trocknungstechnik. Seit 1. Mai 2010 war er als Trocknungstechniker im Aussendienst bei der B.________ AG in einem Pensum von 100 % und ab 1. April 2012 im Umfang von 50 % angestellt. Am 3. April 2012 meldete er sich zur Früherfassung und am 15. Juni 2012 unter Hinweis auf eine am 26. September 2011 durchgemachte Herzoperation zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau klärte die medizinischen und beruflich-erwerblichen Verhältnisse ab. Mit Verfügung vom 28. Februar 2014 verneinte sie einen Leistungsanspruch. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 20. August 2014 teilweise gut. Es hob die Verfügung vom 28. Februar 2014 auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurück. Diese veranlasste eine polydisziplinäre Begutachtung im BEGAZ Begutachtungszentrum BL, Binningen (Expertise vom 27. Mai 2015). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 22. Oktober 2015, es bestehe bei einem Invaliditätsgrad von 35 % kein Anspruch auf eine Rente.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________, mit welcher er unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung eine halbe Invalidenrente ab 1. Oktober 2012 beantragte, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 9. März 2016 ab.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, unter Aufhebung der Verfügung vom 22. Oktober 2015 sei ihm mit Wirkung ab 1. Oktober 2012 eine Viertelsrente auszurichten, basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 %.
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Erwägungen: |
1. Der Antrag des Beschwerdeführers lautet auf Aufhebung der Verfügung vom 22. Oktober 2015. Damit wird sinngemäss auch um Aufhebung des Entscheides des Versicherungsgerichts Aargau vom 9. März 2016 ersucht, welcher die Verfügung der IV-Stelle schützte (MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 7 zu Art. 107 BGG mit Hinweisen).
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2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von diesen tatsächlichen Feststellungen kann es nur abweichen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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3. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 IVG), zur Abstufung des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG) und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28a Abs. 1 IVG; Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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4. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn zu gewähren ist.
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4.1. Ob und in welcher Höhe statistische Tabellenlöhne herabzusetzen sind, hängt von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des Einzelfalles ab, die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Relevante Merkmale sind leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Die Frage, ob ein Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen sei oder nicht, stellt eine vom Bundesgericht frei zu prüfende Rechtsfrage dar (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
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4.2. Die Vorinstanz erwog, zur Beurteilung des Gesundheitszustandes und dessen Auswirkungen in erwerblicher Hinsicht sei auf das von der IV-Stelle beim BEGAZ in Auftrag gegebene Gutachten (Expertise vom 27. Mai 2015) abzustellen. Demgemäss leidet der Beschwerdeführer an einer valvulären und koronaren Herzkrankheit. Er ist für schwere körperliche Arbeiten seit der Herzoperation im September 2011 100 % eingeschränkt und für mittelschwere Tätigkeiten seit März 2012 zu 35 % arbeitsfähig. Die Ärzte hielten fest, die aktuelle Anstellung des Beschwerdeführers sei in einem Pensum von 50 % als ideal anzusehen. Leichte körperliche Arbeiten könne der Versicherte vollumfänglich ausüben mit der Einschränkung, dass er nicht mehr als 3 kg Gewicht tragen oder heben und nicht mehr als 500 m laufen müsse. Aufgrund des implantierten Defibrillators (ICD) und der lebenslangen Dauer-Antikoagulation dürfe er nicht an Arbeitsplätzen mit starken Magnetfeldern tätig sein und keine Tätigkeiten mit Verletzungsgefahr ausüben. Vor diesem Hintergrund verzichtete das kantonale Gericht auf einen Abzug vom Tabellenlohn. Dass dem Beschwerdeführer nurmehr leichte körperliche Arbeiten zumutbar seien, rechtfertige keinen Abzug, zumal seine Einschränkungen bereits im Rahmen des Leistungsprofils sowie bei der Einteilung in das Kompetenzniveau 1 berücksichtigt worden seien.
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4.3. Der Beschwerdeführer hält dagegen, ihm seien lediglich leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar, wobei er bei der Ausführung der ihm noch möglichen Arbeiten zahlreichen weiteren körperlich bedingten Arbeitseinschränkungen unterliege. Dies bringe einen qualitativen individuellen Nachteil mit sich, welcher darin bestehe, dass er auf dem Arbeitsmarkt in Konkurrenz mit einem Mitbewerber ohne physische Einschränkungen klarerweise benachteiligt sei. Es sei davon auszugehen, dass er nur einen neuen Arbeitgeber finde, der ihn zu einem tieferen Lohn anstellen würde. Die Vorinstanz habe daher bundesrechtswidrig keinen leidensbedingten Abzug gewährt.
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5.
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5.1. Zur Diskussion steht beim 1973 geborenen Versicherten, der über eine abgeschlossene Berufslehre, eine zusätzliche Fachausbildung sowie langjährige Arbeitserfahrung verfügt, von vornherein nur die Frage nach einem behinderungsbedingten Abzug (vgl. E. 4.1 hievor).
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5.2.
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5.2.1. Ein Abzug vom Tabellenlohn ist nicht automatisch angezeigt, wenn aus gesundheitlichen Gründen keine schwere körperliche Arbeit mehr verrichtet werden kann. Sind nurmehr leichte körperliche Tätigkeiten zumutbar, bildet dies vielmehr - grundsätzlich - keinen Anlass für einen zusätzlichen leidensbedingten Abzug (Urteil 9C_386/2012 vom 18. September 2012 E. 5.2 mit Hinweis). Es steht ausser Frage, dass der Beschwerdeführer auf dem in Frage kommenden Arbeitsmarktsegment (Kompetenzniveau 1; einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art) gesundheitlich bedingt nicht mehr sämtliche Arbeiten ausführen kann. So entfallen Aufgaben, die Gehstrecken von mehr als 500 Metern sowie das Heben oder Tragen von mehr als 3 kg Gewicht erfordern und Arbeitsplätze, die starken Magnetfeldern ausgesetzt sind. Ebenfalls hat der Versicherte aufgrund der lebenslangen Dauer-Antikoagulation Aufgaben mit Verletzungsgefahren zu vermeiden. Diese Einschränkungen bestimmen das Spektrum der erwerblichen Tätigkeiten, welche realistischerweise noch in Frage kommen (Urteil 9C_708/2009 vom 19. November 2009 E. 2.3.1, in: SVR 2010 IV Nr. 28 S. 87 E. 2.3.1 mit Hinweis). Insbesondere mit Blick auf die vom Beschwerdeführer abgeschlossene Berufslehre, seine zusätzliche Fachausbildung sowie die langjährige Arbeitserfahrung ist der Vorinstanz beizupflichten, dass ihm trotz seiner Einschränkungen noch viele Tätigkeiten offen stehen (Urteile 9C_366/2015 vom 22. September 2015 E. 4.3.1 in: SZS 2015 S. 561 und 8C_693/2014 vom 22. Januar 2015 E. 4.2.1 in: SVR 2015 IV Nr. 22 S. 65, E. 4.2.1, je mit weiteren Hinweisen).
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5.2.2. Ist von einem genügend breiten Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten auszugehen, können unter dem Titel leidensbedingter Abzug grundsätzlich nur Umstände berücksichtigt werden, die auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) als ausserordentlich zu bezeichnen sind (bereits zitiertes Urteil 9C_366/2015 E. 4.3.1 mit Hinweisen). Hierfür können die körperlich bedingten Einschränkungen (vgl. E. 4.2 hievor) nicht zur Begründung herangezogen werden. Stellen, welche die im Gutachten vom 27. Mai 2015 genannten Voraussetzungen an einen Arbeitsplatz nicht erfüllen, fallen vorweg ausser Betracht, ohne dass gesagt werden könnte, das in Frage kommende Arbeitsmarktsegment werde dadurch entscheidend verkleinert (vgl. E. 5.2.1 hievor und bereits zitiertes Urteil 9C_708/2009 E. 2.3.2). Die körperlichen Limitierungen, welche bereits beim Anforderungs- und Belastungsprofil berücksichtigt worden sind, dürfen nicht nochmals - als abzugsrelevant - herangezogen werden (Urteil 8C_678/2015 vom 9. Juni 2016 E. 5.6 mit Hinweis auf das bereits zitierte Urteil 9C_366/2015 E. 4.3.1).
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5.2.3. Es bestehen somit keine direkt mit der Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung in Zusammenhang stehende lohnwirksame Umstände, welche einen behinderungsbedingten Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen. Die Beschwerde ist unbegründet.
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6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, der BVG-Sammelstiftung Swiss Life, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 7. Juli 2016
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Glanzmann
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Die Gerichtsschreiberin: Huber
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