Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
9C_368/2016
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Urteil vom 15. September 2016
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann,
Beschwerdeführer,
gegen
AXA Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 18. April 2016.
Sachverhalt:
A.
A.________, deutscher Staatsangehöriger, geboren 1978, stürzte am 26. November 2001 bei seiner damaligen Arbeitstätigkeit als Saisonnier aus vier Metern Höhe von einem Dach und zog sich dabei insbesondere Handverletzungen zu. Seit 1. November 2002 bezog er eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Zwischen Juni 2003 und August 2005 absolvierte er eine Umschulung zum Mediengestalter für Digital- und Printmedien in Deutschland. Die damalige Winterthur-Columna (nunmehr: Axa Winterthur), Winterthur, bei welcher A.________ berufsvorsorgeversichert war, richtete ebenfalls eine Invalidenrente aus.
Mit der Begründung, A.________ sei in einer angepassten Tätigkeit nicht mehr eingeschränkt, erliess die Invalidenversicherungs-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA), Genf, am 2. Juli 2008 einen Vorbescheid, wonach eine Aufhebung der Rente beabsichtigt werde. Dagegen erhob A.________ Einwände. Mit einem weiteren Vorbescheid vom 4. August 2009 stellte die IVSTA eine Dreiviertelsrente in Aussicht und verfügte am 9. November 2009 entsprechend. Im Rahmen eines Revisionsverfahrens gab A.________ am 2. Juli 2013 an, als Selbständigerwerbender seit etwa 2010 monatlich durchschnittlich 1'617.- Euro zu verdienen. Daraufhin stellte die IVSTA mit Verfügung vom 6. August 2013 die Zahlung der Invalidenrente ab 1. August 2013 wegen Verdachts auf unrechtmässigen Leistungsbezug (nicht gemeldete regelmässige Erwerbstätigkeit in Deutschland) vorläufig ein. Nach weiteren Abklärungen erliess die IVSTA am 9. Januar 2014 einen Vorbescheid, wonach bei einer Erwerbseinbusse von maximal 39 % zufolge verletzter Meldepflicht rückwirkend ab 1. Januar 2010 kein Anspruch auf eine IV-Rente mehr bestehe. A.________ erhob dagegen Einwände. Am 5. August 2014 verfügte die IVSTA entsprechend dem Vorbescheid und erliess am 6. August 2014 eine Rückerstattungsverfügung in Höhe von Fr. 23'190.-. Auf ein Wiedererwägungsgesuch trat die IVSTA nicht ein.
Am 28. Oktober 2014 teilte die Axa Winterthur A.________ mit, sie stelle, gestützt auf die Verfügung der IVSTA vom 5. August 2014, ihre Rente ebenfalls ein und forderte die ab 1. Januar 2010 erbrachten Leistungen in Höhe von Fr. 58'201.75 zurück.
B.
Die gegen A.________ in der Folge erhobene Klage der Axa Winterthur hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 18. April 2016 teilweise gut. Es verpflichtete A.________, der Axa Winterthur Fr. 52'075.15, zuzüglich Zins, zurückzuerstatten. Im Übrigen wies es die Klage ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die vollumfängliche Abweisung der Klage. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung.
Mit Verfügung vom 29. Juni 2016 weist das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Verfahrens ab.
In einer weiteren Eingabe vom 22. August 2016 lässt der Beschwerdeführer seinen Standpunkt zusätzlich erläutern.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Auf Ergänzungen der Beschwerdeschrift kann nur eingetreten werden, wenn sie innert der Beschwerdefrist erfolgen, was für die Eingabe vom 22. August 2016 nicht zutrifft.
3.
Unbestritten bezog der Beschwerdeführer zwischen November 2003 und September 2014 von der Beschwerdegegnerin eine Invalidenrente, die auf dem von der IVSTA verfügten Invaliditätsgrad basierte. Ebenfalls ist nicht streitig, dass der Beschwerdeführer sein ab Januar 2010 erzieltes, erheblich über dem bisherigen Lohn liegendes Erwerbseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht gemeldet und die IVSTA am 5. August 2014 zufolge Meldepflichtverletzung zu Recht eine rückwirkende Rentenaufhebung sowie am 6. August 2014 die Rückerstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen verfügt hatte. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob das kantonale Gericht den Rückforderungsanspruch der Beschwerdegegnerin zu Recht bejaht hat.
4.
4.1. Nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten (Art. 35a Abs. 1 Satz 1 BVG). Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Vorsorgeeinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit Ablauf von fünf Jahren seit der Auszahlung der Leistung (Art. 35a Abs. 2 Satz 1 BVG).
Die Vorinstanz erwog, nachdem die Beschwerdegegnerin - mangels fristauslösendem Charakter der Verfügungen der IVSTA vom 10. November 2009 (Zusprechung einer Dreiviertelsrente) und 6. August 2013 (vorläufige Renteneinstellung) wie auch des Vorbescheids vom 9. Januar 2014 - erst am 5. August 2014 hinreichende Kenntnis über Bestand und Umfang der Rückforderung erhalten habe, sei die relative einjährige Verjährungsfrist (Art. 35a Abs. 2 BVG) mit der vorinstanzlichen Klageerhebung vom 15. Juni 2015 gewahrt worden. Für ein schutzwürdiges Vertrauen, das Invalideneinkommen werde weiterhin dem effektiven Einkommen gleichgesetzt, bestehe kein Grund und ein angeblich fehlender Kausalzusammenhang zwischen Meldepflichtverletzung und Schaden biete keinen Anlass zur Reduktion des Rückforderungssubstrates.
4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die ursprüngliche Verfügung der IVSTA vom 10. November 2009 sei mit Bezug auf das Invalideneinkommen offensichtlich unrichtig gewesen, was für die Beschwerdegegnerin spätestens im Nachgang zum "alarmierende Anhaltspunkte" auf einen unrechtmässigen Rentenbezug enthaltenden Vorbescheid vom 9. Januar 2014 zumutbarerweise erkennbar gewesen wäre. Für solche Fälle habe sich die Beschwerdegegnerin reglementarisch eine Überprüfung und Anpassung des Leistungsanspruchs vorbehalten. Sie hätte daher in Nachachtung ihrer Sorgfaltspflicht zwingend unverzüglich das Dossier bei der IVSTA einverlangen und die Sach- und Rechtslage abklären müssen, zumal die von der IVSTA damals bereits getätigten Abklärungen ohne Weiteres den definitiven Rückforderungsanspruch hätten erkennen lassen. Eine derartige Untätigkeit der Beschwerdegegnerin sei rechtsmissbräuchlich oder mindestens "grobfahrlässig". Bei Klageeinreichung am 15. Juni 2015 sei der Rückforderungsanspruch daher bereits verjährt gewesen. Zu Unrecht habe die Vorinstanz ein schutzwürdiges Vertrauen in den Weiterbestand der Invaliditätsermittlung aufgrund des effektiven Einkommens verneint. Weil die Meldepflichtverletzung für die nachmalige Rentenberechnung keine Rolle gespielt habe, sei der Rückforderungsanspruch ohnehin unbegründet, vielmehr habe die Aufhebung wiedererwägungsweise und damit "ex nunc und pro futuro" zu erfolgen.
5.
5.1. Die Vorsorgeeinrichtung hat rechtsgenügliche Kenntnis vom Rückforderungsanspruch, wenn sie bei Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung erfüllt sind. Dies ist der Fall, sobald sie sich hätte Rechenschaft geben müssen über Grundsatz, Ausmass und Adressat des Rückforderungsanspruchs, was - unter anderem - voraussetzt, dass über die Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs rechtmässig verfügt (bzw. im Beschwerdefall gerichtlich befunden) wurde (BGE 140 V 521 E. 2.1 S. 525, 139 V 6 E. 4.1 S. 8 mit Hinweisen; Urteil 8C_630/2015 vom 17. März 2016 E. 4.2.1). Besteht weiterer Abklärungsbedarf, wie dies insbesondere bei einer vorsorglichen Leistungseinstellung der Fall ist, fällt eine hinreichende Kenntnis ebenso ausser Betracht wie bei einer vorbescheidweise in Aussicht gestellten Rentenaufhebung oder -herabsetzung. In beiden Fällen kann das Abklärungsergebnis, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu das zur Publikation bestimmte Urteil 8C_86/2016 vom 6. Juli 2016 E. 5.2.1), wesensinhärent noch nicht definitiv feststehen, sondern es befindet sich in der Schwebe (vgl. Urteile 8C_166/2015 vom 5. Juni 2015 E. 4 1 und 8C_642/2014 vom 23. März 2015 E. 3.3).
5.2. Die - grundsätzlich abklärungsbefreite (BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69, 132 V 1 E. 3.2 S. 4) - Beschwerdegegnerin war weder verpflichtet, bereits im Zuge der provisorischen Leistungseinstellung der IVSTA vom 6. August 2013 (die ihr ohnehin nicht zugestellt worden war), noch im Nachgang zu deren Vorbescheid vom 9. Januar 2014 eigene Vorkehrungen zu treffen und ihre Leistungspflicht zu prüfen. Vielmehr durfte sie den Erlass der Verfügung im IV-Verfahren abwarten. Erst diese gab definitiv Kenntnis über Grundsatz und Ausmass des Rückforderungsanspruchs. Nichts anderes ergibt sich aus Ziff. 24.1 des Vorsorgereglements (in der am 24. März 2001 in Kraft getretenen Fassung). Darin wird lediglich bestimmt, dass "Änderungen des Invaliditätsgrades [...] eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung des Leistungsanspruches nach sich" ziehen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Einwände des Beschwerdegegners - der sich gegen eine Kürzung oder Einstellung der Rente wandte, weil nicht von realitätsfremden, über dem tatsächlich erzielten Bruttoeinkommen von Euro 1'440.- liegenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden dürfe - bestand bei Erlass des Vorbescheids weder über den Rückforderungsanspruch als solchen, noch über den konkreten Betrag definitive Kenntnis. Eine (allfällige) offensichtliche Unrichtigkeit der Verfügung vom 9. November 2009 konnte nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz für den Verjährungsbeginn der Rückforderung wegen einer ab 1. Januar 2010 begangenen Meldepflichtverletzung zum vornherein nicht entscheiderheblich sein. Da hinreichende Klarheit über die Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs erst nach Eintritt der Rechtskraft der definitiven Rentenaufhebung (Verfügung vom 5. August 2014) bestand, hat das kantonale Gericht zu Recht die Verjährung des Rückforderungsanspruchs bei Klageerhebung am 15. Juni 2015 verneint.
Auch die weiteren Einwände sind unbegründet. Aus einer fehlerhaften ursprünglichen Invaliditätsermittlung kann der Beschwerdeführer unter keinem Titel etwas für sich ableiten. Insbesondere besteht für ein schützenswertes Vertrauen, die IV-Stelle werde weiterhin - zu Unrecht - auf den effektiv erzielten Lohn abstellen, keine Veranlassung. Es kann hiefür auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden. Überdies hatte die IVSTA ohnehin lediglich in einer (internen) Anmerkung zur Invaliditätsbemessung vom 20. Juni 2014 den reellen Einkommensverlust (45,99 %) errechnet und gleichzeitig festgestellt, massgebend sei der früher ermittelte IV-Grad von 12,35 %. Schliesslich ist angesichts der unbestrittenen Meldepflichtverletzung die rückwirkende Rentenaufhebung nicht zu beanstanden (vgl. Urteil 9C_771/2014 vom 19. Mai 2015, in: SVR 2016 BVG Nr. 22 S. 94). Dass das Invalideneinkommen revisionsweise nicht dem effektiven Lohn gleichgesetzt wurde, sondern (korrekt) auf einem zumutbarerweise erzielbaren Verdienst basierte, ändert nichts.
6.
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt, mithin von vornherein kein Raum für eine Überprüfung des Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege verbleibt (vgl. Urteil 5A_430/2010 vom 13. August 2010 E. 2.4 mit Hinweisen).
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 15. September 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Glanzmann
Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle