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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
1C_224/2016
Urteil vom 22. September 2016
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdefüher,
vertreten durch Rechtsanwalt Sandro Imhof,
gegen
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt
des Kantons Bern,
Schermenweg 5, Postfach, 3001 Bern.
Gegenstand
Vorsorglicher Entzug des Führerausweises
auf Probe für Motorfahrzeuge,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 11. April 2016 des Präsidenten der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern.
Sachverhalt:
A.
Am 1. Januar 2016, um ca. 7 Uhr, war eine Polizeipatrouille der Berner Kantonspolizei in einem zivilen Dienstwagen auf der 1. Überholspur der dreispurigen Autobahn A1-Ost von der Verzweigung Wankdorf in Richtung Verzweigung Schönbühl unterwegs, als sie bei dichtem Nebel von einem "VW Polo" mit überhöhter Geschwindigkeit auf der 2. Überholspur überholt wurde. Sie folgte dem Fahrzeug, führte eine Geschwindigkeitsmessung durch und stellte es nach der Ausfahrt Schönbühl. Die Auswertung der Messung und der dem Lenker, A.________, entnommenen Blutproben ergaben, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 46 km/h überschritten und das Fahrzeug unter dem Einfluss von Alkohol (1,2 Promille) und Kokain gelenkt hatte. Die Polizei nahm A.________ den Führerausweis ab.
Am 29. Februar 2016 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern A.________ den Führerausweis bis zur Abklärung seiner Fahreignung vorsorglich. Es ordnete eine Eignungsuntersuchung durch das Institut für forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Langenthal an und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Auf Beschwerde von A.________ hin bestätigte der Präsident der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern am 11. April 2016 den vorsorglichen Führerausweisentzug und die Anordnung einer verkehrsmedizinischen und einer verkehrspsychologischen Fahreignungsabklärung.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, diesen Entscheid des Rekurskommissionspräsidenten aufzuheben.
C.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt beantragt sinngemäss, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag stellten die Rekurskommission und das Bundesamt für Strassen (ASTRA).
A.________ hält an der Beschwerde fest.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Die kantonalen Instanzen haben dem Beschwerdeführer den Ausweis vorsorglich entzogen und die Abklärung seiner Fahreignung angeordnet. Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren nicht ab; er stellt daher einen Zwischenentscheid dar, der nach der Rechtsprechung anfechtbar ist, da er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirkt. Beim vorsorglichen Führerausweisentzug handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme nach Art. 98 BGG (Urteile 1C_328/2013 vom 18. September 2013 E. 1.2; 1C_233/2007 vom 14. Februar 2008 E. 1.2; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer kann somit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen (Urteil 1C_264/2014 vom 19. Februar 2015 E. 2).
2.
2.1. Führerausweise werden entzogen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG), u.a. wenn die Person an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst oder sie auf Grund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie künftig beim Führen eines Motorfahrzeugs die Vorschriften beachten und auf Mitmenschen Rücksicht nehmen wird (Art. 16d Abs. 1 lit. b und c SVG). Wecken konkrete Anhaltspunkte ernsthafte Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen, ist eine verkehrsmedizinische Untersuchung durch einen Arzt und/oder eine psychologische Abklärung durch einen Verkehrspsychologen anzuordnen (Art. 15d Abs. 1 SVG, Art. 28a Abs. 1 VZV). Wird eine verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet, so ist der Führerausweis nach Art. 30 VZV im Prinzip vorsorglich zu entziehen (BGE 125 II 396 E. 3 S. 401; Urteile des Bundesgerichts 1C_356/2011 vom 17. Januar 2012 E. 2.2; 1C_420/2007 vom 18. März 2008 E. 3.2 und 6A.17/2006 vom 12. April 2006 E. 3.2; vgl. auch 1C_256/2011 vom 22. September 2011 E. 2.5). Diesfalls steht die Fahreignung des Betroffenen ernsthaft in Frage, weshalb es unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit grundsätzlich nicht zu verantworten ist, ihm den Führerausweis bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses zu belassen.
2.2. Der Beschwerdeführer (Jg. 1992) erwarb am 13. August 2010 den Führerausweis auf Probe. Am 29. September 2010 beging er eine Geschwindigkeitsüberschreitung (leichte Widerhandlung) und am 2. Oktober 2010 verursachte er in angetrunkenem Zustand (0,75 Promille) einen Unfall, worauf ihm der Führerausweis am 20. Januar 2011 für einen Monat entzogen und die Probezeit um 1 Jahr verlängert wurde. Am 23. Januar 2011 führte er erneut ein Fahrzeug in angetrunkenem Zustand (0,51 Promille), worauf ihm der Führerausweis am 10. März 2011 vorsorglich entzogen und eine Fahreignungsabklärung angeordnet wurde. Nachdem sich der Beschwerdeführer der Fahreignungsabklärung nicht unterzogen hatte, wurde ihm der Führerausweis am 17. Januar 2012 auf unbestimmte Zeit entzogen (Sicherungsentzug). Am 26. Oktober 2012 wurde dem Beschwerdeführer die Wiederzulassung als Motorfahrzeugführer verweigert, nachdem ein verkehrspsychologisches Gutachten negativ ausgefallen war. In der Folge absolvierte er eine Verkehrstherapie, worauf seine Fahreignung am 5. November 2013 gutachterlich bejaht wurde. Am 7. Januar 2014 wurde daraufhin der Führerausweis auf Probe des Beschwerdeführers rückwirkend per 12. März 2011 annulliert, und er wurde, unter dem Vorbehalt des Bestehens einer ordentlichen Führerprüfung, wieder zum motorisierten Strassenverkehr zugelassen.
Am 26. März 2014 erwarb der Beschwerdeführer erneut einen Führerausweis auf Probe mit einer Probezeit von drei Jahren. Am 1. Januar 2016 kam es dann zum Vorfall, welcher dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegt.
2.3. Der Beschwerdeführer wendet sich - zu Recht - nicht dagegen, dass ihm der Führerausweis vorsorglich entzogen und die Wiederzulassung zum motorisierten Strassenverkehr vom Vorliegen eines positiven verkehrsmedizinischen Gutachtens abhängig gemacht wurde. Er hält es dagegen für willkürlich, dass "die offensichtlich auf eine verkehrsrelevante Suchtproblematik zurückzuführende fehlende Fahreignung gleichzeitig eine charakterliche Fahreignungsprüfung nach sich ziehen soll" (Beschwerde N. 19).
2.4. Unbestritten und auch unbestreitbar ist, dass die Fahrt vom Neujahr unter Alkohol- und Drogeneinfluss vor dem Hintergrund des unter E. 2.2 dargestellten automobilistischen Leumunds Zweifel an der Fahreignung des Beschwerdeführers erweckt. Dieser leidet nach seiner eigenen Darstellung an einer verkehrsmedizinisch relevanten Kokainsucht (Beschwerde N. 14). Keineswegs fest steht dagegen, dass die Fahreignung ausschliesslich durch eine allfällige Alkohol- und/oder Drogensucht beeinträchtigt wird, was durch eine verkehrsmedizinische Untersuchung zu klären ist. Es ist nicht auszuschliessen, dass beim Beschwerdeführer auch charakterliche Mängel vorliegen, die ihn unabhängig von einer allfälligen Suchterkrankung dazu verleiten könnten, die Wirkung von Drogen und Alkohol auf seine Leistungsfähigkeit zu bagatellisieren und sich in fahrunfähigem Zustand ans Steuer zu setzen; der Beschwerdeführer bietet möglicherweise keine Gewähr dafür, den Konsum von Alkohol und Drogen und die Teilnahme am motorisierten Strassenverkehr zuverlässig zu trennen. Die Anordnung einer verkehrsmedizinischen und einer verkehrspsychologischen Untersuchung zur Abklärung beider Aspekte ist offensichtlich nicht willkürlich. Sinnvoll wäre es allenfalls, mit der letzteren zuzuwarten, bis die Fahreignung aus medizinischer Sicht bejaht werden kann. Dies wird wegen der bei Drogensucht regelmässig auferlegten Abstinenzverpflichtung frühestens in einigen Monaten der Fall sein, zu einem Zeitpunkt, in welchem eine umgehend durchgeführte verkehrspsychologische Begutachtung möglicherweise nicht mehr ausreichend aktuell wäre.
Keine Rolle spielt, ob der Beschwerdeführer mit dem Auto an die Silvesterparty fuhr und dort Drogen und Alkohol konsumierte im Bewusstsein, sich anschliessend wieder ans Steuer zu setzen, oder ob er - wie er behauptet - sich zu Fuss dorthin begab und erst später, als er wegen der Wirkung von Drogen und Alkohol nicht mehr (voll) zurechnungsfähig war, von seinen Kollegen zum Autofahren überredet wurde. So oder anders gibt der Vorfall vom Neujahr Anlass zu Zweifeln an seiner Fahrfähigkeit, die den vorsorglichen Entzug des Führerausweises rechtfertigen, bis sie unter allen Aspekten gutachterlich bestätigt oder verworfen werden. Selbstverständlich sind die genauen Umstände der umstrittenen Fahrt bzw. deren unmittelbare Vorgeschichte für den weiteren Verlauf des Administrativ-, aber insbesondere des Strafverfahrens von erheblicher Bedeutung; für die Anordnung des vorsorglichen Entzugs brauchten sie dagegen noch nicht abschliessend geklärt zu werden.
3.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, dem Präsidenten der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. September 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi