BGer 5A_606/2016
 
BGer 5A_606/2016 vom 24.11.2016
{T 0/2}
5A_606/2016
 
Urteil vom 24. November 2016
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Herrmann,
Gerichtsschreiber Levante.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte Thomas Pietruszak und Dr. René Hirsiger,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvio Riesen,
Beschwerdegegnerin,
Betreibungsamt Zürich 1.
Gegenstand
Gültigkeit eines Zahlungsbefehls,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 19. Juli 2016 (PS160131-O/U).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Mit Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Zürich 1 vom 21. Dezember 2015 setzte B.________ gegen die A.________ AG eine Forderung im Betrag von Fr. 3'000'000.-- in Betreibung (Nr. xxx). Als Forderungsgrund nannte B.________ "Unterbrechung der Verjährung/Ereignis vom 30.01.2006". Der Zahlungsbefehl wurde der A.________ AG am 6. Januar 2016 zugestellt, welche umgehend Rechtsvorschlag erhob.
A.b. Am 18. Januar 2016 gelangte die A.________ AG an das Bezirksgericht Zürich als untere kantonale Aufsichtsbehörde über Betreibungsämter und verlangte die Aufhebung des Zahlungsbefehls, da der Forderungsgrund nicht ausreichend substantiiert sei. Die Beschwerde wurde am 8. April 2016 abgewiesen. Nachdem das Obergericht als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs eine Beschwerde der A.________ AG wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gutgeheissen hatte, befasste sich das Bezirksgericht erneut mit der Sache. Es wies die Beschwerde am 28. Juni 2016 wiederum ab.
A.c. Die A.________ AG gelangte daraufhin gegen den bezirksgerichtlichen Beschluss an das Obergericht, welches ihre Beschwerde am 19. Juli 2016 abwies.
B. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 22. August 2016 ist die A.________ AG an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Urteil des Obergerichts als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurs sowie den Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Zürich 1 vom 21. Dezember 2015 aufzuheben.
Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist ein Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, die über die Gültigkeit eines Zahlungsbefehls befunden hat. Entscheide der letzten kantonalen Instanz in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG, Art. 75 Abs. 1 BGG). Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist - unter Vorbehalt zulässiger und hinlänglich begründeter Rügen - auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art. 106 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde bildet die Gültigkeit eines Zahlungsbefehls.
2.1. Der Gläubiger hat in seinem Betreibungsbegehren unter anderem die Forderungsurkunde und deren Datum, in Ermangelung einer solchen den Grund der Forderung zu nennen (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG). Die entsprechenden Angaben werden in den Zahlungsbefehl aufgenommen (Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG). Im vorliegenden Fall wurde keine Forderungsurkunde bezeichnet, womit einzig die Umschreibung des Forderungsgrundes zu prüfen ist. Da der Anhebung einer Betreibung nicht notwendigerweise eine materiellrechtliche Prüfung der Forderung vorangeht, soll die Bezeichnung des Forderungsgrundes dem Schuldner zusammen mit den anderen Angaben auf dem Zahlungsbefehl über den Anlass der Betreibung Aufschluss geben (KOFMEL EHRENZELLER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 1, 42 zu Art. 67; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite et la faillite, Bd. I, 1999, N. 77 zu Art. 67). Auf diese Weise ist der Schuldner nicht gezwungen, Rechtsvorschlag zu erheben, um erst in einem anschliessenden Rechtsöffnungsverfahren oder in einem Forderungsprozess von der gegen ihn geltend gemachten Forderung Kenntnis zu erlangen. Gegebenenfalls soll er die in Betreibung gesetzte Forderung auch ganz oder teilweise anerkennen können. Nach der Rechtsprechung genügt auch eine knappe Umschreibung des Forderungsgrundes, wenn nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der Anlass der Betreibung aus ihrem Gesamtzusammenhang erkennbar wird. Dazu ist erforderlich, dass das Datum angegeben wird, an welchem die in Betreibung gesetzte Forderungen entstanden ist. Bei Dauerschuldverhältnissen mit periodischen Zahlungspflichten bedeutet dies, dass die in Frage stehende Zeitperiode zu bezeichnen ist (BGE 141 III 173 E. 2.2.2 S. 176/177; 121 III 18 E. 2 S. 19/20; Urteil 5A_413/2011 vom 22. Juli 2011 E. 2). Hingegen ist es nicht nötig, dass die gesetzlichen Grundlagen, auf welche sich die Forderung stützt, zu erwähnen sind (Urteil 7B.182/2005 vom 1. Dezember 2005 E. 3.3, Pra 2006 Nr. 58 S. 419).
2.2. Nach Ansicht der Vorinstanz ist der Forderungsgrund mit "Unterbrechung der Verjährung/Ereignis vom 30.01.2006" auf dem Zahlungsbefehl nur allgemein umschrieben worden. Zwar sei unbestritten, dass der Anlass zur Betreibung der Überfall in einer Filiale der Bank bilde, bei dem die Beschwerdegegnerin von einem bewaffneten Räuber bedroht worden sei. Indes werde nicht klar, auf welchen Umstand sich die Beschwerdegegnerin innerhalb dieses Ereignisses berufe. Gleichwohl habe die Beschwerdeführerin aus dem Gesamtzusammenhang nach Treu und Glauben erkennen können, wofür sie betrieben werde.
2.3. Soweit die Beschwerdeführerin darlegt, dass der ihr zugestellte Zahlungsbefehl den gesetzlichen Anforderungen nicht entspreche, da der Forderungsgrund ungenügend umschrieben worden sei, folgt sie der Ansicht der Vorinstanz (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG). Allein aufgrund der knappen Angaben auf dem Zahlungsbefehl konnte sie sich tatsächlich noch keine hinreichende Klarheit darüber machen, wofür sie betrieben wird.
2.4. Es bleibt zu prüfen, ob die strittige Betreibung in einem Gesamtzusammenhang steht, der es der Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben erlaubt hatte, den Forderungsgrund nachzuvollziehen. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen stehen sich die Parteien zur Zeit in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht U.________ gegenüber. Dabei geht es um die wirtschaftlichen Folgen des Ereignisses vom 30. Januar 2006. Die Beschwerdegegnerin fordert in einer als "Teil-Genugtuungsklage" bezeichneten Eingabe den Betrag von Fr. 30'000.--. Zudem behält sie sich vor, "zu einem späteren Zeitpunkt [...] Schadenersatz sowie die gesamte Genugtuung zu fordern", wie die Vorinstanz unter Hinweis auf die Klage vom 8. April 2015 festhielt. Schliesslich fand bezüglich der Ansprüche der Beschwerdegegnerin bereits ein Schlichtungsverfahren statt.
Vor diesem zeitlichen und sachlichen Hintergrund durfte die Vorinstanz im konkreten Fall darauf schliessen, dass der Beschwerdeführerin klar sein musste, wofür sie aufgrund des Ereignisses vom 30. Januar 2006 betrieben wird. Damit ist auch nicht zu entscheiden, ob es sich bei dem in Betreibung gesetzten Betrag um eine oder mehrere Forderungen handelt, wie die Beschwerdeführerin meint. Auch die Präzisierungeiner allfälligen Schadenersatzforderung in einzelne Positionen wie z.B. Heilungskosten, Erwerbsausfall, etc. sowie deren rechtliche Grundlage war entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht erforderlich. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet.
2.5. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, es sei nicht klar, auf welche Forderungen der Zahlungsbefehl verjährungsunterbrechend wirke. Nach der Rechtsprechung tritt die Unterbrechungswirkung grundsätzlich ein, wenn der Schuldner nach dem Vertrauensprinzip zweifelsfrei erkennt oder erkennen kann, um welche Forderung es geht (Urteil 4A_576/2010 vom 7. Juni 2010 E. 3.1, nicht publ. in BGE 137 III 352). Dass in haftpflichtrechtlichen Auseinandersetzungen die allfälligen Ansprüche mit Blick auf die Unterbrechung der Verjährung pauschal und eher hoch angesetzt werden, ist sodann allgemein bekannt, denn die (materielle) Unterbrechungswirkung tritt nur im Umfang des in Betreibung gesetzten Betrages ein, und zwar auch dann, wenn der Gläubiger das Ausmass seiner Forderung noch nicht bestimmen kann (BGE 119 II 339 E. 1c). Die materiellrechtliche Beurteilung der Verjährungsunterbrechung ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb sich weitere Erörterungen dazu erübrigen.
3. Nach dem Dargelegten erweist sich das angefochtene Urteil als bundesrechtskonform. Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin ist nicht zur Vernehmlassung eingeladen worden, so dass ihr kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. November 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Levante