BGer 6B_1289/2016 |
BGer 6B_1289/2016 vom 02.12.2016 |
{T 0/2}
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6B_1289/2016, 6B_1290/2016
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Urteil vom 2. Dezember 2016 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Rüedi,
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Gerichtsschreiberin Unseld.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________ AG,
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vertreten durch Rechtsanwalt Marc Dörflinger,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Nichtanhandnahme (Hausfriedensbruch),
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Beschwerden gegen die Beschlüsse des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 10. Oktober 2016.
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Erwägungen: |
1. |
Die Beschwerdeführerin erstattete Strafanzeige gegen A.________ und B.________ wegen Hausfriedensbruch. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, nahm die Strafverfahren mit zwei separaten Verfügungen vom 21. September 2016 nicht an die Hand. Die Nichtanhandnahmeverfügungen wurden der Beschwerdeführerin am 26. September 2016 zugestellt. Dagegen erhob diese am 5. Oktober 2016 Beschwerde mit den Ersuchen, es sei ihr eine Frist bis am 4. November 2016 einzuräumen, um ihre Anträge zu stellen, ihre Beschwerde zu begründen sowie Beweisanträge einzureichen und zu stellen. Das Obergericht des Kantons Bern wies die Fristerstreckungsgesuche mit Verfügungen vom 6. Oktober 2016 ab. Die Verfügungen wurden der Beschwerdeführerin vorab per Fax noch gleichentags zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben datiert vom 6. Oktober 2016 reichte die Beschwerdeführerin in den beiden Verfahren je eine "Präzisierung der Beschwerde" ein und stellte Anträge. Das Obergericht des Kantons Bern trat darauf je mit Beschluss vom 10. Oktober 2016 nicht ein, da die Postsendungen den Poststempel vom 7. Oktober 2016 trugen und die Eingaben demnach nicht innert der 10-tägigen Beschwerdefrist erfolgten. Auf die Wiedererwägungsgesuche der Beschwerdeführerin vom 17. Oktober 2016 trat das Obergericht des Kantons Bern mangels Zuständigkeit je mit Verfügung vom 19. Oktober 2016 nicht ein.
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Die Beschwerdeführerin führt gegen die Beschlüsse vom 10. Oktober 2016 Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, auf die Beschwerde vom 6. Oktober 2016 einzutreten. Sie stellt in beiden Verfahren ein Gesuch um aufschiebende Wirkung.
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2. |
Das Bundesgericht vereinigt mehrere Verfahren, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, namentlich wenn sie sich gegen denselben Entscheid richten und wenn sie die gleichen Parteien sowie ähnliche oder gleiche Rechtsfragen betreffen (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP; BGE 133 IV 215 E. 1 S. 217; 126 V 283 E. 1 S. 285; 113 Ia 390 E. 1 S. 394). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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3. |
Die Beschwerdeführerin führt aus, die beiden Beschwerden vom 6. Oktober 2016 seien von einem Büropartner ihres Rechtsanwalts der Schweizerischen Post noch am gleichen Tag übergeben worden. Dieser habe die Beschwerden um ca. 19.45 Uhr in den normalen Briefeinwurf bei der Hauptpost in Biel geworfen, da die Schalter um diese Zeit bereits geschlossen gewesen seien und bei der Post kein Dringlichkeitsschalter mehr existiere. Die automatische Postleerung und Stempelung mit dem Datum desselben Tages daure bis längstens 19.00 Uhr. Später erfolge die Stempelung am Folgetag. Als Beweis reicht die Beschwerdeführerin ein Schreiben des betreffenden Büropartners vom 17. Oktober 2016 ein, in welchem dieser unterschriftlich bestätigt, dass er die beiden Beschwerden am 6. Oktober 2016 um ca. 19.45 Uhr in den Briefeinwurf bei der Hauptpost in Biel warf. Die Beschwerdeführerin argumentiert, der Büropartner sei Rechtsanwalt und bernischer Notar. An der Richtigkeit der unterschriftlichen Bestätigung bestehe kein Zweifel.
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4. |
Der Rechtsuchende trägt nach der Rechtsprechung die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung, die mit Gewissheit feststehen und nicht bloss überwiegend wahrscheinlich sein muss. Dem Absender obliegt somit der Nachweis, dass er seine Eingabe bis um 24 Uhr des letzten Tages der laufenden Frist der Post übergeben hat. Die Aufgabe am Postschalter und der Einwurf in den Postbriefkasten sind einander gleichgestellt. Hier wie dort wird vermutet, dass das Datum des Poststempels mit demjenigen der Übergabe an die Post übereinstimmt. Wer behauptet, er habe einen Brief schon am Vortag seiner Abstempelung in einen Postbriefkasten eingeworfen, hat das Recht, die sich aus dem Poststempel ergebende Vermutung verspäteter Postaufgabe mit allen tauglichen Beweismitteln zu widerlegen. Der Absender kann den entsprechenden Nachweis insbesondere mit dem Vermerk auf dem Briefumschlag erbringen, wonach die Postsendung vor Fristablauf in Anwesenheit von Zeugen in einen Briefkasten gelegt worden ist (BGE 142 V 389 E. 2.2 mit Hinweisen).
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5. |
Die Beschwerdeführerin reicht als Beweis für die angeblich am 6. Oktober 2016 erfolgte Postaufgabe der beiden Beschwerden einzig das Schreiben vom 17. Oktober 2016 ein. Zeugen für die rechtzeitige Postaufgabe durch den Büropartner werden nicht angerufen. Auch erfolgte entgegen der ständigen Praxis kein Vermerk auf den Briefumschlägen, wonach die Sendungen der Post am 6. Oktober 2016 übergeben wurden. Gründe, weshalb ein solcher unterblieb, macht die Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvertreter ebenfalls nicht geltend. Der Büropartner anerkennt in seinem Bestätigungsschreiben vom 17. Oktober 2016 vielmehr, dass er die beiden Postsendungen um ca. 19.45 Uhr in den Briefkasten warf, d.h. nach der letzten Leerung, welche um 19 Uhr stattgefunden haben soll (vgl. Beschwerde Beilage 9). Dieser musste sich daher bewusst sein, dass die Sendungen nicht den Poststempel vom 6. Oktober 2016 tragen werden, da sie geraume Zeit nach der letzten Leerung vom 6. Oktober 2016 in den Briefkasten gelegt wurden. Nicht für die Beschwerdeführerin spricht überdies, dass gegenüber der Vorinstanz erstmals in den Wiedererwägungsgesuchen vom 17. Oktober 2016 geltend gemacht wurde, die Postsendungen seien entgegen den Poststempeln vom 7. Oktober 2016 bereits am Vortag der Post übergeben worden. Damit fehlt es an einem Nachweis für die behauptete rechtzeitige Postaufgabe am 6. Oktober 2016.
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Daran ändert nichts, dass die schriftliche Bestätigung vom 17. Oktober 2016 von einem Rechtsanwalt und Notar stammt. Weder Rechtsanwälten noch Notaren kommt auf diesem Gebiet eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu. Vielmehr haben auch diese die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung nachzuweisen.
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Nicht ersichtlich ist, was die Beschwerdeführerin aus der eingereichten E-Mail-Korrespondenz zu ihren Gunsten ableiten will. Dass der Büropartner die Beschwerden tatsächlich noch am 6. Oktober 2016 ausdruckte, unterschrieb und zur Post brachte, ergibt sich daraus auf jeden Fall nicht.
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Die vorinstanzlichen Nichteintretensentscheide vom 10. Oktober 2016 verletzen kein Bundesrecht.
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6. |
Da die Vorbringen der Beschwerdeführerin offensichtlich unbegründet sind, d.h. der Beweis für die rechtzeitige Postaufgabe am 6. Oktober 2016 offensichtlich nicht erbracht wurde, kann offenbleiben, ob die Vorinstanz auf die Wiedererwägungsgesuche vom 17. Oktober 2016 zu Unrecht nicht eintrat.
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7. |
Die Beschwerden sind im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Die Gesuche um aufschiebende Wirkung werden mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Verfahren 6B_1289/2016 und 6B_1290/2016 werden vereinigt.
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2. Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 2. Dezember 2016
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Unseld
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