BGer 9C_355/2016
 
BGer 9C_355/2016 vom 23.12.2016
{T 0/2}
9C_355/2016
 
Urteil vom 23. Dezember 2016
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 12. April 2016.
 
Sachverhalt:
A. Der 1969 geborene, zurzeit in Chile lebende A.________ bezog für die Folgen eines Schädel-Hirntraumas, das er am 19. Juli 1995 bei einem Verkehrsunfall erlitten hatte, vom 1. Juli bis 30. November 1996 eine ganze und ab 1. Dezember 1996 eine halbe Invalidenrente. Am 15. Februar 2002 überwies die IV-Stelle des Kantons Aargau die Akten an die wegen der Ausreise des Versicherten nach Chile nunmehr zuständige IV-Stelle für Versicherte im Ausland. Mit Verfügung vom 15. November 2004 sprach diese A.________ ab 1. Januar 2004 anstelle der halben aufgrund eines Invaliditätsgrades von nach wie vor 60 % eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu, weil die gesetzlichen Bestimmungen geändert hatten. Eine Überprüfung des Rentenanspruchs ergab gemäss Schreiben vom 9. Juli 2008 keine Änderung. Eine weitere Rentenrevision wurde am 2. Oktober 2013 eingeleitet. Gestützt auf die getroffenen Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht hob die IV-Stelle die Invalidenrente auf den 31. März 2015 auf (Verfügung vom 16. Februar 2015).
B. A.________ liess Beschwerde führen mit den materiellen Anträgen, unter Aufhebung der Verfügung vom 16. Februar 2015 sei ihm weiterhin die bisherige Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei eine polydisziplinäre Abklärung zu veranlassen. Mit Entscheid vom 12. April 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der Versicherte die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern.
 
Erwägungen:
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 und 29 Abs. 4 IVG) und die Revision der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG) sowie die dabei zu vergleichenden Sachverhalte unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349, 117 V 198 E. 3b S. 199; BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
3.
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat die umfangreichen medizinischen Unterlagen einer einlässlichen Prüfung unterzogen. Es hat jedoch die Frage, ob eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation eingetreten und aus diesem Grund die Invalidenrente aufzuheben sei, zufolge einer erheblichen Änderung der Erwerbssituation offen gelassen und deshalb auch in antizipierter Beweiswürdigung auf zusätzliche medizinische Abklärungen verzichtet. Mangels Relevanz sei unter diesen Umständen auf die unterschiedlichen Angaben der Ärzte zum Grad der Arbeitsunfähigkeit nicht einzugehen. In erwerblicher Hinsicht stellte die Vorinstanz fest, laut den Abklärungsergebnissen aus dem Jahre 2011 habe der Versicherte in der Funktion als Geschäftsführer keine finanzielle Einbusse mehr erlitten. Vielmehr habe das seinen eigenen Angaben zufolge als Geschäftsführer tatsächlich erzielte Einkommen 1'000'000.00 chilenische Peso (CLP) im Monat betragen. Das hypothetische Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) habe sich auf CLP 645'430.00 belaufen. Zwischen Januar 2011 und September 2013 sei der Lohn kontinuierlich gestiegen. Diese Einkommensentwicklung sei Anlass für die Aufhebung des Rentenanspruchs ab 1. April 2015, da keine Erwerbseinbusse mehr ausgewiesen sei.
3.2. Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, die Vorinstanz hätte für den Einkommensvergleich vom ursprünglichen Valideneinkommen von Fr. 78'600.- ausgehen und dieses überdies an die Teuerung anpassen müssen. In Schweizer Franken umgerechnet verdiene er heute weniger als ihm bei der Rentenzusprechung als Invalideneinkommen angerechnet wurde. Das bei Eintritt der Invalidität festgesetzte Valideneinkommen sei im Grundsatz keinen späteren Änderungen unterworfen. Das seitens der Vorinstanz als massgebend erachtete Valideneinkommen sei viel zu tief und liege sogar unterhalb des Durchschnittslohnes in Chile.
 
4.
4.1. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass sich die Verhältnisse in gesundheitlicher Hinsicht geändert haben. Vielmehr ficht er den vorinstanzlichen Entscheid einzig mit Bezug auf den Einkommensvergleich und die Höhe der beiden vom Bundesverwaltungsgericht festgelegten hypothetischen Vergleichseinkommen an. Mangels einer entsprechenden Rüge und gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen erübrigen sich nähere Darlegungen zum Gesundheitszustand des Versicherten.
4.2. Bei der Frage, ob die Rentenrevision gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG korrekt durchgeführt worden ist, handelt es sich wie bei der Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 lit. a Abs. 1 IVG um eine Rechtsfrage. Hinsichtlich der für die Durchführung des Einkommensvergleichs massgebenden Zahlen gilt Folgendes: Beruht die Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen auf konkreter Beweiswürdigung, stellt sie sich als Tatfrage dar; richtet sich der Entscheid hingegen nach der allgemeinen Lebenserfahrung, handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Da die im angefochtenen Entscheid festgesetzten hypothetischen Vergleichseinkommen auf einer Beweiswürdigung beruhen, sind die vorinstanzlichen Feststellungen für das Bundesgericht verbindlich, soweit nicht von offensichtlicher Unrichtigkeit, d.h. willkürlicher Sachverhaltsermittlung durch das Bundesverwaltungsgericht, auszugehen ist (E. 1 hievor). Dies trifft entgegen den Vorbringen in der Beschwerde nicht zu. Wie dem angefochtenen Gerichtsentscheid entnommen werden kann, beruhte die ursprüngliche Rentenzusprechung (Invaliditätsgrad von 60 % ab 1. Mai 1999) auf einem unrichtigen Einkommensvergleich, in dem das Valideneinkommen auf Zahlen aus der Schweiz beruhte, während dem Invalideneinkommen die Einkünfte zugrunde lagen, die der Versicherte als Nutzfahrzeugverkäufer im Betrieb seines Vaters in Chile erzielte. Wenn die Vorinstanz für den Revisionszeitpunkt (Verfügung vom 16. Februar 2015) angenommen hat, dass der Versicherte, nunmehr als Geschäftsführer, im Vergleich zu einem in Chile erzielbaren hypothetischen Valideneinkommen, keine Erwerbseinbusse mehr erleide, erscheint dies nicht als willkürlich, sondern vielmehr als korrekt; werden zudem die Steuererklärungen beigezogen, ergeben sich laut vorinstanzlichem Entscheid für die Zeit von Januar 2011 bis September 2013 noch deutlich höhere Erwerbseinkommen. Die in der Beschwerde erwähnten Zahlen vermögen keine willkürliche Sachverhaltsermittlung der Vorinstanz darzutun.
4.3. Dass der Einkommensvergleich, der zur Zusprechung einer Invalidenrente geführt hat, nicht auf den massgebenden Zahlen beruht hat, ist bekannt. Der Umstand, dass das Valideneinkommen ursprünglich auf schweizerischen Löhnen basierte, das Invalideneinkommen jedoch auf chilenischen Einkommen, begründet keinen Anspruch darauf, dass bei der Rentenrevision in ebenso unzutreffender Weise verfahren wird. Vielmehr sind für beide Vergleichseinkommen chilenische Löhne in der Landeswährung heranzuziehen, wie dies die Vorinstanz getan hat. Die Behauptung des Beschwerdeführers sodann, das Valideneinkommen werde bei Eintritt der Invalidität hypothetisch festgesetzt und spätere Änderungen seien grundsätzlich nicht mehr vorzunehmen, trifft in dieser Form nicht zu. Auch im Revisionszeitpunkt wird bei erwerbstätigen Versicherten ein Einkommensvergleich durchgeführt, dem gegebenenfalls auch ein abweichendes Valideneinkommen zugrunde liegt. Berücksichtigt wird namentlich auch die (mutmassliche) berufliche Entwicklung (BGE 139 V 28 E. 3.3.3.2 S. 31; vgl. auch AHI 2002 S. 164; Urteil U 183/02 vom 26. Mai 2003).
4.4. Schliesslich hatte die Vorinstanz die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit sich das Erwerbseinkommen des Beschwerdeführers zufolge der in Chile herrschenden Inflation erhöht hat, nicht zu prüfen. Beim Einkommensvergleich resultierte ein Invalideneinkommen, welches das Valideneinkommen deutlich übertrifft, und selbst bei einer Verdoppelung des als hypothetisches Valideneinkommen eingesetzten Betrages von CLP 645'430.00 auf CLP 1'291'060.00 im Monat und Einkünften als Geschäftsführer von monatlich CLP 1'000'000.00 würde ein rentenbegründender Invaliditätsgrad von 50 % (Art. 29 Abs. 4 IVG) bei weitem nicht erreicht. Somit lässt sich der Einkommensvergleich der Vorinstanz zumindest im Sinne eines Prozentvergleichs (BGE 114 V 310 E. 3a S. 312 f. mit Hinweisen; vgl. SVR 2014 UV Nr. 1 S. 1) bestätigen. Der Versicherte erzielt als Geschäftsführer seit Februar 2015 einen Lohn, der 50 % des hypothetischen Valideneinkommens übersteigt. Damit ist die revisionsweise erfolgte Aufhebung der zuvor ausgerichteten Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zufolge Verbesserung der wirtschaftlichen Situation gerechtfertigt. Eine jährliche Einkommensverbesserung von (umgerechnet) Fr. 1'500.- im Sinne von Art. 31 IVG ist angesichts der massgebenden Vergleichseinkommen evident, sodass Art. 31 IVG, der für die Rentenrevision eine entsprechende Erhöhung des Erwerbseinkommens voraussetzt, hier entgegen den Einwendungen in der Beschwerde nicht zum Tragen kommt.
5. Der Eventualantrag auf Anordnung einer polydisziplinären Begutachtung entbehrt jeglicher Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG), sodass darauf nicht einzutreten ist.
6. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. Dezember 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Glanzmann
Der Gerichtsschreiber: Widmer