BGer 8C_139/2017 |
BGer 8C_139/2017 vom 04.05.2017 |
{T 0/2}
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8C_139/2017
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Urteil vom 4. Mai 2017 |
I. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine,
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nebenamtlicher Bundesrichter An. Brunner,
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Gerichtsschreiber Grunder.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Zogg,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich,
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Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 20. Dezember 2016.
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Die 1962 geborene A.________ meldete sich am 2. November 2009 wegen Kopfschmerzen mit migräneartigen Symptomen, Kieferschmerzen sowie wiederkehrenden Depressionen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte das neurologisch-psychiatrische Gutachten der SMAB AG, Swiss Medical Assessment- and Business-Center, Bern, vom 14. Februar 2012 ein und veranlasste eine Abklärung an Ort und Stelle im Haushalt (Bericht vom 26. April 2012). Mit Verfügung vom 23. Oktober 2012 sprach sie der Versicherten ab 1. Mai 2010 gestützt auf einen nach der gemischten Methode (Anteil Erwerbstätigkeit: 80 %; Anteil Aufgabenbereich [Haushalt]: 20 %) ermittelten Invaliditätsgrad von 84 % eine ganze Invalidenrente zu.
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A.b. Im Rahmen eines im Frühjahr 2014 von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die IV-Stelle unter anderem die auf allgemein-internistischen, psychiatrischen, rheumatologischen sowie neurologischen Explorationen beruhende Expertise der ABI, Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, vom 2. Februar 2015 ein. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob sie die Invalidenrente auf das Ende des der Zustellung der Verfügung vom 6. November 2015 folgenden Monats auf.
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. Dezember 2016 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihr die gesetzlichen Leistungen auszurichten, insbesondere sei ihr weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten.
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Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.
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Erwägungen: |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten. Die aufgrund dieser Berichte gerichtlich festgestellte Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und die konkrete Beweiswürdigung sind Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397; in BGE 135 V 254 nicht, aber in SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009] publizierte E. 4.1).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es die Revisionsvoraussetzungen gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG bejahte und die von der IV-Stelle verfügte Aufhebung der Invalidenrente bestätigte.
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2.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente (zum massgeblichen Vergleichszeitpunkt vgl. BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114), die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar. Weiter sind, auch bei an sich gleich gebliebenem Gesundheitszustand, veränderte Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich von Bedeutung; dazu gehört die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung an die Behinderung. Hingegen ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen). Liegt in diesem Sinne ein Revisionsgrund vor, ist der Rentenanspruch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") zu prüfen, wobei keine Bindung an frühere Beurteilungen besteht (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11 mit Hinweisen und E. 6.1 S. 13).
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2.2. |
2.2.1. Das kantonale Gericht hat zutreffend erkannt, dass die rentenzusprechende Verfügung vom 23. Oktober 2012 im Wesentlichen auf dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten der SMAB AG vom 14. Februar 2012 beruhte. Die medizinischen Sachverständigen diagnostizierten eine rezidivierende depressive Störung (mittelgradig depressive Episode gemäss ICD-10 F33.1), eine chronische Migräne, einen Verdacht auf zusätzlich triptaninduzierten Kopfschmerz bei möglichem Analgetika- und Triptanübergebrauch (ICD-10 F19.1) sowie einen chronischen Spannungskopfschmerz. Sie gelangten zum Schluss, dass die Versicherte sowohl im zuletzt ausgeübten Beruf im Detailhandel als auch in Verweistätigkeiten vollständig arbeitsunfähig war.
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2.2.2. Laut dem im Revisionsverfahren eingeholten polydisziplinären Gutachten der ABI vom 2. Februar 2015 litt die Versicherte an einer Migräne mit Aura gemäss ICD-10 G43.1 (wahrscheinlich chronisch [ICD-10 G43.3]; möglicher Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz [ICD-10 G44.4]), einer Panikstörung (ICD-10 F41.0), einem chronischen zervikospondylogenen bis zervikozephalen Schmerzsyndrom (ICD-10 M53.0) sowie einem intermittierenden lumbospondylogenen Schmerzsyndrom (ICD-10 M54.5). Gestützt auf die erhobenen Befunde kamen die Experten anlässlich der interdisziplinären Konsensbesprechung zum Ergebnis, die Explorandin sei in der früher ausgeübten sowie in sonstigen körperlich leicht bis selten mittelschwer wechselbelastenden Tätigkeiten vollschichtig zu 90 % arbeits- und leistungsfähig; berufliche Massnahmen seien aufgrund der eindrücklichen Krankheits- und Behinderungsüberzeugung sowie einer klaren Selbstlimitierung mit sekundärem Krankheitsgewinn nicht indiziert; es sei davon auszugehen, dass die Explorandin nicht bereit sei, sich den Belastungen der Arbeitswelt auszusetzen.
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2.3. |
2.3.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, die medizinischen Sachverständigen der ABI legten schlüssig dar, dass die früher von den Ärzten der SMAB AG diagnostizierte, im Vordergrund stehende depressive Störung nicht mehr nachweisbar sei. Daher sei eine revisionsrechtlich erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten. Im Übrigen sei das Gutachten der ABI auch hinsichtlich der neurologischen und rheumatologischen Beurteilung nicht zu beanstanden, weshalb darauf zur Einschätzung der Arbeitsfähigkeit sowohl bezüglich einer den körperlichen Beeinträchtigungen angepassten Erwerbstätigkeit (Pensum von 90 %) als auch der Führung des Haushalts (keine Einschränkung) vollumfänglich abzustellen sei.
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2.3.2. Die Beschwerdeführerin bringt zusammenfassend vor, die Experten der ABI belegten keine wesentliche Verbesserung des medizinischen Gesundheitszustandes; sie bestätigten vielmehr explizit, dass sie die Folgen des nicht veränderten Gesundheitszustandes anders beurteilten. Daher habe die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt.
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2.4. |
2.4.1. Es trifft - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - zwar zu, dass im psychiatrischen Teilgutachten der ABI ausgeführt wird, die Symptomatik habe sich seit der Untersuchung bei der SMAB AG nur wenig verändert. Indessen haben sich die medizinischen Sachverständigen anlässlich der interdisziplinären Konsensbesprechung darauf geeinigt, dass sich der Gesundheitszustand in jeglicher Hinsicht mit Sicherheit per Ende 2014 gebessert hatte (vgl. Gutachten vom 2. Februar 2015). Weiter trifft auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe, indem sie eine Verbesserung der psychiatrischen Befunde angenommen habe, eine medizinische Frage beantwortet, den entscheidenden Punkt nicht. Das kantonale Gericht gelangte aufgrund einer umfassenden Würdigung der vorhandenen Arztberichte zum Schluss, dass selbst Dr. med. B.________, FMH Psychiatrie/Psychotherapie, und Frau C.________, dipl. Psych. FH/Psychotherapeutin FSP, keine depressive Störung mehr behandelten. Vielmehr ist ihrem Bericht vom 13. Mai 2014 zu entnehmen, dass sich die Aufarbeitung der kindlichen Traumata bezüglich Angstbelastung mit depressiver Färbung entlastend auszuwirken begannen. Auch dieser Hinweis auf einen therapeutischen Erfolg lässt den Schluss auf eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes als begründet erscheinen, was schliesslich auch dadurch bestätigt wird, dass die psychotherapeutische Behandlung im Sommer 2014 beendet wurde (vgl. Gutachten der ABI vom 2. Februar 2015).
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2.4.2. Die Beschwerdeführerin verkennt mit ihren Vorbringen, dass die im Gutachten der SMAB AG gestellte psychiatrische Diagnose (rezidivierende depressive Störung [mittelgradige depressive Episode]) laut Expertise der ABI weggefallen war, weil dafür keine entsprechenden Befunde mehr erhoben werden konnten. So hielt der Sachverständige der SMAB AG ein nachlassendes Konzentrationsvermögen einer müde und erschöpft wirkenden Versicherten fest; der formale Gedankengang war depressiv gehemmt, im inhaltlichen Denken zeigte sich ein vermehrtes grüblerisches Kreisen mit Insuffizienzgefühlen, negativen Inhalten und depressiven Empfindungen; der Antrieb war deutlich reduziert, der Affekt zum depressiven Pol gedrückt, wobei die Versicherte mit Tränen kämpfte; ihre Fähigkeit, Freude zu empfinden, war deutlich vermindert. Demgegenüber ergibt sich aus den psychiatrischen Befunden gemäss Expertise der ABI ein anderes Bild: Der Gedankengang war inhaltlich unauffällig, Konzentration und Aufmerksamkeit vermochte die Explorandin während der ganzen Untersuchungsdauer aufrecht zu halten, ohne nachzulassen, ein bedrückter Affekt liess sich nicht beobachten, es fehlten Hinweise für eine vitale Traurigkeit und die Versicherte konnte einen lebhaften affektiven Rapport etablieren. Der Vergleich der zitierten Befunde belegt, dass sich der psychische Gesundheitszustand wesentlich verbessert hatte. Hinter dem Wegfall der Diagnose einer depressiven Störung steht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht (nur) eine andere psychiatrische Einschätzung, sondern vor allem eine Verbesserung der Symptomatik.
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2.4.3. Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich geltend macht, der neurologische Gutachter der ABI halte ausdrücklich fest, der Gesundheitszustand habe sich nicht verändert, kann ihr an sich gefolgt werden. Auch das kantonale Gericht hat diese Auffassung geteilt. Indessen rührt die unterschiedliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit daher, dass im Zeitpunkt der Untersuchung durch die Sachverständigen der SMAB AG die schwere Migräne von einer ins Gewicht fallenden psychischen Erkrankung begleitet war, die anlässlich der Begutachtung durch die Experten der ABI nicht mehr bestand. Letztere legten schlüssig dar, dass selbst eine schwere Migräne in der Regel keine dauernde Arbeitsunfähigkeit zu begründen vermag.
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2.5. Insgesamt ist festzuhalten, dass das kantonale Gericht mit der Feststellung, es liege eine revisionsrechtlich erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes vor, kein Bundesrecht verletzt hat. Die Auswirkungen der von den Gutachtern der ABI auf 10 % eingeschätzten Arbeitsunfähigkeit bezogen auf den Erwerbsbereich sowie auf eine vollständige Arbeitsfähigkeit bezogen auf den Aufgabenbereich (Haushalt) sind ansonsten unbestritten, sodass diesbezüglich auf den nicht zu beanstandenden vorinstanzlichen Entscheid verwiesen wird, wonach die Beschwerdeführerin nach dem 31. Dezember 2015 keinen Anspruch auf Invalidenrente mehr hatte.
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3. Die Beschwerdeführerin hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 4. Mai 2017139
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Der Gerichtsschreiber: Grunder
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