Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1B_116/2017
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Urteil vom 16. Mai 2017
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Mattle.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
gegen
Franziska Bratschi-Rindlisbacher,
c/o Obergericht des Kantons Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Februar 2017 des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer.
Sachverhalt:
Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte A.________ am 15. September 2016 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingt ausgesprochenen Geldstrafe und einer Busse. Gegen dieses Urteil erhob A.________ Berufung beim Obergericht des Kantons Bern.
Mit Verfügung vom 26. Januar 2017 entschied die Verfahrensleitung unter anderem, A.________ die amtliche Verteidigung mit Wirkung ab Eröffnung der Verfügung zu entziehen. A.________ reichte am 31. Januar 2017 ein Ausstandsgesuch gegen die verfahrensleitende Oberrichterin Franziska Bratschi-Rindlisbacher ein. Das Obergericht wies das Ausstandsgesuch mit Beschluss vom 23. Februar 2017 ab. Eine von A.________ gegen den Entzug der amtlichen Verteidigung erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 3. April 2017 ab (Urteil 1B_72/2017).
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 27. März 2017 beantragt A.________ die Aufhebung des Beschlusses des Obergerichts vom 23. Februar 2017. Das Ausstandsgesuch sei gutzuheissen und Oberrichterin Bratschi-Rindlisbacher habe im Berufungsverfahren in den Ausstand zu treten. Er beantragt weiter, die vorinstanzlichen Verfahrenskosten seien dem Kanton aufzuerlegen und ihm sei eine Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren von Fr. 1'500.-- zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin haben auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Bei dem angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG ). Das Obergericht des Kantons Bern hat als im Sinne von Art. 80 BGG letzte kantonale Instanz entschieden (vgl. Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO). Als beschuldigte Person ist der Beschwerdeführer gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
2.
Der Beschwerdeführer rügt die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz als willkürlich. Auf diese Rüge ist nicht einzutreten, da der Beschwerdeführer nicht darlegt und nicht ersichtlich ist, inwiefern der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen sollte (vgl. Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG sowie Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ).
3.
3.1. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da die geltend gemachten Ausstandsgründe bei der Abwägung nicht gesamthaft berücksichtigt worden seien.
3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich abhandelt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 134 I 83 E. 4.1 S. 88; je mit Hinweisen).
3.3. Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Entscheid. Ihm kann entnommen werden, weshalb nach Ansicht der Vorinstanz in sämtlichen vorgebrachten Gründen keine objektiven Anhaltspunkte für eine Feindschaft bzw. für ein tiefes schwerwiegendes Zerwürfnis zwischen der Gesuchsgegnerin und dem Verteidiger des Beschwerdeführers zu finden seien. Aus dem angefochtenen Entscheid gehen die Motive für die Abweisung des Gesuchs mit genügender Klarheit hervor, so dass der Beschwerdeführer in der Lage war, die vorinstanzliche Verfügung sachgerecht anzufechten. Dass die Vorinstanz seiner Argumentation nicht gefolgt ist, verletzt das rechtliche Gehör nicht.
4.
Der Beschwerdeführer rügt ausserdem eine Verletzung von Art. 56 lit. f StPO sowie Art. 6 EMRK.
4.1. Art. 56 StPO zählt verschiedene Gründe auf, die zum Ausstand von in einer Strafbehörde tätigen Personen führen. Nach Art. 56 lit. f StPO trifft dies namentlich aus anderen (als den in lit. a-e der gleichen Bestimmung genannten) Gründen zu, insbesondere wenn die in der Strafverfolgung tätige Person wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand befangen sein könnte. Art. 56 StPO konkretisiert die Verfassungsbestimmung von Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179; 140 I 326 E. 5.1 S. 328; 138 IV 142 E. 2.1 S. 144 f.; je mit Hinweisen).
4.2. Wird der Ausstandsgrund aus materiellen oder prozessualen Rechtsfehlern abgeleitet, so sind diese nur wesentlich, wenn sie besonders krass sind und wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken; andernfalls begründen sie keinen hinreichenden Anschein der Befangenheit. Eine unangebrachte Äusserung der Verfahrensleitung kann den Anschein der Befangenheit erwecken, wenn sie eine schwere Verfehlung darstellt (vgl. BGE 141 IV 178 E. 3.2.3 S. 180 mit Hinweisen; Urteil 1B_1/2017 vom 7. März 2017 E. 2.1). Die Mehrfachbefassung mit derselben Angelegenheit, nicht zuletzt im Zusammenhang mit einem prozessualen Zwischenentscheid, genügt für die Annahme der Befangenheit nicht, solange das Verfahren noch als offen erscheint. Dabei stellt sich die Frage, ob sich das Gerichtsmitglied durch seine Mitwirkung an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, die es nicht mehr als unvoreingenommen erscheinen lassen (vgl. BGE 140 I 326 E. 5.1 S. 328 f.; Urteil 1B_1/2017 vom 7. März 2017 E. 2.1).
4.3. Der Beschwerdeführer sieht einen Ausstandsgrund im prozessualen Vorgehen der Beschwerdegegnerin als Verfahrensleiterin. So habe sie ihm die amtliche Verteidigung entzogen und den Beweisantrag auf nochmalige Einvernahme verweigert und dabei jeweils den Sachverhalt situativ anders gewürdigt, um zu einem für den Beschwerdeführer jeweils nachteiligen Entscheid zu kommen. In der Verfügung über den Entzug der amtlichen Verteidigung vom 26. Januar 2017 habe die Verfahrensleiterin dem Beschwerdeführer vorgeworfen, seiner Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der Bedürftigkeit nicht nachgekommen zu sein, obwohl er hierzu nie aufgefordert worden sei. Ausserdem habe sie den Vertreter des Beschwerdeführers unnötiger persönlicher Kritik unterzogen, indem sie diesem unterstellt habe, dass seine Argumentation fehl gehe.
4.4. Im vorliegenden Verfahren ist nicht darüber zu befinden, ob die Beschwerdegegnerin das Berufungsverfahren bis zum Zeitpunkt des Ausstandsgesuchs in jedem Punkt rechtmässig geführt hat. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern sie im Verfahren besonders krasse oder wiederholte Rechtsfehler begangen haben sollte, die einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkämen. Wie das Bundesgericht im Urteil 1B_72/2017 vom 3. April 2017 entschieden hat, durfte das Obergericht für das Berufungsverfahren die amtliche Verteidigung des Beschwerdeführers widerrufen. Dass die Beschwerdegegnerin sich in diesem Zusammenhang - für den Beschwerdeführer offenbar unerwartet - auch zu seiner finanziellen Situation äusserte und ihm vorwarf, seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen zu sein, ist jedenfalls kein krasser Fehler, zumal sie die Frage der Bedürftigkeit ohnehin offen liess (vgl. Urteil 1B_72/2017 vom 3. April 2017 E. 2.5). Auch in der Abweisung der Anträge auf nochmalige Einvernahme des Beschwerdeführers sowie Durchführung eines schriftlichen Verfahrens sind jedenfalls keine besonders krassen Verfahrensfehler zu erblicken.
Wenn die Beschwerdegegnerin in der Begründung der Verfügung vom 26. Januar 2017 von einem Fehlgehen der Argumentation des Rechtsvertreters sprach, stellte dies bei objektiver Betrachtungsweise keine unsachliche persönliche Kritik und jedenfalls keine schwere Verfehlung dar, sondern brachte lediglich zum Ausdruck, dass der rechtlichen Argumentation des Beschwerdeführers bzw. seines Rechtsvertreters ihrer Ansicht nach nicht zu folgen war.
Dass die Beschwerdegegnerin sich in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hätte, die sie nicht mehr als unvoreingenommen erscheinen liessen, ist nach dem Ausgeführten nicht zu erkennen. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es seien keine objektiven Anhaltspunkte für eine Feindschaft bzw. ein schwerwiegendes Zerwürfnis zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Vertreter des Beschwerdeführers zu erkennen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht indes um unentgeltliche Rechtspflege inklusive Verbeiständung. Dem Gesuch kann nicht entsprochen werden, da das Begehren als aussichtslos bezeichnet werden muss (Art. 64 Abs. 1 BGG). Angesichts der Sozialhilfebedürftigkeit des Beschwerdeführers ist ausnahmsweise auf eine Gerichtsgebühr zu verzichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Mai 2017
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Mattle