Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_30/2017
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Urteil vom 10. Juli 2017
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Oswald.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Grimmer,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 21. November 2016.
Sachverhalt:
A.
Der 1982 geborene A.________, zuletzt vom 1. November 2011 bis zum 31. Mai 2013 bei der B.________ AG als Betriebsmitarbeiter angestellt gewesen, meldete sich am 13. Juni 2013 unter Hinweis auf eine Analfissur bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle (fortan: IV-Stelle), führte erwerbliche und medizinische Abklärungen durch. Namentlich veranlasste sie eine berufliche Abklärungsmassnahme in der Stiftung C.________ sowie eine Begutachtung durch Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, (Expertise vom 2. Oktober 2014). In der Folge forderte sie A.________ im Rahmen der Schadenminderungspflicht dazu auf, sich einer Suchtbehandlung und einer fachpsychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie mit Verfügung vom 10. März 2015 den Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung.
B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. November 2016 ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. November 2016 sei aufzuheben, und es sei ihm ab 1. November 2013 eine unbefristete ganze Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Angelegenheit zur weiteren Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz bzw. die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2. Vor Bundesgericht reicht der Beschwerdeführer zwei Austrittsberichte der E.________ AG ein, die als unzulässige Noven unberücksichtigt bleiben müssen. Beim Bericht vom 15. April 2015 handelt es sich um ein unechtes Novum, das unbeachtlich bleibt, weil der Beschwerdeführer nicht darlegt, weshalb erst der vorinstanzliche Entscheid Anlass für dessen Einreichung gegeben haben soll (Art. 99 Abs. 1 BGG; Urteil 9C_58/2015 vom 11. August 2015 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen). Demgegenüber stellt der Bericht vom 28. November 2016 ein echtes Novum dar, das zufolge des absoluten Verbots deren Einbringung im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht zum Vornherein kein Gehör findet (BGE 140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548; 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123).
2.
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) sowie zu den Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232).
3.
Das kantonale Gericht würdigte die medizinischen Akten und erwog, für die geklagten somatischen Beschwerden im Anal-, Rücken- und Nackenbereich habe trotz gastroenterologischer, neurologischer und rheumatologischer Abklärung keine organische Ursache gefunden werden können, weshalb verschiedene behandelnde Ärzte eine psychologische resp. psychiatrische Unterstützung empfohlen bzw. auf die schwierige soziale Situation des Beschwerdeführers als mögliche Teilursache verwiesen hätten. Vor diesem Hintergrund erachtete es - in antizipierter Beweiswürdigung - weitere Abklärungen in somatischer Hinsicht, insbesondere die vom Beschwerdeführer beantragte polydisziplinäre Begutachtung, nicht als zielführend. In psychiatrischer Hinsicht liege mit dem Gutachten des Dr. med. D.________ vom 2. Oktober 2014 eine beweiskräftige Entscheidgrundlage vor. Der Gutachter habe als Diagnose mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine leichte depressive Episode mit somatischen Symptomen und als Diagnosen ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine Akzentuierung passiv-aggressiver Persönlichkeitszüge, Cannabisabhängigkeit, Nikotinabhängigkeit sowie iatrogenen Morphin-Gebrauch aufgeführt. Was indes die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit betrifft - der Experte hatte dem Beschwerdeführer eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert - wich die Vorinstanz vom Gutachten ab, da rechtsprechungsgemäss einer leichten depressiven Episode mit somatischen Symptomen grundsätzlich keine invalidisierende Wirkung zukomme. Daran vermöge auch die vom Dr. med. D.________ als zusätzliche Einschränkung berücksichtigte Akzentuierung der Persönlichkeitszüge nichts zu ändern, da es sich hierbei um eine "Z-Kodierung" handle, welche nicht unter den Begriff des rechtserheblichen Gesundheitsschadens falle.
4.
4.1. Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst, die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ, wegen der er Anfang 2015 bei der E.________ AG in stationärer Behandlung war, sei von der Vorinstanz zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, womit sich deren Sachverhaltsfeststellung als aktenwidrig und damit willkürlich erweise. Damit rügt er im Wesentlichen eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 bzw. 61 lit. c ATSG).
Dem kann nicht gefolgt werden. Dr. med D.________ hat die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung einlässlich diskutiert und eine solche klar verneint. Zur Begründung legte er insbesondere dar,es fänden sich weder in der frühen Kindheit des Beschwerdeführers Hinweise auf die Bildung einer Persönlichkeitsstörung, noch seien im weiteren Verlauf von Kindheit und Pubertät psychische Probleme mit Krankheitswert erkennbar geworden, abgesehen von der Cannabis- und Nikotinabhängigkeit. Als Erwachsener sei er militärtauglich gewesen und habe einige Wiederholungskurse absolviert, was ebenfalls gegen psychische Probleme mit Krankheitswert spreche, genauso wie die Tatsache, dass er bis 2009 den sozialen Anforderungen ohne Probleme gewachsen gewesen sei. Bei fehlenden Hinweisen auf anhaltende Störungen der Impuls- oder Affektkontrolle, anhaltend auffällige Verhaltensmuster bzw. Störungen der sozialen Fertigkeiten könnten gemäss dem Experten prämorbide psychische Probleme mit Krankheitswert (ausserhalb der Suchtproblematik) auch im Erwachsenenalter klar ausgeschlossen werden. Die ausführliche Begründung des psychiatrischen Gutachters überzeugt. Im Übrigen hat auch der behandelnde Psychiater Dr. med. F.________ keine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Von einer solchen gingen einzig die Ärzte der E.________ AG im Austrittsbericht vom 8. April 2015 aus. Deren Bericht benennt indes keine neuen Aspekte, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind und die Anlass zu weiteren Abklärungen gegeben hätten (vgl. z.B. Urteil 9C_276/2016 vom 19. August 2016 E. 3.1.1 mit Hinweisen). Folglich durfte das kantonale Gericht auf das psychiatrische Gutachten des Dr. med. D.________ abstellen und, ohne den Untersuchungsgrundsatz zu verletzen, in antizipierter Beweiswürdigung auf weitere medizinische Abklärungen verzichten.
4.2. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer sinngemäss, die Vorinstanz sei zu Unrecht von der Einschätzung des Dr. med. D.________ abgewichen, welcher dem Beschwerdeführer eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % seit September 2013 attestiert habe.
Auch dieser Einwand dringt nicht durch. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, wird bei leichten bis mittelschweren Störungen aus dem depressiven Formenkreis, seien sie im Auftreten rezidivierend oder episodisch, praxisgemäss angenommen, dass - aufgrund der nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung regelmässig guten Therapierbarkeit - hieraus keine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit resultiert. Den hier interessierenden leichten bis mittelschweren depressiven Erkrankungen fehlt es, solange sie therapeutisch angehbar sind, an einem hinreichenden Schweregrad der Störung, um als invalidisierend zu gelten. Nur in der seltenen Konstellation mit Therapieresistenz ist den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (Urteil 8C_753/2016 vom 15. Mai 2017 E. 4.3 mit weiteren Hinweisen).
Ob eine solche Therapieresistenz vorliegt, ist eine Tatfrage. Im konkreten Fall gelangte die Vorinstanz in Würdigung der ärztlichen Berichte zur Überzeugung, dass die diagnostizierte depressive Störung therapierbar sei. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was das vorinstanzliche Beweisergebnis, das auf einer konkreten Beweiswürdigung beruht, als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Tatsächlich sind keine Hinweise auf eine Therapieresistenz ersichtlich. Im Gegenteil: Der Gutachter Dr. med. D.________ hielt fest, dass eine erste depressive Episode vollständig und die im Gutachtenszeitpunkt aktuelle Episode teilweise remittiert sei. Der psychische Zustand des Beschwerdeführers sei noch instabil, habe aber durch die Behandlung (integrierte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung im wöchentlichen Setting und Medikation mit einem Antidepressivum) verbessert werden können. Objektiv sei mit einer weiteren Verbesserung und Stabilisierung zu rechnen, wobei zur Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit eine konsequente Weiterführung der ambulanten Behandlung notwendig sei und allenfalls die gegenwärtige medikamentöse Behandlung mit einem niedrig dosierten Neuroleptikum ergänzt werden könnte. Abweichende fachärztliche Aussagen, aufgrund derer die gutachterlichen Feststellungen entkräftet werden könnten (vgl. Urteil 9C_942/2008 vom 16. März 2009 E. 5.3), liegen keine vor. Mithin fehlt es mit der Vorinstanz an einem invalidisierenden Gesundheitsschaden, und d ie Vorinstanz ist zu Recht von der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit gemäss Gutachten abgewichen.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 10. Juli 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Oswald