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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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5A_629/2016
Urteil vom 14. September 2017
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zingg.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Michel,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Rückerstattung von Kostenvorschüssen und Sicherheitsleistungen (Kollokationsklage),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung,
vom 28. Juli 2016.
Sachverhalt:
A.
A.________ liess im Konkurs der C.________ AG durch seinen anwaltlichen Vertreter, Rechtsanwalt B.________, beim Kantonsgericht Zug mehrere Kollokationsklagen einreichen. In diesen Verfahren wurden von A.________ Kostenvorschüsse einverlangt und er wurde zur Sicherstellung von Parteientschädigungen verpflichtet. Am 9. Januar 2015 schrieb das Kantonsgericht einen Teil der Kollokationsklagen zufolge Anerkennung ab. Einen weiteren Teil der Klagen schrieb es wegen verspäteter Leistung der Sicherstellungen ab. Die dagegen von A.________ an das Obergericht des Kantons Zug und an das Bundesgericht erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.
Nach Abzug der A.________ auferlegten Kosten und Entschädigungen verblieben nicht benötigte Kostenvorschüsse in der Höhe von Fr. 362'545.-- und überschüssige Sicherstellungen für Parteikosten von Fr. 327'377.60. Im Abschreibungsbeschluss des Kantonsgerichts vom 9. Januar 2015 wurde die Rückerstattung der nicht benötigten Sicherstellungen an A.________ nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheides angeordnet (Dispositiv-Ziff. 4.10). Der Beschluss enthielt keine ausdrückliche Regelung zu den nicht benötigten Kostenvorschüssen.
Ende Januar 2015 verlangte D.________ gestützt auf eine Abtretung vom 19. Januar 2015 die Überweisung des "Gerichtsguthabens" gemäss Dispositiv-Ziff. 4.10.
Nachdem der Beschluss des Kantonsgerichts vom 9. Januar 2015 rechtskräftig geworden war, holte das Obergericht Vernehmlassungen zum Begehren von D.________ ein. Am 20. Februar 2016 teilte A.________ mit, er habe Rechtsanwalt B.________ das Mandat entzogen. Am 2. März 2016 ersuchte A.________ das Obergericht, die Zession zu vollziehen und den entsprechenden Betrag an D.________ zu überweisen. Rechtsanwalt B.________ bestritt am 9. März 2016 die Ansprüche von A.________ und D.________ auf Rückerstattung der Vorschüsse und Sicherheitsleistungen.
Mit Verfügung der Obergerichtskanzlei vom 12. Mai 2016 wurde Rechtsanwalt B.________ eine Frist von dreissig Tagen angesetzt, um die von ihm beanspruchte Rückforderung von Gerichtskostenvorschüssen gegenüber A.________ gerichtlich geltend zu machen. Dieselbe Frist wurde ihm angesetzt, um die von ihm beanspruchte Rückforderung von Sicherheitsleistungen gegenüber D.________ geltend zu machen. Bei unbenütztem Ablauf der Klagefristen würden die Vorschüsse an A.________ und die Sicherheitsleistungen an D.________ ausbezahlt.
B.
Gegen diese Verfügung erhob Rechtsanwalt B.________ am 6. Juni 2016 Beschwerde an die II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts. Er verlangte die Aufhebung der Verfügung. Es seien A.________ und D.________ Fristen zur Geltendmachung ihrer Forderungen anzusetzen. Bei unbenütztem Ablauf der Fristen seien die Vorschüsse und Sicherheitsleistungen ihm zu überweisen. Zudem ersuchte er um aufschiebende Wirkung.
Die Beschwerdeabteilung stellte am 8. Juni 2016 fest, dass der Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukomme, und ordnete einen Schriftenwechsel an. A.________ und D.________ widersetzten sich der Beschwerde.
Mit Urteil vom 28. Juli 2016 hiess die II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts die Beschwerde gut und hob die angefochtene Verfügung auf. Sie setzte A.________ und D.________ je eine Frist von dreissig Tagen nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheides an, um ihre jeweiligen Rückforderungen (Forderung von A.________ auf Rückzahlung der Gerichtskostenvorschüsse bzw. Forderung von D.________ auf Rückzahlung der Sicherstellungen) gegenüber B.________ gerichtlich geltend zu machen. Bei unbenütztem Ablauf der Klagefristen würden die überschüssigen Gerichtskostenvorschüsse im Betrag von Fr. 362'545.-- bzw. die überschüssigen Sicherstellungen im Betrag von Fr. 327'377.60 an B.________ ausbezahlt.
C.
Am 1. September 2016 hat A.________ (Beschwerdeführer) gegen dieses Urteil Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt, die Obergerichtskanzlei anzuweisen, die Gerichtskostenvorschüsse von Fr. 362'545.-- und die Sicherstellungen von Fr. 327'377.60 an ihn zurückzuerstatten. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beweisabnahme an das Obergericht zurückzuweisen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen und Vernehmlassungen eingeholt. Am 24. November 2016 hat die II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts die Abweisung der Beschwerde beantragt. Nach gewährter Fristerstreckung beantragt B.________ (Beschwerdegegner) mit Beschwerdeantwort vom 30. Januar 2017 die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei. Der Beschwerdeführer hat sich daraufhin am 6. Februar 2017 und der Beschwerdegegner am 15. März 2017 nochmals vernehmen lassen, worauf der Beschwerdeführer am 20. März 2017 eine weitere Stellungnahme eingereicht hat.
Erwägungen:
1.
1.1. Der obergerichtlichen Rechtsmittelbelehrung folgend, hat der Beschwerdeführer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) erhoben. Bei den Kollokationsprozessen, aus denen die strittigen Vorschüsse und Sicherheitsleistungen stammen, ging es um eine Zivilsache im Sinne von Art. 72 Abs. 1 BGG. Der Streit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner über die bessere Berechtigung an diesen Geldern scheint ebenfalls zivilrechtlicher Natur zu sein. Die Eingabe ist deshalb als Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG) zu behandeln.
1.2. Vor Obergericht hat nicht der Beschwerdegegner, sondern D.________ die Auszahlung der nicht benötigten Sicherheitsleistungen an sich verlangt. D.________ hat keine eigene Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Vielmehr verlangt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht die Rückerstattung der Gerichtskostenvorschüsse und der Sicherheitsleistungen aus den Prozessen aaa bis zzz an sich selber. Der Beschwerdeführer macht geltend, D.________ habe ihm sämtliche Ansprüche wieder zurückzediert, und er hat dazu dem Bundesgericht eine Zession vom 23./24. August 2016 eingereicht. Die Ausführungen des Beschwerdeführers und die Tragweite dieser Zession sind jedoch in mehrerer Hinsicht unklar. Zunächst sind in dieser Rückzession nur die Forderungen aus dem Prozess bbb ausdrücklich erwähnt, während in der Zession an D.________ noch von den Prozessen aaa bis zzz die Rede war. Sodann spricht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde im Zusammenhang mit dieser Rückzession von den überschüssigen Gerichtskostenvorschüssen, die ihm nunmehr wieder zustünden, und nicht von den Sicherheitsleistungen. Wie es sich mit alldem verhält, insbesondere im Hinblick auf die Legitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG, kann jedoch offenbleiben, wie die nachstehenden Erwägungen zeigen.
1.3. Der angefochtene Entscheid regelt in erster Linie die Parteirollenverteilung für ein erst noch anzuhebendes Zivilverfahren zwischen den Parteien. Er beendet damit den Streit zwischen Parteien und damit das Verfahren zwischen ihnen nicht, sondern stellt bloss eine Zwischenetappe auf dem Weg zu einer definitiven Regelung dar. Es liegt demnach kein Endentscheid nach Art. 90 BGG vor, sondern vielmehr ein Zwischenentscheid (BGE 135 III 566 E. 1.1 S. 568). Daneben enthält der angefochtene Entscheid eine Regelung, an wen die Gerichtskasse die Vorschüsse und Sicherheitsleistungen zurückzahlen soll. Diese Regelung steht jedoch unter der Bedingung, dass der Beschwerdeführer und D.________ keine Klage gegen den Beschwerdegegner erheben. Diese Regelung ist somit bedingt. Einzig für den Fall des Bedingungseintritts (keine Klageerhebung) ist sie für die Gerichtskasse definitiv. Die Streitigkeit unter den Parteien darüber, wem die fraglichen Gelder zustehen, regelt jedoch auch sie nicht abschliessend. Aufgrund ihrer Bedingtheit tritt sie in ihrer Bedeutung hinter die Parteirollenzuteilung zurück. Der angefochtene Entscheid stellt somit insgesamt einen Zwischenentscheid dar. Da kein Fall von Art. 92 BGG vorliegt, handelt es sich um einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG, der nur unter eingeschränkten Voraussetzungen vor Bundesgericht angefochten werden kann.
Gegen Zwischenentscheide gemäss Art. 93 BGG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Der Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss rechtlicher Natur sein. Das setzt voraus, dass er sich mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt. Die blosse Möglichkeit eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur genügt. Dagegen reichen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht aus (BGE 137 III 380 E. 1.2.1 S. 382; 138 III 190 E. 6 S. 192; je mit Hinweisen). Es obliegt dem Beschwerdeführer darzutun, dass die Voraussetzungen gemäss Art. 93BGG erfüllt sind, es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu in die Augen (BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 328 f.; 134 III 426 E. 1.2 S. 429).
Der Beschwerdeführer begründet nicht, inwiefern die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sein sollen, denn er geht davon aus, das angefochtene Urteil sei ein Endentscheid nach Art. 90 BGG. Dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a oder lit. b BGG erfüllt wären, ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich.
Zunächst könnte das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde keinen Endentscheid fällen, sondern einzig die Parteirollenverteilung anders regeln. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer keine Änderung der Parteirollenverteilung beantragt, sondern die Auszahlung der fraglichen Gelder direkt an sich selber verlangt. Es kann offen bleiben, ob eine solche Anordnung durch das Bundesgericht überhaupt einen Endentscheid darstellen würde; der Prätendentenstreit würde dadurch jedenfalls nicht definitiv abgeschlossen. So oder anders ist der genannte Antrag des Beschwerdeführers jedenfalls unzulässig, denn er ist neu, d.h. er geht über das hinaus, was vor der II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts beantragt worden ist (Art. 99Abs. 2 BGG). Dort waren Anträge auf Neuverteilung der Parteirollen zu beurteilen und nur subsidiär, in Abhängigkeit von der Parteirollenverteilung, eine Regelung zur Auszahlung zu treffen für den Fall, dass derjenige Prätendent, dem die Klagefrist auferlegt wird, diese nicht nutzen würde. Nach den Feststellungen der Beschwerdeabteilung haben die Parteien denn auch das grundsätzliche Vorgehen der Obergerichtskanzlei nicht beanstandet, d.h. die Parteien haben vor der Beschwerdeabteilung nicht bemängelt, dass die Obergerichtskanzlei Frist zur Anhebung von Zivilklagen gesetzt und die Vermögenswerte nur provisorisch einem Ansprecher zugesprochen hat (E. 2 des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer legt auch vor Bundesgericht nicht dar, weshalb die Vorinstanzen keine Parteirollenverteilung hätten vornehmen dürfen, sondern direkt zur Auszahlung hätten schreiten müssen. Unter dem Gesichtswinkel von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erscheint die Beschwerde damit nicht zulässig.
Es springt sodann nicht ins Auge, inwiefern dem Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen könnte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Dass ihm die Klägerrolle zugeschoben wurde, bedeutet zwar für ihn einen Mehraufwand bei der Verfahrenseinleitung. Darin liegt jedoch - soweit ersichtlich - ein bloss tatsächlicher Nachteil, der mit einem günstigen Endentscheid wieder gutgemacht werden kann, insbesondere wenn er für seinen Aufwand eine angemessene Parteientschädigung erhält. Dass ihm Nachteile anderer Art drohen könnten (z.B. eine von der Parteirolle abhängige Beweislastverteilung, die sich zwangsläufig zu seinen Lasten auswirken würde), macht er nicht geltend und ist nicht ersichtlich. Auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde demnach unzulässig. Nach den unbestrittenen Ausführungen des Beschwerdegegners hat der Beschwerdeführer ausserdem die Klage bereits eingereicht. Würde entgegen dem soeben Ausgeführten alleine in der Obliegenheit zur Klageeinleitung ein relevanter, drohender Nachteil gesehen, so wäre er mit der Klageeinleitung effektiv eingetreten. Ein solcher Nachteil könnte durch eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Neuverteilung der Parteirollen nicht mehr rückgängig gemacht werden, da dies am bereits getätigten Aufwand nichts ändern würde. Es würde sich dann die Frage stellen, ob an der Beschwerde überhaupt (noch) ein schutzwürdiges Interesse besteht oder ob dieses Interesse nicht - je nach Datum der Klageeinleitung - bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung fehlte oder später dahingefallen ist. Da auf die Beschwerde nach dem Gesagten ohnehin nicht eingetreten werden kann, erübrigen sich Weiterungen dazu.
2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von Anfang an aussichtslos. Ausserdem hat der Beschwerdeführer seine Bedürftigkeit nicht genügend begründet: Er verweist einzig auf eine Lohnpfändung, die jedoch bereits vom 31. Mai 2015 datiert (vgl. Art. 93 Abs. 2 SchKG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner hat sich nicht vertreten lassen, sondern ist selber vor Bundesgericht aufgetreten. Eine Parteientschädigung ist demnach nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 9'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. September 2017
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Escher
Der Gerichtsschreiber: Zingg