BGer 2C_138/2017 |
BGer 2C_138/2017 vom 04.01.2018 |
2C_138/2017
|
Urteil vom 4. Januar 2018 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
|
Bundesrichter Seiler, Präsident,
|
Bundesrichter Zünd,
|
Bundesrichterin Aubry Girardin,
|
Gerichtsschreiberin Mayhall.
|
Verfahrensbeteiligte |
A.________,
|
Beschwerdeführer, vertreten durch Lars Gerspacher und Sara Andrea Behrend, Rechtsanwälte,
|
gegen
|
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht,
|
Beschwerdegegnerin.
|
Gegenstand
|
Aufnahme in das Register für Versicherungsvermittler,
|
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2016
|
(B-6958/2015).
|
Sachverhalt: |
A. |
A.________ reichte am 19. April 2012 bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA ein Gesuch um Eintrag in das Register für Versicherungsvermittler ein. Nach Durchführung von Abklärungen über dessen fachliche Qualifikationen wies die FINMA das Gesuch mit Verfügung vom 17. September 2015 ab.
|
B. |
Das Bundesverwaltungsgericht wies eine von A.________ gegen die Verfügung der FINMA vom 17. September 2015 erhobene Beschwerde mit Urteil vom 19. Dezember 2016 vorbehältlich des Kostenpunktes ab (Dispositivziffer 1). Im Kostenpunkt hiess es die Beschwerde teilweise gut und wies die FINMA an, die A.________ auferlegten Verfahrenskosten von Fr. 2'500.-- mit den geleisteten Registrierungsgebühren von Fr. 600.-- zu verrechnen (Dispositivziffer 2). Des Weiteren legte es A.________ die Verfahrenskosten auf (Dispositivziffer 3) und verweigerte ihm eine Parteientschädigung (Dispositivziffer 4).
|
C. |
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Februar 2017 an das Bundesgericht gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2016 beantragt A.________, die Ziffern 1, 2, 3 und 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils seien kostenfällig unter Beibehaltung der teilweisen Gutheissung in Ziffer 2 aufzuheben und er sei als ungebundener Versicherungsvermittler in das Register der Versicherungsvermittler aufzunehmen. Eventualiter seien die Ziffern 1, 2, 3 und 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils unter Beibehaltung der teilweisen Gutheissung in Ziffer 2 aufzuheben und die Sache sei mit der Anweisung an die FINMA zurückzuweisen, ihre Verfügung vom 17. September 2015 aufzuheben und ihn als ungebundenen Versicherungsvermittler in das Register aufzunehmen. Subeventualiter seien die Ziffern 1, 2, 3 und 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils unter Beibehaltung der teilweisen Gutheissung in Ziffer 2 aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Als Begründung macht der Beschwerdeführer übergangsrechtlich geltend, ein Registereintrag setze in seinem Fall keine Prüfung voraus, weil er im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über eine fünfjährige praktische Tätigkeit verfügt habe; das müsse auch noch bei einem erst später gestellten Registrierungsgesuch zur Befreiung von der Prüfungspflicht führen.
|
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die FINMA lässt sich ohne Antrag zur Sache vernehmen. Der Beschwerdeführer repliziert.
|
Erwägungen: |
1. |
1.1. Der Beschwerdeführer hat frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Sie richtet sich gegen einen (der FINMA auch im Kostenpunkt keinen Entscheidungsspielraum belassenden) Endentscheid (Art. 90 BGG) des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet der Finanzmarktaufsicht. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG).
|
1.2. Der Beschwerdeführer, der am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und mit seinen Anträgen unterlegen ist, ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse (Art. 89 Abs. 1 BGG) an der Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Entscheids. Er ist zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf die Beschwerde ist, vorbehältlich der Erfüllung der qualifizierten Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG), einzutreten.
|
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
|
2. |
2.1. Versicherungsvermittler und -vermittlerinnen sind, unabhängig von ihrer Bezeichnung, Personen, die im Interesse von Versicherungsunternehmen oder anderen Personen Versicherungsverträge anbieten oder abschliessen (Art. 40 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen [VAG; SR 961.01]). Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, die weder rechtlich noch wirtschaftlich noch auf andere Weise an ein Versicherungsunternehmen gebunden sind, müssen sich, seit Inkrafttreten des VAG am 1. Januar 2006, in das Register eintragen lassen (Art. 43 Abs. 1 VAG). Ins Register eingetragen wird nur, wer sich über
|
2.2. Mit der Einführung des Registers für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler am 1. Januar 2006 hatte der Gesetzgeber in übergangsrechtlicher Hinsicht insbesondere zwei Punkte zu regeln. Zum einen war zu klären, inwiefern die Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin oder -versicherungsvermittler während einer Übergangsfrist zulässigerweise ohne Registereintrag weiter geführt werden konnte (unten, E. 2.2.1). Für den Registereintrag selbst galt es festzusetzen, welche beruflichen Qualifikationen während einer Übergangsfrist für den Registereintrag vorausgesetzt werden (unten, E. 2.2.2).
|
2.2.1. Hinsichtlich der
|
2.2.2. Als beruflich qualifiziert im Sinne der
|
3. |
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 6 AVO-FINMA unzutreffend ausgelegt und angewendet. Diese Bestimmung unterscheide zwischen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern, welche am 1. Januar 2006 bereits über eine fünfjährige hauptberufliche bzw. eine achtjährige nebenberufliche Erfahrung verfügt hätten und somit automatisch als beruflich qualifiziert gelten würden, und solchen, denen zu diesem Zeitpunkt die erforderliche berufliche Qualifikation gefehlt und diese bis zum 31. Dezember 2007 nachzuholen gehabt hätten. Falls eine Versicherungsvermittlerin oder ein -vermittler am Stichtag 1. Januar 2006 somit über die erforderliche Berufserfahrung verfügt habe, habe er wegen der fehlenden zeitlichen Limitierung der Übergangsvorschrift von Art. 6 Abs. 1 AVO-FINMA fortwährend als beruflich qualifiziert und von der Vermittlerprüfung als dispensiert zu gelten, was die Vorinstanz verkannt habe. Eine Auslegung von Art. 6 AVO-FINMA in dem Sinn, dass die Übergangsbestimmung zeitlich begrenzt anzuwenden sei, verletze auch das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV), seine Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK; Art. 19 UNO-Pakt II), sein Recht auf Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) und seine Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) insbesondere dadurch, dass damit eine unzulässige Härte begründet würde.
|
4. |
4.1. Unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsmethoden ist die vorinstanzliche Auslegung und Anwendung von Art. 6 AVO-FINMA im Ergebnis nicht zu beanstanden.
|
4.2. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut. Ist der Text unklar bzw. nicht restlos klar und bleiben verschiedene Interpretationen möglich, muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden. Dabei sind alle anerkannten Auslegungselemente zu berücksichtigen. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen (BGE 140 I 305 E. 6.1 S. 310; 140 II 80 E. 2.5.3 S. 87).
|
4.3. Die Vorinstanz hat in ihrer Rechtsprechung zutreffenderweise erkannt, dass die Übergangsfrist, während welcher die Tätigkeit als Versicherungsvermittler noch ohne Registereintrag ausgeübt werden kann, nicht mit derjenigen übereinstimmt, während welcher übergangsrechtlich eine bestimmte Berufserfahrung als genügende fachliche Qualifikation angerechnet wird.
|
4.4. Sämtliche Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler nach Art. 43 Abs. 1 VAG hatten sich innert sechs Monaten nach Inkrafttreten des neuen Rechts bei der Aufsichtsbehörde für den Eintrag in das Register anzumelden (Art. 90 Abs. 3 VAG). Der historische Gesetzgeber ging somit davon aus, dass sich sämtliche am 1. Januar 2006 bereits tätigen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler innert sechs Monaten bei der Aufsichtsbehörde für den Registereintrag anmelden würden. Aus seiner Sicht war übergangsrechtlich zu regeln, inwiefern die
|
5. |
5.1. Hinsichtlich der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen (Art. 8 Abs. 1, Art. 27 BV; Art. 8 und Art. 10 EMRK; Art. 19 UNO-Pakt) ist zu unterstreichen, dass polizeirechtlich motivierte aufsichtsrechtliche Marktzulassungsregelungen wie sie Art. 40 ff. VAG für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler enthält (vgl. MÄCHLER, a.a.O., S. 727, S. 733 f.), zwar durchaus und insbesondere in durch die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) geschützte Rechtspositionen eingreifen können. Diese in formell-gesetzlichen Bundeserlassen enthaltenen aufsichtsrechtlichen Regelungen, insbesondere die übergangsrechtliche Anforderung an bereits tätige Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, sich innert einer Frist von sechs Monaten ab Inkrafttreten der neuen Regelung für den Registereintrag anzumelden (Art. 90 Abs. 3 VAG), sind durch das Bundesgericht jedoch grundsätzlich anzuwenden (Art. 190 BV; zum Anwendungsgebot vgl. BGE 136 II 120 E. 3.5.1 S. 130), weshalb sie in aller Regel nicht zusätzlich auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht überprüft werden (SABINE KILGUS, Expertengutachten betreffend die Regulierungs- und Kommunikationstätigkeit der FINMA vom 4. August 2014, N. 15; vgl. auch PIERRE TSCHANNEN, Systeme des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2008, S. 54).
|
5.2. Selbst falls eine solche Ausnahme vom Anwendungsgebot vorliegen würde, was an dieser Stelle offen bleiben kann, wäre bei eröffnetem sachlichen Anwendungsbereich der angerufenen Grundrechte jedoch davon auszugehen, dass eine Einschränkung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen aufgrund der der aufsichtsrechtlichen Regelung von Art. 40 ff. VAG zu Grunde liegenden polizeirechtlichen Zielsetzung des Gläubiger-, Anleger- und Versichertenschutzes wie auch des Funktions- und Systemschutzes (Art. 5 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht [FINMAG; SR 956.1]; Art. 1 Abs. 2 VAG; MÄCHLER, a.a.O., S. 719) als im öffentlichen Interesse liegend sowie verhältnismässig und damit als rechtmässig (Art. 36 Abs. 2 und Abs. 3 BV bzw. Art. 8 Ziff. 2 und Art. 10 Ziff. 2 EMRK) anzusehen wäre (MÄCHLER, a.a.O., S. 715). Eine rechtsungleiche Behandlung des Beschwerdeführers erscheint bereits deswegen als ausgeschlossen, weil die Situation, in der sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung im Jahr 2012 befand, nicht mit derjenigen vergleichbar ist, welche bei Inkraftsetzung der Regelung im Jahr 2006 vorherrschte (zur Rechtsgleichheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 BV siehe BGE 138 I 225 E. 3.6.1 S. 229 f.; 136 I 1 E. 4.1 S. 5; 135 V 361 E. 5.4.1 S. 36). Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet und ist vollumfänglich abzuweisen.
|
6. |
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
|
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
|
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
|
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
|
Lausanne, 4. Januar 2018
|
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
|
des Schweizerischen Bundesgerichts
|
Der Präsident: Seiler
|
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall
|