Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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2C_87/2018
Urteil vom 6. Februar 2018
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Haag,
Gerichtsschreiber Kocher.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________sel.,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Schären Treuhand AG,
gegen
Steuerverwaltung des Kantons Bern, Brünnenstrasse 66, 3018 Bern.
Gegenstand
Verrechnungssteuer, Steuerperiode 2014,
Beschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 12. Dezember 2017 (100 17 237 / 200 17 195).
Erwägungen:
1.
1.1. Die Eheleute B.A.________sel. (geb. 1947, verstorben 2017) und A.A.________ geb. D.________ (geb. 1951) hatten in der Steuerperiode 2014 steuerrechtlichen Wohnsitz in U.________/BE. Im Privatvermögen des Ehemannes befand sich zu dieser Zeit eine hundertprozentige Beteiligung an der damaligen C.________AG mit Sitz in U.________/BE. Der Ehemann wirkte als Präsident, die Ehefrau als Mitglied des Verwaltungsrates, wobei beide über Einzelunterschrift verfügten. Am 30. Dezember 2014 beschloss die Generalversammlung der C.________AG die Ausrichtung einer sofort fälligen Dividende von Fr. 130'000.--. In der Folge deklarierte die C.________AG die Dividende gegenüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) mit dem Formular 103 und überwies die Verrechnungssteuer an diese. Aus der Steuererklärung 2014 der Eheleute ging alsdann zwar die Beteiligung (mit einem Vermögenssteuerwert von Fr. 1'200'000.--), nicht aber die Dividende hervor. Diese blieb unerwähnt.
1.2. Am 4. August 2016 erkundigte die Steuerverwaltung des Kantons Bern (KSTV/BE) sich im Zuge der Bearbeitung der Steuererklärung 2014 nach der Dividende. Die Steuerpflichtigen hielten in ihrem E-Mail vom 23. August 2016 fest, die Deklaration der Dividende sei versehentlich unterblieben. Auch unter Berücksichtigung der Dividende wäre das steuerbare Einkommen 2014, machten sie geltend, jedoch unter null geblieben, was eine vorsätzliche Hinterziehung ausschliesse. Die KSTV/BE rechnete die Dividende in den Veranlagungsverfügungen vom 21. November 2016 alsdann auf und teilte den Steuerpflichtigen gleichzeitig mit, aufgrund der fehlenden Deklaration sei der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer von Fr. 45'500.-- verwirkt. Mit Einspracheentscheiden vom 22. Mai 2017 bestätigte sie dies.
1.3. Die Steuerpflichtigen gelangten an die Steuerrekurskommission des Kantons Bern, welche die Beschwerden kantonal letztinstanzlich im Rückerstattungspunkt und bezüglich der eventualiter beantragten Sistierung des Verfahrens (bis zur Revision von Art. 23 VStG) abwies (Entscheid 100 17 237 / 200 17 195 vom 12. Dezember 2017). Die Steuerrekurskommission erwog im Wesentlichen, der verrechnungssteuerrechtliche Rückerstattungsanspruch bedinge eine spontane Erst- oder Nachdeklaration. Beides sei unterblieben, nachdem die KSTV/BE aus eigenem Antrieb an die Steuerpflichtigen gelangt sei. Bundesgerichtlicher Rechtsprechung zufolge genüge einfache Fahrlässigkeit, um die Verwirkungsfolge eintreten zu lassen. Den Steuerpflichtigen sei aufgrund der fehlenden Deklaration bzw. Überprüfung der von einer Hilfsperson erstellten Steuererklärung ein pflichtwidriges und daher zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Ebenfalls rechtsprechungsgemäss sei der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer einzig von der Deklaration der betreffenden Einkunft und des Vermögens abhängig, nicht aber davon, dass die verrechnungssteuerbelastete Einkunft überhaupt zur Besteuerung führe.
1.4. Mit Eingabe beim Bundesgericht vom 30. Januar 2018 erhebt die überlebende Ehefrau, in eigenem Namen und als Alleinerbin des verstorbenen Ehemannes, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und es sei ihr die Verrechnungssteuer 2014 von Fr. 45'500.-- zu erstatten. Eventualiter sei das Verfahren zu sistieren, bis die Revision von Art. 23 VStG in Kraft getreten sei.
1.5. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen. Mit Blick auf die offensichtliche Unbegründetheit der Beschwerde kann die Sache im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG entschieden werden.
2.
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind unter Vorbehalt des Nachfolgenden gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 83
e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 56 VStG [SR 642.21]).
2.2. Die Eheleute hatten unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt und ehevertraglich dem überlebenden Ehegatten das Gesamtgut zugewiesen (Erbenschein vom 26. Januar 2018). Als Alleinerbin ist die überlebende Ehefrau zur vorliegenden Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG; Art. 12 Abs. 1 DBG
per analogiam).
2.3. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht, wozu auch das Recht der Verrechnungssteuer zählt (Art. 132 Abs. 2 BV), von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5 S. 157) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236).
2.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.3 S. 156). Zu den tatsächlichen Feststellungen zählt auch die Beweiswürdigung (BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375).
3.
3.1. Streitig und zu prüfen ist die Frage nach dem Anspruch auf die Rückerstattung der Verrechnungssteuer in Höhe von Fr. 45'500.--. Im Zentrum steht hierbei die Anwendung und Auslegung von Art. 23 VStG (Verwirkung des Anspruchs von natürlichen Personen auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen und Lotteriegewinnen). Das Bundesgericht legt die "Deklarationsklausel" in langjähriger Praxis folgendermassen aus: Der Anspruch einer natürlichen Person auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen und Lotteriegewinnen ist verwirkt, wenn die steuerpflichtige Person die verrechnungssteuerbelasteten Einkünfte nicht
spontan in der nächstfolgenden Steuererklärung nach Fälligkeit der Leistung deklariert oder aber zumindest die eingereichte
Steuererklärung spontan so frühzeitig ergänzt, dass die Einkünfte von der Veranlagungsbehörde noch vor der definitiven Veranlagung berücksichtigt werden können (BGE 113 Ib 128 E. 2b S. 130; 110 Ib 319 E. 6c/cc S. 327). Diese langjährige Praxis hat das Bundesgericht auch jüngst wieder bestätigt (Urteile 2C_500/2017 vom 6. Juni 2017 E. 3.1 [Kanton Aargau]; 2C_637/2016 vom 17. März 2017 E. 3.1 [Kanton Freiburg]; 2C_322/2016 vom 23. Mai 2016 E. 3.2 [Kanton Aargau] mit zahlreichen Hinweisen).
3.2. Die bundesgerichtliche Praxis verlangt mithin eine
spontane Erstmeldung (im Rahmen der Steuererklärung) bzw. zumindest eine
spontane Nachmeldung, die rechtzeitig genug erfolgt, dass die bislang noch nicht deklarierte verrechnungssteuerbelastete Einkunft in der Veranlagungsverfügung auch tatsächlich noch berücksichtigt werden kann. Beides entspringt der direktsteuerlichen Mitwirkungspflicht (so insbesondere Art. 124 Abs. 2 und Art. 125 Abs. 1 lit. c DBG [SR 642.11] bzw. Art. 42 Abs. 1 StHG [SR 642.14]). Ausschlussgründe einer Rückerstattung bilden etwa die Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen (Art. 130 Abs. 2 DBG bzw. Art. 46 Abs. 3 StHG). Gleiches gilt für "überholende" Abklärungen der Veranlagungsbehörde, mit welchen diese in Erfahrung bringen will, ob überhaupt verrechnungssteuerbelastete Einkünfte angefallen seien. Von einer anspruchsbegründenden "spontanen" Deklaration im Sinne von Art. 23 VStG kann unter solchen Vorzeichen keine Rede sein (Urteil 2C_500/2017 vom 6. Juni 2017 E. 3.2).
3.3. Die Vorinstanz gibt die Rechtslage in allen Teilen zutreffend wieder. Nach deren für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 2.4) unterblieb die Deklaration der streitbetroffenen Dividende und fand diese einzig aufgrund der Intervention der KSTV/BE Eingang in die Veranlagung. Die Vorinstanz würdigte die Sachumstände dahingehend, dass den Steuerpflichtigen pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, mithin zumindest fahrlässiges Vorgehen vorzuwerfen sei. Dies alles gibt zu keinen Beanstandungen Anlass. Die Steuerpflichtigen hätten umso mehr für die Deklaration besorgt sein müssen, als im streitbetroffenen Zeitraum der Ehemann Alleinaktionär und Präsident des Verwaltungsrates, die Ehefrau Mitglied des Verwaltungsrates war. Dies geht aus dem öffentlich zugänglichen Handelsregister vor, das vom Bundesgericht von Amtes wegen berücksichtigt werden kann (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404 E. 7.3.3 S. 431; Urteil 2C_342/2016 / 2C_343/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 3.6.3, in: ASA 85 S. 505, StE 2017 B 21.1 Nr. 27). Anders, als die Steuerpflichtige dies anzunehmen scheint, ist keine "Schuldkompensation" vorzunehmen. So kann es von keiner Bedeutung sein, dass die Eheleute durch einen Rechtsstreit mit den französischen Steuerbehörden und den beabsichtigten Verkauf der Beteiligung absorbiert gewesen sein sollen.
3.4. Die Steuerpflichtige stellt sich auf den Standpunkt, das Bundesgericht habe im Urteil 2C_500/2017 vom 6. Juni 2017 angedeutet, es bedürfe einer qualifizierten Unterlassung, um die Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs eintreten zu lassen. Dafür lassen sich dem Urteil indes keine Anhaltspunkte entnehmen, ebenso wie es nicht zutrifft, dass das Bundesgericht im Urteil 2C_637/2016 vom 17. März 2017 ausgeführt haben soll, bei geringem Abklärungsaufwand bestehe eine Untersuchungspflicht der Veranlagungsbehörde, welche die Verwirkung zurückdränge. In jenem Fall war ausschlaggebend, dass die Steuerverwaltung aus einer der Steuererklärung beiliegenden - also von den Steuerpflichtigen eingereichten - Unterlage ohne Weiteres die ausbezahlte Dividende erkennen konnte, was hier nicht der Fall ist. Sodann führt die Steuerpflichtige aus, bei sorgfältiger Vornahme des Vermögensvergleichs hätte der KSTV/BE auffallen müssen, dass die Dividende nicht deklariert worden war. Auch dies zielt am Kern der Sache vorbei. Zutreffend ist zwar, dass die Veranlagungsbehörde im Verfahren der gemischten Veranlagung zwar verpflichtet ist, die Steuererklärung zu prüfen und die erforderlichen Untersuchungen vorzunehmen (Art. 130 Abs. 1 DBG). Ausgangspunkt dieser behördlichen Untersuchungspflicht ist aber die Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Person (vorne E. 3.2). Hinzu kommt, dass die Veranlagungsbehörde im konkreten Fall von Amtes wegen nachfragte, wie es sich mit der Dividende verhalte. Die Steuerpflichtigen hatten in keiner Weise auf die Dividende aufmerksam gemacht, auch nicht etwa durch blosse Beilage der Dividendenbescheinigung. Dies bildet den typischen Fall der "überholenden" Abklärung (auch dazu vorne E. 3.2).
3.5. Es greift alsdann zu kurz, der Vorinstanz vorzuwerfen, den Normzweck von Art. 23 VStG missverstanden zu haben. Gegenteils ist festzuhalten, dass zwischen dem Verrechnungssteuerrecht und dem Recht der direkten Bundessteuer ein nicht zu übersehender konzeptioneller Unterschied besteht. Während es direktsteuerlich - in Bezug auf die Veranlagung der Steuer (vgl. aber immerhin die Möglichkeit der Bestrafung infolge versuchter Steuerhinterziehung gemäss Art. 176 DBG bzw. Art. 56 Abs. 2 StHG) grundsätzlich folgenlos bleibt, wenn die Veranlagungsbehörde im Lauf ihrer Abklärungen auf weitere Einkünfte und Vermögensbestandteile stösst, verhält es sich aufgrund von Art. 23 VStG grundlegend anders. Hier tritt zwingend die Verwirkungsfolge ein. Die Verwirkungsklausel stellt eine Eigenheit des Verrechnungssteuerrechts, die im DBG kein entsprechendes Gegenstück findet. Dass das steuerbare Einkommen selbst bei erfolgter Deklaration unter null liegen soll, beruht auf einer Zufälligkeit und vermag am Ergebnis nichts zu ändern. Gleiches gilt für die Ausführungen zum allgemeinen Gleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV). Dieses wird durch das abgaberechtliche Legalitätsprinzip konkretisiert (Art. 127 Abs. 1 BV) und verlangt, dass alle in vergleichbarer Situation befindlichen abgabepflichtigen Personen gleich behandelt werden. Das Rechtsgleichheitsgebot ist sodann nicht verletzt, wenn verschiedene Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten unterschiedliche Regelungen kennen. Dass in Bern (anders als in anderen Kantonen) keine Unterlagen mit der Steuererklärung eingereicht werden müssen und folglich die Steuerverwaltung nicht aus den Unterlagen eine in der Deklaration fehlende Angabe ersehen kann, verletzt die Rechtsgleichheit nicht.
3.6. Schliesslich beruft die Steuerpflichtige sich auf die beabsichtigte Revision von Art. 23 VStG. Die Vorlage befindet sich in einem frühen Stadium. Gemäss Art. 70d VE-VStG in der Fassung der Vernehmlassungsvorlage vom 28. Juni 2017 ist tatsächlich eine Rückwirkung vorgesehen. So soll ein neuer Art. 23 Abs. 2 VStG, der gegenüber der heutigen Rechtslage gewisse Erleichterungen bringen dürfte, auch auf steuerbare Leistungen anwendbar sein, die "zwischen dem Beginn des Kalenderjahres vor Inkrafttreten der Änderung vom... und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens fällig werden". Dies alles ist freilich noch in der Schwebe, zumal noch nicht einmal eine bundesrätliche Botschaft vorliegt. Entsprechend ist es auch höchst spekulativ, wenn die Steuerpflichtige vermutet, die Bundesversammlung werde eine gegenüber der Vernehmlassungsvorlage weit grosszügigere Übergangsbestimmung beschliessen. Das Bundesgericht hat das Verrechnungssteuerrecht auch im vorliegenden Fall anzuwenden, wie es bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung anwendbar war (Art. 1 Abs. 1 SchlT ZGB, der analog auch im öffentlichen Recht gilt; Urteil 2C_717/2015 vom 13. Dezember 2015 E. 6.4.1). Dies ist - zumindest zurzeit - Art. 23 VStG in der ursprünglichen Fassung vom 13. Oktober 1965.
3.7. Die Beschwerde erweist sich daher in allen Teilen als offensichtlich unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist. Dies kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG geschehen (vorne E. 1.5).
4.
Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Steuerpflichtigen aufzuerlegen. Dem Kanton Bern, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Entschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Steuerrekurskommission des Kantons Bern und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Februar 2018
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Der Gerichtsschreiber: Kocher