Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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1B_20/2018
Urteil vom 9. Februar 2018
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Eugen Koller,
gegen
Sicherheits- und Justizdepartement
des Kantons St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt Gossau,
Dr. Peter Straub, Leitender Staatsanwalt,
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau.
Gegenstand
Vorzeitiger Strafvollzug: Vollzugsöffnungen,
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 15. November 2017 (AK.2017.300-AK (Akten Nr. 6994)).
Sachverhalt:
A.
Das Untersuchungsamt Gossau führt gegen den einschlägig vorbestraften A.________ ein Strafverfahren wegen mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung und mehrfachen Hausfriedensbruchs. Er soll mindestens 30 Einbruch- bzw. Einschleichdiebstähle mit einer Deliktssumme von über Fr. 40'000.-- begangen haben. A.________ wurde am 12. Dezember 2016 verhaftet und anschliessend in Untersuchungshaft versetzt. Diese wurde in der Folge wiederholt bestätigt, wobei angenommen wurde, es bestehe neben dem unbestrittenen Tatverdacht Wiederholungs- bzw. Fortsetzungsgefahr. Am 19. Mai 2017 bewilligte die Staatsanwaltschaft das Gesuch um Versetzung in den vorzeitigen Strafvollzug; seit dem 26. Mai 2017 befindet sich A.________ im Vollzug in der offenen Anstalt Gmünden.
Mit Vollzugsbericht vom 17. Juli 2017 ersuchte die Strafanstalt Gmünden das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen um die Bewilligung von Ausgängen und/oder Urlauben für A.________. Dieses wies das Gesuch am 25. August 2017 ab.
Am 16. November 2017 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die Beschwerde von A.________ gegen diese Departementalverfügung ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 16. Januar 2018 beantragt A.________, diesen Entscheid der Anklagekammer aufzuheben und ihm die Vollzugsöffnung zu gewähren.
C.
Die Anklagekammer verzichtet auf Stellungnahme. Das Amt für Justizvollzug beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer liess sich innert Frist nicht mehr vernehmen.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid der Anklagekammer in einer Haftsache. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung von Hafterleichterungen (Ausgang bzw. Urlaub) während des vorzeitigen Strafvollzugs in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde unter dem angeführten Vorbehalt einzutreten ist.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer befindet sich in Sicherheitshaft, weil nach der Auffassung der Anklagekammer Wiederholungs- bzw. Fortsetzungsgefahr im Sinn von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO besteht. Davon ist auch im vorliegenden Verfahren auszugehen, da die Fortführung der Haft als solche nicht in Frage steht. Bestehen aber Haftgründe, die einer Haftentlassung entgegenstehen, so ist dementsprechend auch die Gewährung von Hafturlauben mit dem Untersuchungs- und Sicherungszweck der strafprozessualen Sicherheitshaft grundsätzlich nicht vereinbar. Dass diese unter dem Regime des vorzeitigen Strafvollzugs durchgeführt wird, ändert daran nichts. Hafturlaube aus der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft kommen daher, wenn überhaupt, höchstens ausnahmsweise und unter besonderen Vorkehren zur Sicherung des Haftzwecks - zu denken wäre etwa an einen begleiteten Urlaub zur Wahrnehmung einer unaufschiebbaren Verpflichtung - in Betracht.
2.2. Eine solche Konstellation, in der die Gewährung von Hafturlauben bereits vor einer rechtskräftigen Verurteilung allenfalls in Frage käme, liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer möchte vielmehr Hafturlaub für die Pflege der Beziehung zu seiner Freundin und zu seiner Familie, wie er im regulären Vollzug im Hinblick auf die Wiedereingliederung unter bestimmten Voraussetzungen gewährt werden kann. Dem steht jedoch, wie sich aus dem Vorstrafenregister ergibt, gerade in seinem Fall der Haftzweck entgegen:
Der Beschwerdeführer wurde am 11. April 2007 wegen mehrfachen Diebstahls, Hausfriedensbruchs, etc. zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt, am 1. Juli 2007 wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen, am 20. November 2011 wegen gewerbsmässigen Diebstahls etc. zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten und am 16. Juli 2012 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten. Zu diesen Verurteilungen in der Schweiz kommen noch zwei Verurteilungen in Österreich, wo er in Feldkirch am 3. März 2005 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen und am 20. September 2007 wegen gewerbsmässigen schweren Diebstahls und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt wurde. Daraus ist ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer bisher von Strafverfahren, Verurteilungen und Inhaftierungen nicht beeindrucken liess und jeweils bereits nach kurzer Zeit weiter delinquierte. Er wendet zwar ein, er könne seinen Hafturlaub in geordneten Verhältnissen bei seinen Schwestern oder seiner Freundin verbringen, welche ihn auch finanziell unterstützen würden, sodass er nicht darauf angewiesen sei, sich auf kriminelle Weise Geld zu beschaffen. Das überzeugt indessen schon deshalb nicht, weil seine Freundin B.________ und eine seiner Schwestern, C.________, vom Landesgericht Feldkirch am 20. September 2007 als Mitbeschuldigte verurteilt wurden. Mithin steht keineswegs von vornherein fest, dass ihn seine nächsten Bezugspersonen von Straftaten abhalten könnten.
2.3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt es auch keinen unauflöslichen Widerspruch dar, die Haft in einer offenen Anstalt zu vollziehen und ihm Hafturlaube mit der Begründung zu verweigern, dass er rückfällig werden könnte. Ganz offensichtlich kommt der Beschwerdeführer einigermassen gut zurecht mit den Einschränkungen und Regeln, die er im Strafvollzug zu beachten hat, kann den Gefängnisalltag weitgehend unauffällig bewältigen und bietet kaum Anlass zu Klagen. Ausserhalb dieses festen Rahmens hat der Beschwerdeführer dagegen offenkundig Mühe, ein geregeltes Leben zu führen. Es ist damit nicht zu beanstanden, dass die Anklagekammer dem Beschwerdeführer die Gewährung von Hafturlauben zurzeit verweigert. Das gilt umso mehr, als die Staatsanwaltschaft am 20. Dezember 2017 Anklage erhoben hat und die Hauptverhandlung daher in absehbarer Zeit durchgeführt werden wird, sodass es auch unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten vertretbar erscheint, dem Beschwerdeführer bis dahin keine Vollzugserleichterungen im Sinn von Hafturlauben zu gewähren. Die Beschwerde ist abzuweisen.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches gutzuheissen ist, da die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgewiesen scheint und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
2.1. Es werden keine Kosten erhoben.
2.2. Rechtsanwalt Eugen Koller wird für das bundesgerichtliche Verfahren als unentgeltlicher Rechtsvertreter eingesetzt und mit Fr. 1'500.-- aus der Gerichtskasse entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Februar 2018
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Störi