Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_825/2017
Urteil vom 27. Februar 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
2. Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege (Massnahmevollzug),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 15. Juni 2017 (SK 17 188 SET).
Sachverhalt:
A.
Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland verurteilte X.________ am 9. Februar 2011 wegen einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand, Tätlichkeit, Sachbeschädigung und Irreführung der Rechtspflege zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten. Der Vollzug der Strafe wurde zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 24. Juni 2011 im Wesentlichen die erstinstanzlichen Schuldsprüche und erkannte auf eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten, die es zugunsten einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB aufschob, sowie zu einer Busse von Fr. 800.--.
Am 9. September 2016 verlängerte das Regionalgericht die stationäre Massnahme um vier Jahre, was X.________ mit Beschwerde anfocht. Am 9. November 2016 wies die Verfahrensleitung des Obergeri chts ein Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab.
Am 17. Mai 2016 wies das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern, Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug (ASMV), X.________ per 19. Mai 2016 in das Zentrum für stationäre forensische Therapie Rheinau ein. Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM) am 13. September 2016 ab, soweit sie auf die Beschwerde eintrat und sie nicht gegenstandslos geworden war. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht am 27. Januar 2017 ab.
Eine gegen den Obergerichtsentscheid erhobene Beschwerde in Strafsachen hiess das Bundesgericht am 8. Mai 2017 insoweit gut, als das Obergericht die von X.________ beanstandete Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung im Sinne von Art. 59 Abs. 3 StGB (im Wesentlichen unter Hinweis auf die im September 2016 im Anschluss an die Unterbringung folgende gerichtliche Beurteilung der Verlängerung der Massnahme) nicht überprüft hatte. Das Bundesgericht wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Verfahren 6B_297/2017).
B.
X.________ beantragte im Rückweisungsverfahren die sofortige Beurteilung seines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege. Das wieder mit der Sache befasste Obergericht wies den Antrag am 15. Juni 2017 ab. Am 31. August 2017 sistierte es sein Verfahren bis zur Erledigung des vorliegenden Verfahrens.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt in der Hauptsache, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und es sei ihm für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Beschluss ist kein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Er schliesst das Verfahren nicht ab, sondern weist den Antrag um sofortige Beurteilung des Armenrechtsgesuchs ab. Er ist mithin ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG. Nach Art. 93 BGG ("Andere Vor- und Zwischenentscheide") ist gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide die Beschwerde unter anderem zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Abs. 1 lit. a; vgl. dazu BGE 143 III 416 E. 1.3 S. 419; 141 IV 289 E. 1.2 S. 291 f.; je mit Hinweisen). Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen solchen Nachteil zur Folge (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338 mit Hinweisen; s. auch BGE 140 IV 202 E. 2 S. 203 ff.). Dies trifft auch hier zu. Aufgrund der unbeantworteten Frage nach der Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung bleibt das finanzielle Verfahrensrisiko im Dunkeln. Als Konsequenz muss der Beschwerdeführer seine Interessen im vorinstanzlichen Verfahren möglicherweise ohne den Beistand seines Anwalts wahrnehmen, was einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Antrag des Beschwerdeführers um sofortige Beurteilung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu Recht abweist.
2.1. Die Vorinstanz erwägt, die Pflicht der Behörde, über ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung vorab zu entscheiden, bestehe, wenn der Gesuchsteller weitere Schritte unternehmen müsse, die mit erheblichen Kosten verbunden seien. Nach der Rückweisung durch das Bundesgericht sei dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden, zum Bundesgerichtsentscheid vom 8. Mai 2017 Stellung zu nehmen. Nachdem die POM und die Generalstaatsanwaltschaft auf eine Stellungnahme verzichtet hätten und der Beschwerdeführer sich bereits im ersten obergerichtlichen Verfahren eingehend zur hier zu beurteilenden Frage geäussert habe, sei nicht mit erheblichen Kosten zu rechnen. Die Voraussetzungen für eine vorausgehende Beurteilung des Gesuchs um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege seien nicht erfüllt (Entscheid S. 2 f.).
2.2. Der Beschwerdeführer rügt, es sei aktenwidrig und willkürlich, dass keine anwaltlichen Vorkehrungen mehr nötig oder mit den weiteren Eingaben nur geringfügige Kosten verbunden wären. Es müssten immerhin noch Anträge formuliert und begründet werden. Die Vorinstanz verletze Art. 29 Abs. 3 BV. Über ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung sei in der Regel zu entscheiden, bevor der Gesuchsteller weitere, in erheblichem Masse Kosten verursachende prozessuale Schritte unternehme (Beschwerde S. 5 ff.).
2.3. Der Grundsatz, dass über ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung in der Regel zu entscheiden ist, bevor der Gesuchsteller weitere, in erheblichem Masse Kosten verursachende prozessuale Schritte unternimmt, gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in denjenigen Fällen, in denen der Rechtsvertreter nach Einreichung des Gesuchs gehalten ist, weitere Verfahrensschritte zu unternehmen (Urteil 5A_62/2016 vom 17. Oktober 2016 E. 5.2 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 142 III 713).
2.4. Hält der Beschwerdeführer wiederholend fest, es treffe nicht zu, dass keine weiteren anwaltlichen Vorkehrungen nötig seien, geht die Rüge an der Sache vorbei. Was der Beschwerdeführer bestreitet, nimmt die Vorinstanz nicht an.
Vielmehr hält die Vorinstanz fest, dass dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zum bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid vom 8. Mai 2017 gewährt wurde. Dazu ist Folgendes festzuhalten. Das Bundesgericht erwog im genannten Urteil, die Vorinstanz sei ihrer Verpflichtung zur Entscheidbegründung nicht nachgekommen. Sie lege nicht dar, dass und weshalb die Voraussetzungen von Art. 59 Abs. 3 StGB vorgelegen hätten. Die Vorinstanz werde deshalb die Unterbringung gestützt auf Art. 59 Abs. 3 StGB prüfen und ihren Entscheid diesbezüglich begründen müssen (Urteil 6B_297/2017 vom 8. Mai 2017 E. 2.3). Mit Blick auf diese Erwägungen war die Vorinstanz grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör einzuräumen. Ob die kantonale Instanz den Parteien das rechtliche Gehör gewähren und beispielsweise einen weiteren Schriftenwechsel anordnen muss, bestimmt sich praxisgemäss je nach dem Inhalt des Rückweisungsentscheids im konkreten Fall. Allgemein erscheint eine erneute Anhörung als notwendig, wenn der Sachverhalt ergänzt wird, wenn der kantonalen Instanz ein weiter Ermessensspielraum bleibt oder wenn die rechtliche Beurteilung im bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid derart vom angefochtenen Entscheid abweicht, dass im Neubeurteilungsverfahren von einer grundsätzlich neuen Lage ausgegangen werden muss (Urteil 5A_101/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 4.3 mit Hinweisen). Räumt die Vorinstanz dem Beschwerdeführer gleichwohl die Möglichkeit ein, zum bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid Stellung zu nehmen, gilt es hier nach ihren zutreffenden Erwägungen zu berücksichtigen, dass die POM und die Generalstaatsanwaltschaft auf eine (begründete) Eingabe verzichtet haben und sich der Beschwerdeführer in seiner früheren Beschwerde vom 20. Oktober 2016 zur Einweisung im Sinne von Art. 59 Abs. 3 StGB bereits geäussert hat. Richtig ist, dass die POM einen Antrag stellte, was den Beschwerdeführer veranlasst, den vorinstanzlichen Entscheid als aktenwidrig und willkürlich zu bezeichnen. Die Rüge ist unbegründet. In der Sache machte die POM keine zusätzlichen Ausführungen, worauf die Vorinstanz implizit verweist.
Nicht erkennbar ist, dass und inwiefern
zur Frage der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung im Mai 2016neue Tatsachen vorliegen würden, die weitere Vorkehrungen nötig machten. Gegenteiliges thematisiert weder die Vorinstanz noch der Beschwerdeführer. Dieser macht undifferenziert geltend, es werde notwendig sein, "noch einmal die relevanten Eingaben zu lesen, allenfalls auf die relevanten Aktenstücke zu verweisen und neue Anträge zu formulieren". Damit ist er nicht zu hören (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ).
Auch die weiteren Argumente des Beschwerdeführers dringen nicht durch (vgl. Beschwerde S. 6 f.). Die Vorinstanz hat sein Armenrechtsgesuch offensichtlich nicht abgewiesen. Nichts für seinen Standpunkt abzuleiten vermag er aus dem Umstand, dass er möglicherweise die kantonalen Verfahrenskosten zu tragen hat. Der aus Art. 29 Abs. 3 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege kann sich nur auf die (einstweilige) Befreiung von Kosten beziehen, welche den Zugang zum Verfahren beschränken oder erschweren. Dazu zählt in erster Linie die Verpflichtung zur Leistung von Kostenvorschüssen oder anderer Sicherheitsleistungen, die vom Gesetz im Hinblick auf die weitere Durchführung des Verfahrens vorgesehen, hier aber nicht Verfahrensgegenstand sind. Ist das Verfahren respektive das Rechtsmittelverfahren indessen abgeschlossen, steht Art. 29 Abs. 3 BV einer Kostenauflage nicht entgegen (Urteil 6B_847/2017 vom 7. Februar 2018 E. 5).
2.5. Zusammenfassend waren keine weiteren prozessualen Schritte zu unternehmen, die mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wären. Der vorinstanzliche Entscheid, das Armenrechtsgesuch noch nicht zu beurteilen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2.6. Die Vorinstanz musste entgegen dem Dafürhalten des Beschwerdeführers nicht festhalten, ab welcher Höhe der Kosten eine vorausgehende Beurteilung des Gesuchs angezeigt gewesen wäre. Unabhängig davon erlaubte ihr Entscheid dem Beschwerdeführer, dass er sich über seine Tragweite Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Tatsache an die höhere Instanz weiterziehen konnte. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor (vgl. betreffend die Anforderungen an die Entscheidmotivation BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70 f. mit Hinweisen).
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Mangels Ausführungen zur Vermögenssituation kommt eine Reduktion der Gerichtskosten nicht in Betracht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Februar 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Faga