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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_17/2017
Urteil vom 15. März 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Attinger.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Keller,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Abgekürztes Verfahren, Revision,
Beschwerde gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 18. November 2016 (SR160012-O/U/jv).
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 10. April 2013 im abgekürzten Verfahren der Gehilfenschaft zu Betrug und der Geldwäscherei schuldig. Es verurteilte ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten. Den zu vollziehenden Teil setzte es auf 15 Monate fest, welche durch Untersuchungshaft sowie vorzeitigen Strafvollzug von insgesamt 475 Tagen bereits erstanden waren.
B.
X.________ stellte am 12. Mai 2016 ein Revisionsgesuch. Darauf trat das Obergericht des Kantons Zürich am 18. November 2016 nicht ein.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und sein Revisionsgesuch sei gutzuheissen. Die Sache sei zur neuen Behandlung und Beurteilung an das Bezirksgericht, eventuell an das Obergericht zurückzuweisen. Überdies ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat sich nicht vernehmen lassen.
D.
Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit am 15. März 2018 an einer öffentlichen Sitzung beraten.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO eine Bundesrechtsverletzung geltend. Entgegen der Auffassung des Obergerichts sei ein Revisionsgrund im Sinne dieser Bestimmung gegeben, stehe doch das Urteil des Bezirksgerichts vom 10. April 2013 in unverträglichem Widerspruch zu einem späteren, den gleichen Sachverhalt betreffenden Strafentscheid. Laut genanntem, im abgekürzten Verfahren ergangenen Urteil habe er den Betrug als Gehilfe des Haupttäters Y.________ begangen. Dieser sei indessen für die inkriminierten Sachverhalte nicht wegen Betrugs und Geldwäscherei, sondern lediglich wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten gemäss Art. 141bis in Verbindung mit Art. 29 StGB verurteilt worden. Weil es sich bei dieser Vortat nicht um ein Verbrechen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 StGB handle, sei Y.________ vom Vorwurf der Geldwäscherei freigesprochen worden (Urteile von Bezirks-, Ober- und Bundesgericht vom 24. Februar 2014, 26. Mai 2015 und 13. April 2016). Somit sei er selber wegen Gehilfenschaft zu einem Delikt (Betrug) verurteilt worden, welches gar nie begangen worden sei. Die Verurteilung wegen Geldwäscherei hätte nach dem Gesagten ebenfalls nicht erfolgen dürfen.
1.2. Das abgekürzte Verfahren wird in Art. 358-362 StPO geregelt. Die beschuldigte Person kann der Staatsanwaltschaft bis zur Anklageerhebung die Durchführung des abgekürzten Verfahrens beantragen, wenn sie den Sachverhalt, der für die rechtliche Würdigung wesentlich ist, eingesteht und die Zivilansprüche zumindest im Grundsatz anerkennt (Art. 358 Abs. 1 StPO). Die Anklageschrift enthält unter anderem das Strafmass und den Hinweis an die Parteien, dass diese mit der Zustimmung zur Anklageschrift auf ein ordentliches Verfahren sowie auf Rechtsmittel verzichten (Art. 360 Abs. 1 lit. b und h StPO). Die Staatsanwaltschaft eröffnet die Anklageschrift den Parteien. Diese haben innert zehn Tagen zu erklären, ob sie der Anklageschrift zustimmen oder sie ablehnen. Die Zustimmung ist unwiderruflich (Art. 360 Abs. 2 StPO). In der Hauptverhandlung findet kein Beweisverfahren statt (Art. 361 Abs. 4 StPO). Mit der Berufung gegen ein Urteil im abgekürzten Verfahren kann eine Partei nur geltend machen, sie habe der Anklageschrift nicht zugestimmt oder das Urteil entspreche der Anklageschrift nicht (Art. 362 Abs. 5 StPO). Die beschränkte Rechtsmittelmöglichkeit hängt mit dem summarischen Charakter des abgekürzten Verfahrens zusammen. Da die Parteien der Anklageschrift im Wissen um die Folgen zustimmen, ist die Beschränkung der Berufungsgründe rechtsstaatlich akzeptabel (BGE 143 IV 122 E. 3.2.1 S. 123; 142 IV 307 E. 2.4 S. 311 mit Hinweis).
1.3. Das Bundesgericht stellte in Übereinstimmung mit der einhelligen Lehre fest, dass entgegen dem Wortlaut von Art. 360 Abs. 1 lit. h StPO bei strafbarer Einwirkung auf das abgekürzte Verfahren ein Revisionsgrund vorliegt (Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO). Dass der Gesetzgeber solches ausschliessen wollte, kann nicht sein. Gleiches gilt bei schwerwiegenden Willensmängeln. Solche Gründe können im Rahmen der eingeschränkten Berufung vorgebracht werden; sie sind auch als Revisionsgründe zuzulassen. In diesem Sinne sind Beweismittel zur Zulässigkeit des abgekürzten Verfahrens (Art. 362 Abs. 5 StPO) zulässig. Dies widerspricht weder Sinn und Zweck des abgekürzten Verfahrens noch - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - dem Willen des Gesetzgebers (BGE 143 IV 122 E. 3.2.5 S. 127).
Anders verhält es sich bei neuen Tatsachen und Beweismitteln. Sie sind gestützt auf den Gesetzeswortlaut als Revisionsgründe unzulässig, was auch in der Botschaft des Bundesrates ausdrücklich festgehalten wird (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1297 Ziff. 2.8.3; ebenso der Begleitbericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom Juni 2001 zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung S. 235). In diesem Sinne ist der Wille des Gesetzgebers klar. Der Ausschluss stimmt mit der Natur des abgekürzten Verfahrens überein, weshalb der überwiegenden Lehrmeinung zu folgen ist. Neue Tatsachen und Beweismittel sind mit einem fehlenden Beweisverfahren (Art. 361 Abs. 4 StPO) unvereinbar (BGE 143 IV 122 E. 3.2.5 S. 127 f.). An zitierter Stelle verweist das Bundesgericht auf Marc THOMMEN, WONACH die Zulassung der Revisionsrüge im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO zum Wesen des Kurzverfahrens quer steht, und nicht berücksichtigte Beweise angesichts eines fehlenden Beweisverfahrens systemimmanent sind (Kurzer Prozess - fairer Prozess?, 2013, S. 212).
1.4. Bisher nicht näher geprüft hat das Bundesgericht die in der Lehre teilweise aufgeworfene Frage, ob neue Beweismittel zur Schuldfähigkeit zulässig sind (vgl. BGE 143 IV 122 E. 3.2.2 S. 125). Dasselbe gilt hinsichtlich der hier zu beantwortenden Frage, ob die Revision eines Urteils im abgekürzten Verfahren aufgrund eines unverträglichen Widerspruchs mit einem späteren Entscheid im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO zulässig ist. Die diesbezüglichen Lehrmeinungen gehen auseinander (bejahend: JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, N. 17083; Yvan Jeanneret, Les procédures spéciales dans le Code de procédure pénale suisse, in: La procédure pénale fédérale, 2010, S. 184 f.; Ariane KAUFMANN, Das abgekürzte Verfahren bei mehreren Tatbeteiligten, recht 2009 S. 156 Fn. 42; Bertrand Perrin, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 18 Fn. 20 zu Art. 362 StPO; Christian SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO] [nachfolgend: Zürcher StPO-Kommentar], 2. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 362 StPO; Thomas FINGERHUTH, Zürcher StPO-Kommentar, a.a.O., N. 21 zu Art. 410 StPO; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 39 zu Art. 362 StPO; Miriam Mazou, La procédure simplifiée dans le nouveau Code de procédure pénale: principes et difficultés, ZStrR 129/2011 S. 20; Kuhn/Perrier, Quelques points problématiques du Code de procédure pénale suisse, Jusletter vom 22. September 2008, Rz. 31 f.; André Kuhn, La procédure pénale suisse selon le CPP unifié, ZSR 128/2009 II S. 170; vgl. auch Robert Braun, Strafprozessuale Absprachen im abgekürzten Verfahren, 2003, S. 96 f.; verneinend: MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung [nachfolgend: Basler StPO-Kommentar], 2. Aufl. 2014, N. 95 zu Art. 410 StPO; GREINER/JAGGI, in: Basler StPO-Kommentar, a.a.O., N. 54 zu Art. 362 StPO; Schmid/jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 3. Aufl. 2017, N. 15 zu Art. 362 StPO; dieselben, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 3. Aufl. 2017, N. 1587 Fn. 373).
1.5. Informelle Absprachen zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten sind seit jeher bekannt. Der Gesetzgeber erachtete es als ehrlicher, für derartige Absprachen gesetzliche Regelungen zu schaffen, anstatt eine solche Möglichkeit zwar gesetzlich nicht vorzusehen, sie aber in der Rechtswirklichkeit zu tolerieren (BGE 142 IV 307 E. 2.5 S. 311). Die Art. 358-362 StPO bilden gesetzliche Grundlage für ein abgekürztes Verfahren, das im Wesentlichen auf der Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem beruht. Diese einigen sich auf einen Sachverhalt und dessen rechtliche Subsumtion sowie auf die auszufällende Sanktion und allfällige weitere Nebenfolgen. Im Interesse einer einvernehmlichen Lösung verzichten sie gegenseitig auf eine abschliessende Klärung aller offenen Fragen und nehmen damit gewisse Unsicherheiten bewusst in Kauf (BGE 142 IV 307 E. 2.4 S. 311). Die Parteien erklären sich nicht nur mit dem abgekürzten Verfahren und dem Schuldspruch einverstanden, sie verzichten auch auf eine Reihe von Verfahrensrechten (MARC THOMMEN, a.a.O., S. 191 und 195). Damit kann der Beschuldigte, der sich auf ein abgekürztes Verfahren einlässt, nicht mit einem Beschuldigten gleichgestellt werden, der nach einem ordentlichen Verfahren das Urteil akzeptiert und auf ein Rechtsmittel verzichtet. Das abgekürzte Verfahren wird für die beschuldigte Person kalkulierbarer und verschafft ihr ein "Sicherheitsgefühl" (BGE 142 IV 307 E. 2.6 S. 312 mit Verweis auf REGULA SCHLAURI, Die abgekürzten Verfahren in den Strafprozessordnungen der Kantone Baselland und Tessin [...], in: Strafrecht als Herausforderung, 1999, S. 488).
1.6. Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO stellt einen absoluten Revisionsgrund dar, bei dessen Vorliegen der frühere Entscheid ungeachtet seiner materiellen Richtigkeit aufzuheben ist (HEER, a.a.O., N. 87 f. zu Art. 410 StPO; FINGERHUTH, a.a.O., N. 63 zu Art. 410 StPO; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch, a.a.O., N. 1598). Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der neuen Tatsachen oder Beweismittel gemäss Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO. Das diesbezüglich Festgestellte (E. 1.3 hievor in fine) gilt denn auch gleichermassen für den Revisionsgrund einander widersprechender Urteile: Er ist unvereinbar mit den dargelegten Grundsätzen des abgekürzten Verfahrens, weil angesichts der einvernehmlichen Festlegung des Sachverhalts durch die Parteien anderslautende spätere Entscheide (etwa bei Mittäterschaft oder Teilnahme) geradezu zum Wesen dieses summarischen Verfahrens gehören. Der Vorinstanz ist jedenfalls beizupflichten, wenn sie unter Hinweis auf Schmid/Jositsch erwägt, eine im abgekürzten Verfahren verurteilte Person könne nicht geltend machen, eine mitbeteiligte Person sei im ordentlichen Verfahren in einem der Anklagepunkte freigesprochen worden. Umgekehrt könne nämlich eine mitbeteiligte, nicht ins abgekürzte Verfahren einbezogene Person ebenfalls nicht geltend machen, eine darin einbezogene Person sei in einem bestimmten Anklagepunkt nicht verfolgt worden (Praxiskommentar, a.a.O., N. 15 zu Art. 362 StPO). In derartigen Fällen die Revision nach Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO zuzulassen hätte tatsächlich zur Folge, dass die Zustimmung zum abgekürzten Verfahren häufig widerrufen werden könnte und eine Rechtsmittelmöglichkeit ohne Frist geschaffen würde.
Der im abgekürzten Verfahren der Gehilfenschaft zu Betrug und der Geldwäscherei schuldig gesprochene Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO, weil der Haupttäter später im ordentlichen Verfahren lediglich wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten verurteilt wurde. Dies ist nach dem Gesagten unzulässig.
1.7. Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet, als geltend gemacht wird, anlässlich der Verhandlungen zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens sei dem Beschwerdeführer gar nichts anderes übrig geblieben als dieser Erledigungsform zuzustimmen, was den "Zugang zur Revision" eröffne. Mit der Vorinstanz ist zwar anzunehmen, dass der Beschwerdeführer ohne Zustimmung zum abgekürzten Verfahren mit der Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens hätte rechnen und wahrscheinlich weiterhin in Untersuchungshaft verbleiben müssen. Wie das kantonale Gericht indessen zutreffend feststellt, ist die dadurch entstandene Drucksituation auf die strafprozessualen Gegebenheiten zurückzuführen und kann nicht den Strafbehörden zum Vorwurf gemacht werden. Jedenfalls ist die Auffassung des Beschwerdeführers unhaltbar, wonach "zwar keine Nötigung im strafrechtlichen Sinne", wegen des "durch die Untersuchungshaft logischerweise" entstehenden Drucks aber dennoch ein Revisionsgrund vorliege.
1.8. Indem die Vorinstanz Revisionsgründe verneint, verletzt sie kein Bundesrecht. Sie tritt gestützt auf Art. 412 Abs. 2 StPO auf das Revisionsgesuch nicht ein. Bei der vorläufigen und summarischen Prüfung des Revisionsgesuchs im Sinne von Art. 412 StPO sind grundsätzlich die formellen Voraussetzungen zu klären. Das Gericht kann jedoch auf ein Revisionsgesuch auch nicht eintreten, wenn die geltend gemachten Revisionsgründe offensichtlich unwahrscheinlich oder unbegründet sind (BGE 143 IV 122 E. 3.5 S. 129). Eine Bundesrechtsverletzung macht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht geltend, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist.
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen. Es sind daher keine Gerichtskosten aufzuerlegen. Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Marcel Keller, wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. März 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Attinger