Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_208/2018
Urteil vom 6. April 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc-Antoine Kämpfen,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Rechtsdienst der Amtsleitung, Hohlstrasse 552, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Bedingte Entlassung nach Art. 86 StGB,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin, vom 28. Dezember 2017 (VB.2017.00451).
Sachverhalt:
A.
A.a. Das Geschworenengericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 29. November 2002 wegen Geiselnahme, versuchter Erpressung, bandenmässigen versuchten und vollendeten Raubes, versuchter vorsätzlicher Tötung, mehrfachen Verweisungsbruchs, Herstellens, Verbergens, Weiterschaffens von Sprengstoffen und mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz zu einer Zuchthausstrafe von 20 Jahren, wovon 924 Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft erstanden waren, und verwies ihn lebenslänglich des Landes. Weiter verpflichtete es ihn zu Schadenersatz- und Genugtuungszahlungen an verschiedene Geschädigte. Eine gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich ebenso ab, wie das Bundesgericht die Beschwerde in Strafsachen (Verfahren 6S.70/2004).
Mit Verfügung vom 29. Dezember 2004 widerrief das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (JUV) zudem die X.________ mit Entscheid des Consiglio di Vigilanza Lugano vom 12. Februar 1999 gewährte bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug und ordnete den Vollzug des noch nicht verbüssten Strafrests von 820 Tagen Zuchthaus an. Dem Entscheid vom 12. Februar 1999 zugrunde lagen das Urteil der Corte delle Assise Criminali di Lugano vom 24. März 1994, die X.________ zu 7 ½ Jahren Zuchthaus (abzüglich 145 Tagen bereits erstandenen Freiheitsentzugs) wegen wiederholten schweren Raubs etc. verurteilt hatte, sowie die Strafverfügung des Amtsstatthalteramts Hochdorf vom 24. August 1998, das ihn wegen Hehlerei, verbotenen Waffentragens etc. zu drei Monaten Gefängnis (abzüglich 31 Tagen bereits erstandenen Freiheitsentzugs) verurteilt hatte.
A.b. Zurzeit befindet sich X.________ in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies. Zwei Drittel der Strafen waren am 19. März 2015 verbüsst. Das ordentliche Strafende fällt auf den 16. August 2022.
B.
Das JUV verweigerte X.________ mit Verfügung vom 11. April 2017 die bedingte Entlassung.
Die Direktion der Justiz und des Innern wies den Rekurs von X.________ am 12. Juni 2017 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess seine Beschwerde am 28. Dezember 2017 teilweise gut und gewährte ihm für das Rekursverfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. Betreffend die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug wies es die Beschwerde ab.
C.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei in Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Dezember 2017 umgehend aus dem Strafvollzug zu entlassen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen. Die kantonalen Instanzen würden zu Unrecht davon ausgehen, dass von ihm eine gewisse Gefährlichkeit ausgehe. Tatsache sei jedoch, dass ein psychiatrisches Gutachten vorliege, das sich nicht so lese. Der Gutachter komme nämlich zum Schluss, es würden sich keine Hinweise ergeben, die bedingte Entlassung mit der Erwartung, dass sich die Legalprognose weiter verbessere, auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Er fahre weiter fort, unter dieser Annahme könne aus forensisch-psychiatrischer Sicht die Vorbereitung für eine bedingte Entlassung aus der Haft mit anschliessender Ausschaffung empfohlen werden. Der Beschwerdeführer rügt, die kantonalen Instanzen hätten die Akten falsch interpretiert. Sodann hätten sie, falls Unklarheiten bestanden hätten, diese durch eine neue Begutachtung klären lassen müssen. Schliesslich laufe der vorinstanzliche Entscheid dem Rechtsgrundsatz zuwider, dass die bedingte Entlassung das Prinzip darstelle, von dem nur bei Vorliegen besonderer Gründe abgewichen werden solle (Beschwerde S. 3 ff.).
1.2. Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ist der Gefangene nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Die bedingte Entlassung stellt die Regel dar, von der nur aus guten Gründen abgewichen werden darf. In dieser letzten Stufe des Strafvollzugs soll der zu entlassende Gefangene den Umgang mit der Freiheit erlernen. Diesem spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, denen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die bei einem allfälligen Rückfall bedrohten Rechtsgüter sind. Die (Legal-) Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Gefangenen während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt (BGE 133 IV 201 E. 2.3; 125 IV 113 E. 2.a; je mit Hinweisen). Im Sinne einer Differenzialprognose sind zudem die Vorzüge und Nachteile der Verbüssung der gesamten Strafe denjenigen einer Aussetzung eines (des letzten) Teils der Strafe gegenüberzustellen (BGE 124 IV 193 E. 4a S. 196 und E. 5b/bb S. 202).
Beim Entscheid über die bedingte Entlassung steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn sie ihr Ermessen über- oder unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt hat (BGE 133 IV 201 E. 2.3 mit Hinweisen). Wurde ein Gutachten eingeholt und stellt die Behörde darauf ab, unterliegt es der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Gericht darf in Fachfragen nur aus triftigen Gründen von einer Expertise abrücken und muss Abweichungen begründen (BGE 141 IV 369 E. 6.1 mit Hinweisen).
1.3. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Die formellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung (u.a. zeitliches Erfordernis, Verhalten im Vollzug) sind hier nicht strittig (Urteil S. 5 E. 3; Beschwerde S. 8 f. Ziff. 2.2). Das vom Beschwerdeführer neu eingereichte, undatierte Schreiben und die damit zusammenhängenden Ausführungen können nicht berücksichtigt werden (act. 3/7 und Beschwerde S. 11 f. Ziff. 2.4; Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz setzt sich mit den massgeblichen Kriterien zur Erstellung der Prognose über das künftige Wohlverhalten des Beschwerdeführers auseinander. Ihr kann keine rechtsverletzende Ermessensüberschreitung vorgeworfen werden, wenn sie gestützt darauf zum Schluss kommt, dem Beschwerdeführer könne keine günstige Prognose im Sinne von Art. 86 Abs. 1 StGB gestellt werden. Die Vorinstanz hält zutreffend fest, zwar sei das Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers seit mehreren Jahren als gut zu bezeichnen. Dies alleine spreche jedoch nicht für seine künftige Bewährung. Auch zusammen mit den positiv zu wertenden familiären Kontakten und den im Hinblick auf eine bedingte Entlassung geäusserten positiven Absichten, einer geregelten Arbeit nachzugehen und ein straffreies Leben zu führen, vermöge dies die Legalprognose nicht entscheidend zu verbessern. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei sein Vorleben bzw. seien die begangenen Straftaten nämlich ebenso relevant und ein wesentlicher Bestandteil bei der Erstellung der Legalprognose. Vorliegend falle dieser Aspekt besonders negativ ins Gewicht. Der Beschwerdeführer sei einschlägig vorbestraft und habe die Anlasstaten während der Probezeit der ihm per September 1999 gewährten bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug begangen. Zu beachten sei dabei, dass er im Zusammenhang mit dem Raubüberfall anfangs Mai 2000 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt worden sei, weil er auf eines der Opfer aus einer Maschinenpistole Schüsse abgegeben habe. Insofern erweise sich die Rüge des Beschwerdeführers, es gehe nicht an, mit dem Risiko zu rechnen, er könne bei einer bedingten Entlassung noch schlimmere als die verübten Delikte begehen, als unbehelflich. Stehe aber das hochwertige Rechtsgut von Leib und Leben infrage - das psychiatrische Gutachten spreche diesbezüglich immerhin von einem moderaten Rückfallrisiko - müsse auch ein geringes Rückfallrisiko nicht in Kauf genommen werden. Weiter seien sowohl gemäss dem Gutachter als auch der Therapeutin gewisse Verbesserungen im Hinblick auf die Legalprognose möglich, sodass auch die Differenzialprognose nicht gegen den (vorläufigen) Verbleib des Beschwerdeführers im Strafvollzug spreche. Zu berücksichtigen sei schliesslich, dass bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat die Anordnung von Weisungen und/oder Bewährungshilfe nicht infrage komme und ein Widerruf der bedingten Entlassung bei Nichtbewährung ausserhalb der Schweiz nur schwer vollstreckbar wäre (Urteil S. 11 f. E. 5.2).
Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass der Gutachter ausführt, aus seiner Sicht ergäben sich keine Hinweise, die bedingte Entlassung mit der Erwartung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, dass sich die Legalprognose signifikant weiter verbessere. Unter dieser Annahme könne aus forensisch-psychiatrischer [Sicht] die Vorbereitung für eine bedingte Entlassung aus der Haft mit anschliessender Ausschaffung empfohlen werden (Psychiatrisches Gutachten vom 28. April 2016 S. 15, act. 3/2). Trotzdem ist die vorinstanzliche Beurteilung der Bewährungsaussicht insgesamt und die Schlussfolgerung, ausgehend von den möglichen Straftaten sowie den betroffenen Rechtsgütern sei dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit den Vorrang einzuräumen, nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer scheint zu übersehen, dass derselbe Gutachter die Rückfallgefahr für Geiselnahme mit Erpressung als gering-moderat, für Erpressung ohne Geiselnahme als allenfalls moderat, für erneute Raubüberfälle mit ausgeprägterem Gewalt- bzw. Waffeneinsatz bis hin zur Gefahr tötungsnaher Handlungen als moderat, weniger schwer ausgeprägter Varianten als moderat-deutlich einstuft. Bezüglich Verstössen gegen den Landesverweis und gegen das Waffengesetz geht der Gutachter von einer moderat-deutlichen Rückfallgefahr aus (a.a.O. S. 13). Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers bestand für die Einholung eines Ergänzungs- oder Obergutachtens kein Anlass (vgl. Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 III 193 E. 4.3.1; BGE 106 IV 236 E. 2a; je mit Hinweisen). Nicht einzugehen ist sodann auf die Behauptung des Beschwerdeführers, sowohl der Gutachter als auch die Therapeutin hätten sich klar dahingehend geäussert, eine weitere therapeutische Behandlung und Betreuung seien obsolet (Beschwerde S. 10 Ziff. 2.3). Denn er setzt sich nicht mit der Erwägung der Vorinstanz auseinander, sowohl gemäss dem Gutachter als auch der Therapeutin seien gewisse Verbesserungen im Hinblick auf die Legalprognose möglich, sodass auch die Differenzialprognose nicht gegen den Verbleib des Beschwerdeführers im Strafvollzug spreche (Urteil S. 7 E. 4.2.1, S. 9 E. 4.2.3 und S. 12 E. 5.2).
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist mit einer reduzierten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. April 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini