BGer 6B_1286/2017 |
BGer 6B_1286/2017 vom 11.04.2018 |
6B_1286/2017 |
Urteil vom 11. April 2018 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Oberholzer,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiberin Siegenthaler.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Marino Di Rocco,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Landesverweisung (Art. 66a StGB),
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 1. September 2017 (SB170257-O/U).
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Sachverhalt: |
A. |
Am 12. Januar 2017 verurteilte das Bezirksgericht Zürich X.________, Staatsangehöriger der Dominikanischen Republik, wegen Verbrechens und Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten, wovon 16 Monate bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren. Zudem sprach es eine Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB für die Dauer von 7 Jahren aus.
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Seine Berufung gegen dieses Urteil beschränkte X.________ auf die angeordnete Landesverweisung. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung.
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Am 1. September 2017 sprach auch das Obergericht des Kantons Zürich eine Landesverweisung von 7 Jahren aus.
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B. |
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, er sei von der Nebenstrafe der Landesverweisung freizusprechen.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB verweist das Gericht einen Ausländer, der wegen einer der in lit. a-o aufgeführten strafbaren Handlungen verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz. Art. 66a Abs. 2 StGB sieht vor, dass das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen kann, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und das öffentliche Interesse an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegt. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.
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1.2. Die Vorinstanz erwägt (Urteil, S. 6 ff.), der Beschwerdeführer sei nicht nur des Vergehens, sondern auch des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. b und d i.V.m. Art. 19 Abs. 2 BetmG schuldig gesprochen und verurteilt worden. Dabei handle es sich um eine Katalogtat der obligatorischen Landesverweisung nach Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB, die in der Regel zur Landesverweisung des Täters führe. Bei der Prüfung, ob im konkreten Einzelfall ein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliege, seien insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen: Anwesenheitsdauer, familiäre Verhältnisse, die Arbeits- und Ausbildungssituation, die Persönlichkeitsentwicklung, der Grad der Integration und die Resozialisierungschancen. Bei allen Aspekten sei der Fokus einerseits auf die Situation in der Schweiz und andererseits auf die Situation im Heimatland zu legen. Härtefallbegründende Aspekte müssten grundsätzlich den Betroffenen selbst treffen. Bei Dritten auftretend seien sie nur zu berücksichtigen, wenn sie sich zumindest indirekt auch auf den Betroffenen auswirkten. Ein schwerer persönlicher Härtefall sei dann anzunehmen, wenn die Summe aller Schwierigkeiten den Betroffenen derart hart treffe, dass ein Verlassen der Schweiz bei objektiver Betrachtung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in seine Daseinsberechtigung führe. Ob ein solcher vorliege, sei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu eruieren.
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Der Beschwerdeführer lebe erst seit sechs Jahren zusammen mit seiner Ehefrau in der Schweiz und sei weder hier geboren noch aufgewachsen. Er habe in der Dominikanischen Republik gelebt und gearbeitet, bis er mit neunzehn Jahren in die Schweiz emigriert sei. Die prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend habe er demnach dort zugebracht. Er sei mit der Kultur seines Landes vertraut und verfüge auch noch über persönliche Kontakte. Abgesehen von seiner Ehefrau lebten die wichtigsten Bezugspersonen, seine Geschwister und seine Grossmutter, in der Dominikanischen Republik. Seine Muttersprache Spanisch beherrsche er besser als Deutsch. Insgesamt erscheine der Beschwerdeführer in seinem Heimatland stärker verwurzelt als in der Schweiz.
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Eine vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK verneint die Vorinstanz mit der Begründung, es erscheine nicht unmöglich, dass er mit seiner Ehefrau in der Dominikanischen Republik leben könnte. Seine Ehefrau sei zwar Schweizerin und erachte eine gemeinsame Zukunft nur in der Schweiz als möglich, doch spreche sie Spanisch und verfüge über eine Ausbildung, die es nicht als ausgeschlossen erscheinen lasse, dass sie auch in der Dominikanischen Republik eine Arbeitsstelle fände. Ausserdem stehe sie der Familie des Beschwerdeführers offenbar nahe.
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In Bezug auf die Arbeits- und Ausbildungssituation des Beschuldigten sei zu berücksichtigen, dass er seine Schulbildung in der Dominikanischen Republik erlangt habe. In der Schweiz habe er während rund fünfeinhalb Jahren bei der gleichen Arbeitgeberin gearbeitet, eine Weiterbildung absolviert und eine Beförderung zum Hilfskoch erhalten. Infolge der Haft sei ihm gekündigt worden, doch bereits kurz nach seiner Haftentlassung habe er wieder eine Arbeitsstelle gefunden. Seine Berufserfahrungen als Hilfskoch und seit Kurzem im Innenausbau dürften es ihm ermöglichen, auch in seiner Heimat wieder eine Arbeitsstelle zu finden.
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Von einer überaus positiven Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers in der Schweiz seit der Anlasstat, die durch eine Landesverweisung zunichte gemacht würde, könne nicht gesprochen werden, und seine Resozialisierungschancen seien sowohl in der Schweiz als auch in der Dominikanischen Republik intakt.
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Hinsichtlich seiner Integration sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit einer Schweizerin verheiratet sei, mit ihr ein Haus besitze, ein gutes Verhältnis zu ihrer Familie habe, bis zu seiner Verhaftung einer Arbeit nachgegangen sei und in seiner Freizeit Baseball in einem Club spiele. Von einer gewissen Integration könne vor diesem Hintergrund sicherlich gesprochen werden. Hingegen spreche der Beschwerdeführer nicht sehr gut Deutsch und sei auch bereits mit der hiesigen Rechtsordnung in Konflikt geraten. Da der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aufgewachsen und mit dem dortigen Leben vertraut sei, Spanisch seine Muttersprache sei und ausser seiner Ehefrau seine wichtigsten Bezugspersonen in der Dominikanischen Republik lebten, könnte er sich auch dort wieder integrieren.
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Unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Aspekte sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, die Schweiz zu verlassen. Die Schwierigkeiten, die ihn beim Verlassen der Schweiz träfen, seien nicht derart hart, dass sie zu einem unzumutbaren Eingriff in seine Daseinsbedingungen führen würden. Ein schwerer persönlicher Härtefall liege somit nicht vor.
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Und selbst wenn ein solcher Härtefall zu bejahen wäre, würde das öffentliche Interesse an der Landesverweisung des Beschwerdeführers seine privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz überwiegen. Er habe ein Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen und mit der von ihm besessenen Menge von 158.8 Gramm reinem Kokain, das er weiterzugeben beabsichtigte, potenziell die Gesundheit vieler Menschen gefährdet. Sein Tatverschulden habe die Erstinstanz als nicht mehr leicht eingestuft und ihn dementsprechend zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten verurteilt. Sie sei zwar nicht von einer ungünstigen Legalprognose ausgegangen, habe aber dennoch gewisse Bedenken gehabt, weshalb sie die Probezeit für den bedingten Teil der Strafe auf drei Jahre festgesetzt habe. Der Beschwerdeführer sei zwar nicht einschlägig, aber doch vorbestraft wegen Strassenverkehrsdelikten. Zusammengefasst stünden den gewichtigen öffentlichen Interessen an der Landesverweisung des Beschwerdeführers seine zwar nicht unerheblichen, aber doch geringeren privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz gegenüber. Demzufolge seien die Voraussetzungen für ein Absehen von der Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB nicht erfüllt.
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1.3. |
1.3.1. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden, die Vorinstanz verneint das Vorliegen eines persönlichen Härtefalls zu Recht.
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1.3.2. Daran vermögen die Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern - soweit sie überhaupt die Härtefallthematik betreffen und nicht lediglich die Entstehungsgeschichte von Art. 66a StGB wiedergeben oder die Sinnhaftigkeit einer Landesverweisung im Allgemeinen thematisieren. Was der Beschwerdeführer ausführt (dass er sich seit fast acht Jahren in der Schweiz aufhalte, stets beim selben Arbeitgeber angestellt gewesen sei, der ihn sehr geschätzt habe, dass er mit den hiesigen Verhältnissen vertraut sei und sich in der Schweiz integriert habe, seine Ehe mit einer Schweizerin etc.), hat die Vorinstanz in ihren Erwägungen bereits alles eingehend berücksichtigt, worauf verwiesen werden kann. Dass der Beschwerdeführer mit seiner Vorstrafe nun womöglich grössere Mühe haben wird, eine neue Anstellung zu finden, dürfte in der Schweiz nicht anders sein als in der Dominikanischen Republik, so dass dieser Umstand zur Begründung eines persönlichen Härtefalls nicht taugt.
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1.3.3. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 8 EMRK geltend.
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Die Rüge der Verletzung von Grundrechten muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, anderenfalls darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368; 142 II 206 E. 2.5 S. 210; 142 I 135 E. 1.5 S. 144; je mit Hinweisen).
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Der Beschwerdeführer hält lediglich pauschal fest (Beschwerde, S. 11), seiner Ehefrau sei "klar nicht zumutbar", in die Dominikanische Republik auszuwandern. Ausserdem hätten sie beide sich schon bei der Hochzeit eine gemeinsame Zukunft in der Dominikanischen Republik nicht vorstellen können, und jetzt, da sie "ein gemeinsames Haus erworben und Pläne für den Nachwuchs geschmiedet" hätten, sei es "wohl für beide unmöglich, auf diesen Entscheid zurückzukommen". Damit setzt er sich mit der Argumentation im angefochtenen Entscheid, weshalb es seiner Ehefrau trotz allem zumutbar sei, in seine Heimat auszuwandern, nur ungenügend auseinander. Er begründet die behauptete Grundrechtsverletzung nur ungenügend, weshalb auf das Vorbringen nicht weiter einzugehen ist.
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2. |
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. April 2018
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler
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