BGer 8C_240/2018
 
BGer 8C_240/2018 vom 03.05.2018
 
8C_240/2018
 
Urteil vom 3. Mai 2018
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Marco Albrecht,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (unentgeltliche Rechtspflege; Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 5. Februar 2018 (C-2436/2017).
 
Sachverhalt:
A. A.________, geb. 1961, deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, meldete sich am 20. März 2013 bei der IV für den Leistungsbezug an. Infolge Unerreichbarkeit des Versicherten, stellte die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) am 21. November 2013 das Verfahren ein. Am 18. April 2016 teilte Rechtsanwältin B.________, Deutschland, der IVSTA mit, dass sie als Betreuerin des Versicherten ernannt worden sei. Daraufhin nahm die IVSTA das Verfahren wieder auf. Nach Abklärungen medizinischer und beruflicher Art stellte die IVSTA mit Vorbescheid vom 18. August 2016 A.________ die Abweisung seines Leistungsgesuchs in Aussicht. Am 9. September 2016 teilte Rechtsanwalt Marco Albrecht, Advokat, der IVSTA mit, dass er mit der Wahrung der Interessen des Versicherten betraut worden sei. Er erhob Einwand gegen den genannten Vorbescheid und beantragte die Ausrichtung einer vollen Invalidenrente, eventualiter seien weitere medizinische Abklärungen durchzuführen. Gleichzeitig ersuchte er um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Mit Verfügung vom 13. März 2017 wies die IVSTA das Gesuch ab.
B. Gegen diese Verfügung erhob der Versicherte Beschwerde, welche das Bundesverwaltungsgericht abwies. Es gewährte A.________ für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung von Advokat Marco Albrecht.
C. A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, es sei die Verfügung vom 13. März 2017 aufzuheben und ihm die unentgeltliche Verbeiständung im Vorbescheidverfahren zu bewilligen. Ferner ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
 
Erwägungen:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
2. Der vorinstanzliche Entscheid, welcher wie vorliegend ausschliesslich über den Anspruch der versicherten Person auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand für das (im Entscheidzeitpunkt weiterhin hängige) Verwaltungsverfahren befindet, stellt einen durch den Versicherten anfechtbaren Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar, droht ihm dadurch doch in aller Regel ein nicht wieder gutzumachender Nachteil, der auch mit einem für ihn günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar wäre (BGE 139 V 600 E. 2 S. 601 ff.; Urteile 8C_669/2016 vom 7. April 2017 E. 1 mit Hinweisen; 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 2.4.2, in: SVR 2015 IV Nr. 18 S. 53). Auf die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.
 
3.
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das Bundesverwaltungsgericht Bundesrecht verletzt hat, indem es die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren bestätigt hat.
3.2. Einer Gesuch stellenden Person wird ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt, wo die Verhältnisse es für das Verwaltungsverfahren erfordern (Art. 37 Abs. 4 ATSG; vgl. Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV). Kumulative Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung im Rahmen von Art. 37 Abs. 4 ATSG sind Bedürftigkeit, Nichtaussichtslosigkeit der Rechtsbegehren sowie sachliche Gebotenheit der Vertretung (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.). Insbesondere die Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung ist nur in Ausnahmefällen zu bejahen, weil im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt (Art. 43 ATSG), die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen also den rechtserheblichen Sachverhalt unter Mitwirkung der Parteien nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Objektivität, Neutralität und Gesetzesgebundenheit (BGE 136 V 376) zu ermitteln haben. Die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes rechtfertigt somit einen strengen Massstab, schliesst aber die sachliche Gebotenheit der unentgeltlichen Verbeiständung nicht grundsätzlich aus (BGE 125 V 32 E. 4b S. 36; vgl. auch BGE 130 I 180 E. 3.2 S. 183 f.). Es müssen sich schwierige Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Natur stellen. Zu berücksichtigen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, Eigenheiten der anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie weitere Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens. Neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts fallen auch bei der versicherten Person liegende Gründe in Betracht, etwa ihre Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden. Des Weiteren muss eine gehörige Interessenwahrung durch Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen ausser Betracht fallen (BGE 125 V 32 E. 4b S. 35, Urteile 8C_676/2015 vom 7. Juli 2016 E. 7.1, nicht publ. in BGE 142 V 342, 9C_ 680/2016 vom 14. Juni 2017 E. 4.1.1, 9C_29/2017 vom 6. April 2017 E. 1, 8C_931/2015 vom 23. Februar 2016 E. 3, publ. in: SVR 2016 IV Nr. 17 S. 50). Grundsätzlich geboten ist die Verbeiständung auch, falls ein besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung des Bedürftigen droht; andernfalls bloss, wenn zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen ist (BGE 130 I 182 E. 2.2 mit Hinweisen). Zu beachten ist ausserdem, dass die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 4 ATSG für die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren strenger sind als jene des Art. 61 lit. f ATSG, die für das Beschwerdeverfahren gelten (vgl. Urteile 8C_669/2016 vom 7. April 2017 E. 2.1, 8C_48/2015 vom 10. April 2015 E. 4.1, publ. in: ARV 2015 S. 161, und I 812/05 vom 24. Januar 2006 E. 4.3). Eine Rechtsprechung, die darauf hinausliefe, in praktisch allen oder den meisten Verwaltungsverfahren die Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung zu bejahen oder diese unter den gleichen Voraussetzungen wie im Beschwerdeverfahren zu gewähren, stünde im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung (vgl. Urteile 8C_676/2015 vom 7. Juli 2016 E. 7.2, nicht publ. in BGE 142 V 342, und I 631/06 vom 16. Oktober 2006 E. 3).
3.3. Die Frage der sachlichen Erforderlichkeit der anwaltlichen Verbeiständung ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177; Urteil 9C_436/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 3.3).
 
4.
4.1. Die Vorinstanz verneinte die sachliche Gebotenheit der unentgeltlichen Verbeiständung im Wesentlichen mit der Begründung, dass das vorliegende Verwaltungsverfahren weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten biete. Es handle sich um eine Erstanmeldung für den Bezug einer Invalidenrente. Solche Verfahren seien in der Regel nicht besonders komplex. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorbescheid nicht einverstanden sei, rechtfertige die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung nicht. Es lägen insbesondere auch keine umfangreichen Akten vor. Schliesslich könne allein bezüglich des Erkennens von Schwachstellen einer ärztlichen Expertise noch nicht von einer komplexen Fragestellung gesprochen werden. Zwar anerkannte die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer aufgrund der zahlreichen Folgen seines Alkoholkonsums nicht in der Lage sei, seine Interessen im Verwaltungsverfahren ohne Hilfe angemessen wahrzunehmen. Sie stellte indessen fest, dass die ihm in Deutschland bestellte Betreuerin (deutsche) Rechtsanwältin und somit durchaus in der Lage sei, die Interessen des Beschwerdeführers auch in rechtlicher Hinsicht angemessen zu vertreten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erwog das Bundesverwaltungsgericht, dass die besonderen Voraussetzungen für die ausnahmsweise Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren nicht erfüllt seien, weshalb das entsprechende Gesuch von der Vorinstanz zu Recht abgewiesen worden sei.
4.2. Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, dass sich im Vorbescheidverfahren schwierige rechtliche und tatsächliche Fragen stellten. So habe er einen negativen Vorbescheid bekommen, womit ein streitiges Verfahren vorliege. Zudem sei seine deutsche Betreuerin in keiner Weise mit dem Schweizer Recht und den hiesigen Gepflogenheiten vertraut, wodurch ihr eine sorgfaltspflichtgemässe Vertretung des Beschwerdeführers nicht möglich sei. Sodann sei eine medizinische Begutachtung veranlasst worden, in deren Zusammenhang ihm die Einstellung der medizinischen Abklärungen und ein Aktenentscheid angedroht worden seien. Auch diese Umstände rechtfertigten den Beizug eines Schweizer Rechtsanwalts. Schliesslich sei die unentgeltliche Verbeiständung unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit geboten, zumal erfahrungsgemäss die Vorinstanz nicht leichthin von ihrem einmal vertretenen Standpunkt abrücken werde.
4.3. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. In Frage steht die Verbeiständung im Rahmen eines nach Erstanmeldung zum IV-Leistungsbezug ergehenden Vorbescheidverfahrens. Dass sich dabei komplexe Rechtsfragen oder schwierige Fragen tatsächlicher Natur stellen würden, ist nicht ersichtlich. Insofern ist der Beschwerdeführer auch nicht schwerwiegender in seinen Interessen betroffen als es die meisten anderen Versicherten bei ihrer Erstanmeldung sind. Mit der Vorinstanz ist im Übrigen festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch eine vom Amtsgericht bestellte Betreuerin unterstützt wird, welche deutsche Rechtsanwältin ist. Gemäss Betreuerausweis umfasst ihr Aufgabenbereich insbesondere die Vertretung des Beschwerdeführers gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Sie vertritt den Beschwerdeführer im Rahmen ihres Aufgabenkreises sowohl gerichtlich wie auch aussergerichtlich. Der Betreuerausweis enthält keinen Hinweis auf eine Einschränkung mit Bezug auf den räumlichen Geltungsbereich. Wie oben dargelegt (E. 3.2) muss für die Gewährung der unentgeltlichen anwaltlichen Verbeiständung eine gehörige Interessenwahrung durch Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen ausser Betracht fallen (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201; Urteile 9C_29/2017 vom 6. April 2017 E. 1; 8C_669/2016 vom 7. April 2017 E. 2.1 je mit Hinweisen). Wenn gemäss Rechtsprechung der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu verwehren ist, sofern die gehörige Interessenwahrung durch Fachleute sozialer Institutionen, mithin oftmals nicht durch Juristen, wahrgenommen wird, muss dies auch gelten, wenn es sich bei der gerichtlich bestellten Betreuerin um eine Rechtsanwältin handelt, deren Aufgabe insbesondere auch darin besteht, den Betroffenen gegenüber Versicherungen und Sozialleistungsträgern zu vertreten. Die Tatsache, dass die deutsche Rechtsanwältin nicht gleichermassen über Kenntnisse des hiesigen Rechtssystems verfügt, vermag daran nichts zu ändern.
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, als sie die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung im Verwaltungsverfahren verneinte und die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung bestätigte.
5. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdeführer sind demnach die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Mai 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu