BGer 9C_132/2018 |
BGer 9C_132/2018 vom 14.05.2018 |
9C_132/2018 |
Urteil vom 14. Mai 2018 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless.
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Gerichtsschreiber Attinger.
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Verfahrensbeteiligte |
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Rückerstattung; Verwirkung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 19. Dezember 2017 (VBE.2017.653).
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Sachverhalt: |
A. A.________ bezog ab Dezember 2011 Ergänzungsleistungen (EL) zur Invalidenrente (Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Aargau vom 13. Dezember 2011). Sie wurden in der Folge jährlich neu berechnet. Im August 2016 leitete die Verwaltung eine periodische Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein, welche zutage förderte, dass die Ausgleichskasse seit Beginn der EL-Ausrichtung fälschlicherweise ein viel zu niedriges Erwerbseinkommen der Ehefrau berücksichtigt hatte, obwohl der Versicherte der seinerzeitigen Anmeldung die Steuererklärung mit der korrekten Lohnangabe für das Jahr 2010 beigelegt hatte. Die Neuberechnung ergab für den gesamten Zeitraum des EL-Bezugs einen Einnahmenüberschuss, weshalb die Ausgleichskasse rückwirkend jeglichen Anspruch verneinte und die unrechtmässig bezogenen Ergänzungsleistungen im Gesamtbetrag von Fr. 18'128.- von A.________ zurückforderte (Verfügung vom 22. November 2016). Weil mit der rückwirkenden Aufhebung der jährlichen Ergänzungsleistungen nachträglich auch der Anspruch auf Vergütung der Krankheitskosten entfiel, verlangte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 23. November 2016 auch diese Leistungen von insgesamt Fr. 6'738.35 zurück. A.________ erhob gegen beide Verfügungen Einsprache, welche die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 5. Juli 2017 abwies.
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B. Dagegen reichte A.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein mit dem sinngemässen Antrag, von der EL-Rückforderung von insgesamt Fr. 24'866.35 (jährliche Ergänzungsleistungen von Fr. 18'128.- plus Krankheitskostenvergütungen von Fr. 6'738.35) sei gänzlich abzusehen. Das Versicherungsgericht wies die Beschwerde insoweit ab, als es den Einspracheentscheid hinsichtlich der Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen jährlichen Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 18'128.- bestätigte. Zur Rückforderung betreffend der Vergütung von Krankheitskosten äusserte es sich nicht.
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C. Mit Beschwerde ans Bundesgericht lässt A.________ seinen vorinstanzlichen Antrag erneuern. Überdies lässt er um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne unentgeltlicher Prozessführung und Verbeiständung) ersuchen.
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Während die Ausgleichskasse ohne nähere Begründung auf Abweisung schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherungen nicht vernehmen lassen.
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Erwägungen: |
1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Rückerstattung der ihm vergüteten Krankheitskosten im Betrag von Fr. 6'738.35 wendet, ist darauf nicht einzutreten, weil die Vorinstanz darüber noch nicht befunden hat.
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2. Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass der Beschwerdeführer die ab Dezember 2011 bezogenen Ergänzungsleistungen - unabhängig von einem eigenen Verschulden - grundsätzlich zurückzuerstatten hat, weil ihm zufolge eines Einnahmenüberschusses solche Leistungen gar nie zustanden (Art. 25 Abs. 1 erster Satz ATSG [SR 830.1]; Art. 9 Abs. 1 ELG [SR 831.30]; BGE 140 V 521 E. 3 S. 526; 122 V 134). Der Versicherte stellt sich indessen auf den Standpunkt, die einjährige Verwirkungsfrist sei bereits verstrichen gewesen, als die Ausgleichskasse ihre Rückerstattungsverfügung vom 22. November 2016 erliess.
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3.
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3.1. Gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG erlischt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei den genannten Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen (BGE 140 V 521 E. 2.1 S. 525 mit Hinweisen).
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3.2. Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung richtig wiedergegeben, wonach mit Bezug auf den Beginn der einjährigen relativen Verwirkungsfrist nicht die tatsächliche, sondern die zumutbare Kenntnis des zur Rückforderung Anlass gebenden Sachverhalts massgebend ist. Fristauslösend ist dabei nicht das erstmalige unrichtige Handeln des Durchführungsorgans und die daran anknüpfende unrechtmässige Leistungsausrichtung. Vielmehr ist auf jenen Tag abzustellen, an dem die Verwaltung später - etwa aufgrund eines zusätzlichen Indizes - bei Beachtung der gebotenen und ihr zumutbaren Aufmerksamkeit sich hinsichtlich ihres Fehlers hätte Rechenschaft geben und erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung gegeben sind (BGE 139 V 570 E. 3.1 S. 572; 124 V 380 E. 1 S. 382 f.; 122 V 270 E. 5b/aa S. 275; 110 V 304 E. 2b in fine S. 306 f.; SVR 2015 EL Nr. 13 S. 37, 9C_585/2014 E. 4.1.2).
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Dieser Rechtsprechung liegt u.a. die Überlegung zugrunde, dass bei einer Neuberechnung der EL grundsätzlich bloss die dazu Anlass gebenden Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur zu beachten und zu berücksichtigen sind. Dagegen ist nicht jedes Mal bzw. lediglich bei entsprechenden Anhaltspunkten zu prüfen, ob die Angaben im Anmeldeformular seinerzeit auch richtig umgesetzt worden sind. Anders verhält es sich bei der periodischen, mindestens alle vier Jahre vorzunehmenden Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. Art. 30 ELV [SR 831.301]). Spätestens in diesem Zeitpunkt gilt eine allenfalls unrechtmässige Leistungsausrichtung als erkennbar, sodass die relative einjährige Verwirkungsfrist zu laufen beginnt, sobald der Rückforderungsanspruch als solcher und betragsmässig feststeht (BGE 139 V 570 E. 3.1 S. 572; SVR 2011 EL Nr. 7 S. 21, 9C_999/2009 E. 3.2.1). Darüber hinaus kann jedoch - mit Blick darauf, dass die Ergänzungsleistung in der Regel für die Dauer eines Jahres festgesetzt wird (Art. 9 Abs. 1 ELG; BGE 128 V 39) und somit jährlich neu zu berechnen ist - nicht von Gesetzes wegen schon von einer früheren zumutbaren Kenntnis der EL-Durchführungsstelle bezüglich einer allfälligen fehlerhaften erstmaligen Anspruchsberechnung und Leistungsfestsetzung ausgegangen werden. Eine jährliche Verifizierung jeder einzelnen Position in der EL-Berechnung stellte einen im Rahmen der Massenverwaltung kaum zu bewältigenden Aufwand dar, welchem Umstand der Verordnungsgeber mit Art. 30 ELV, wonach die wirtschaftlichen Verhältnisse periodisch, mindestens alle vier Jahre zu überprüfen sind, in gesetzeskonformer Weise Rechnung getragen hat (BGE 139 V 570 E. 3.1 S. 572 f.).
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4. Im Weitern hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass die streitige einjährige relative Verwirkungsfrist gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG nicht bereits abgelaufen war, als die Ausgleichskasse am 22. November 2016 ihre Rückforderungsverfügung erliess. Die (erste) periodische Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, welche zur Entdeckung des seinerzeitigen Versehens führte, war erst im August 2016 eingeleitet worden. Selbst wenn (mit Blick auf Art. 30 ELV) von einer Fristauslösung schon im Dezember 2015 auszugehen wäre (vier Jahre nach der ersten EL-Verfügung vom 13. Dezember 2011), stünde die Rechtzeitigkeit der Rückerstattungsverfügung vom 22. November 2016 ausser Frage. Soweit der Beschwerdeführer die einjährige Verwirkungsfrist hier unter Berufung auf eine "andere Sichtweise" bereits ab Frühjahr 2015 laufen lassen will kann ihm nicht gefolgt werden. Eine solche Lösung widerspräche in jedem Fall der dargelegten Rechtsprechung (E. 3.2 hievor), wonach eine unrechtmässige EL-Ausrichtung in der Regel vor Durchführung einer periodischen Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse als nicht erkennbar gilt (oder zumindest nicht vor Ablauf von vier Jahren seit der fehlerhaften Erstverfügung). Die vom Versicherten ferner angeführten Umstände lieferten - entgegen seiner Auffassung - allesamt keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Prüfung, ob die Angaben im Anmeldeformular seinerzeit auch richtig umgesetzt worden waren. Nur darauf kommt es im vorliegenden Zusammenhang an.
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5. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie sind indessen, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (im Sinne unentgeltlicher Prozessführung und Verbeiständung) erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen), einstweilen auf die Bundesgerichtskasse zu nehmen. Es wird jedoch ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Jan Herrmann wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
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4. Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
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5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 14. Mai 2018
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Der Gerichtsschreiber: Attinger
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