Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
9C_350/2017
Urteil vom 18. Mai 2018
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Williner.
Verfahrensbeteiligte
SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin,
A.________, vertreten durch B.________.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 3. April 2017 (200 16 1245 IV).
Sachverhalt:
A.
Die Mutter des 2000 geborenen A.________ meldete ihren Sohn am 1. Dezember 2005 unter Hinweis auf eine ausgeprägte ADHS mit Einschränkung der Wahrnehmung und Impulskontrolle bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und durchgeführtem Vorbescheidverfahren, an dem die SWICA Krankenversicherung AG (nachfolgend: SWICA) als obligatorische Krankenpflegeversicherung des A.________ teilgenommen hatte, verneinte die IV-Stelle des Kantons Bern das Vorliegen eines Geburtsgebrechens (Ziff. 405 des Anhangs zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen; GgV) und einen Anspruch auf medizinische Massnahmen nach Art. 12 IVG (Verfügung vom 18. November 2016).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde der SWICA wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 3. April 2017 ab.
C.
Die SWICA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei die IV-Stelle unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu verpflichten, für die Kosten der Psychotherapie ab dem 30. April 2016 aufzukommen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A.________ und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 142 II 369 E. 4.3 S. 380; 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (vgl. Urteil 9C_753/2015 vom 20. April 2016 E. 1).
1.2. Die Rüge des fehlerhaft festgestellten Sachverhalts bedarf einer qualifizierten Begründung. Es reicht nicht aus, in allgemeiner Form Kritik daran zu üben oder einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern. Die Rüge und ihre qualifizierte Begründung müssen in der Beschwerde selber enthalten sein. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt nicht (BGE 141 V 416 E. 4 S. 421 mit Hinweisen).
2.
2.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395; Urteil 9C_221/2016 vom 21. Juni 2016 E. 1.1). Echte Noven, d.h. Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid entstanden sind, sind vor Bundesgericht unzulässig (Urteile 8C_690/2011 vom 16. Juli 2012 E. 1.3 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 138 V 286, aber in: SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7; 9C_185/2016 vom 8. August 2016 E. 2).
2.2. Die Beschwerdeführerin legt im bundesgerichtlichen Verfahren einen Bericht des Dr. med. C.________, FMH Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, vom 15. Mai 2017 ins Recht. Dabei handelt es sich um ein echtes Novum, das von vornherein ausser Acht zu bleiben hat.
3.
3.1. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Geburtsgebrechens Ziff. 405 GgV nicht erfüllt sind und demnach kein Anspruch auf medizinische Massnahmen nach Art. 13 Abs. 1 IVG besteht. Streitig und zu prüfen ist hingegen der Anspruch des Versicherten auf medizinische Massnahmen nach Art. 12 IVG.
3.2. Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch von versicherten Personen vor dem 20. Altersjahr auf medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung (Art. 12 IVG) sowie zur ärztlichen Aufgabe bei der Invaliditätsbemessung (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 194 ff.) zutreffend dargelegt. Korrekt erwähnt der angefochtene Entscheid auch die zur Kostenübernahme einer Psychotherapie erlassenen Verwaltungsweisungen (Rz. 645-647/845-847.5 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung; KSME). Darauf wird verwiesen.
4.
4.1. Das kantonale Gericht stellte fest, eine "eigentliche Psychotherapie" habe erst mit dem Eintritt in die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie D.________ am 2. Februar 2016 begonnen. Weil es somit im Verfügungszeitpunkt an einer mindestens einjährigen intensiven fachgerechten Behandlung des Leidens im Sinne des KSME (Rz. 645-647/845-847.5) fehle, habe die IV-Stelle ihre Leistungspflicht zu Recht verneint.
4.2. Die in der Beschwerde erhobenen Einwände gegen die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung sind nicht stichhaltig und lassen sie nicht als offensichtlich unrichtig oder rechtsverletzend im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. E. 1 hievor) erscheinen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht gestützt auf die Einschätzung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD; Bericht vom 27. September 2016) sowie den Bericht des Dr. med. C.________ vom 15. September 2016 eine vor dem 2. Februar 2016 begonnene intensive fachgerechte Behandlung des Leidens verneinte. Der Kinder- und Jugendpsychiater hatte explizit darauf hingewiesen, im Zeitraum zwischen Juli 2015 und dem Eintritt in die Universitätsklinik D.________ sei lediglich versucht worden, das belastete Familiensystem zu coachen und zu stabilisieren. Eine eigentliche Psychotherapie habe indessen nicht stattgefunden. Die Beschwerdeführerin stützt ihre gegenteilige Auffassung - wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren - wesentlich auf die Rechnungen des Dr. med. C.________, worin Einzeltherapien abgerechnet worden seien. Sie verzichtet indessen auf eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglich massgeblichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid, wonach nicht die formale Bezeichnung der Leistung auf der Rechnung ("Psychotherapie") massgebend sei, sondern vielmehr, ob inhaltlich effektiv eine solche stattgefunden habe. Damit kommt sie ihrer (qualifizierten) Begründungspflicht (vgl. dazu E. 1.2 hievor) nicht nach. Es fehlen weitere Beweismittel, welche auf eine Bundesrechtswidrigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen schliessen liessen (vgl. dazu auch E. 2 hievor). Sie bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich.
4.3. An der Verbindlichkeit der vorinstanzlichen Feststellungen betreffend Beginn einer Psychotherapie im Sinne einer intensiven fachgerechten Behandlung ändert auch der Hinweis nichts, der Versicherte sei bereits vor dem 2. Februar 2016 medikamentös behandelt worden. Selbst wenn der Behauptung der Beschwerdeführerin gefolgt und davon ausgegangen würde, jegliche medikamentöse Behandlung sei ohne die Durchführung einer Psychotherapie nicht fachgerecht, liesse dies allein offensichtlich nicht den Umkehrschluss zu, eine (intensive und fachgerechte) solche habe auch tatsächlich stattgefunden. Dr. med. C.________ hatte denn im Bericht vom 6. Dezember 2015 auch explizit ausgeführt, eine Behandlung mit Strattera und Ritalin habe über Jahre stattgefunden, obwohl der Versicherte therapeutisch nicht ausreichend begleitet und behandelt worden sei.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 18. Mai 2018
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Der Gerichtsschreiber: Williner