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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_874/2017
Urteil vom 23. Mai 2018
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Frey,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung
(Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente; Revision),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 13. September 2017 (UV.2016.00198).
Sachverhalt:
A.
A.a. Der 1962 geborene A.________ war seit Februar 2001 bei der Unternehmung B.________ Akkordschalungen angestellt und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch unfallversichert. Am 2. April 2001 erlitt er bei einem Unfall eine inkomplette LWK1-Berstungsfraktur, eine Pilon-tibiale Fraktur rechts, eine dislozierte Sakrum- und Scaphoidfraktur links. Die Suva kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Mit Verfügung vom 27. August 2004 sprach sie dem Versicherten ab 1. April 2004 eine Invalidenrente bei einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 30 % zu. Mit Verfügung vom 29. Dezember 2004 berechnete sie die Invalidenrente neu ab 1. September 2004 als Komplementärrente zur Rente der Invalidenversicherung. Gegen beide Verfügungen erhob der Versicherte Einsprache. Diejenige gegen die erstgenannte Verfügung hiess die Suva in dem Sinne teilweise gut, als sie ihm zusätzlich eine Integritätsentschädigung von 15 % zusprach. Die Einsprache gegen die zweitgenannte Verfügung wies sie ab (Einspracheentscheid vom 29. November 2005). Diese Entscheide erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Mit Verfügung vom 21. Januar 2008 eröffnete die Suva dem Versicherten, die Integritätseinbusse sei um 15 % grösser geworden und setzte die Integritätsentschädigung neu fest. Auch diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
A.b. Am 20. Mai 2011 leitete die Suva ein Rentenrevisionsverfahren ein. Sie zog unter anderem das für die IV-Stelle des Kantons Zürich erstellte interdisziplinäre Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstituts (ABI) GmbH, Basel, vom 24. Mai 2012 bei. Mit Verfügung vom 5. Juni 2015 reduzierte die Suva die Invalidenrente des Versicherten ab 1. Juni 2013, indem sie nur noch von einer 27%igen Erwerbsunfähigkeit ausging; zudem forderte sie von ihm für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis 30. Juni 2015 ausgerichtete Leistungen im Betrag von Fr. 84'492.50 zurück. Seine Einsprache hiess sie insofern teilweise gut, als sie die Rückforderung aufhob; im Übrigen wies sie die Einsprache ab (Entscheid vom 14. Juli 2016).
B.
Die gegen den letztgenannten Entscheid erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. September 2017 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihm die gesetzlichen Leistungen zu entrichten. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Die Suva schliesst auf Beschwerdeabweisung.
Mit Verfügung vom 16. Februar 20187 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 22 UVG; Art. 34 Abs. 1 UVV; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132, 133 V 108, 130 V 343 E. 3.5 S. 349), den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V V 351 E. 3a S. 352) und den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Rentenherabsetzung ab 1. Juni 2013 mit Reduzierung des Erwerbsunfähigkeitsgrades von 100 % auf 27 % vor Bundesrecht standhält.
3.2. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, sie habe im invalidenversicherungsrechtlichen Revisionsverfahren mit Entscheid vom 5. August 2014 aufgezeigt, dass das interdisziplinäre (allgemein-internistische, psychiatrische und orthopädische) ABI-Gutachten vom 24. Mai 2012 die praxisgemässen Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage erfülle. Diesen Entscheid habe das Bundesgericht mit Urteil 8C_677/2014 vom 29. Oktober 2014 bestätigt. Gestützt auf dieses Gutachten habe sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers somatischerseits seit der Rentenzusprache im Jahr 2004 nicht wesentlich verändert. Demnach sei er aus orthopädischer Sicht seit 2003 in einer körperlich leichten leidensangepassten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig. In psychischer Hinsicht sei er laut der Beurteilung des Dr. med. C.________ vom 28. Januar 2004 nicht eingliederungsfähig gewesen. Laut dem ABI-Gutachten vom 24. Mai 2012 bestehe seit April 2012 keine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit für angepasste Tätigkeiten mehr. Die Einwände des Beschwerdeführers und die von ihm angerufenen Berichte der ihn behandelnden Psychotherapeutin ASPV Frau D.________ vermöchten hieran nichts zu ändern. Zusammenfassend sei somit gestützt auf dieses ABI-Gutachten davon auszugehen, dass eine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten und er nunmehr in einer leichten wechselbelastenden Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig sei.
4.
Dem kantonalen Gericht ist beizupflichten, dass das Bundesgericht im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren mit Urteil 8C_677/2014 vom 29. Oktober 2014 das ABI-Gutachten vom 24. Mai 2012 als voll beweiskräftig erachtet hat. Der Beschwerdeführer bringt keine substanziierten Einwände vor, die an dieser Einschätzung etwas zu ändern vermöchten. Demnach ist die vorinstanzlich festgestellte Verbesserung seiner Arbeitsfähigkeit bis zu diesem Gutachten erstellt.
5.
5.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, sein Gesundheitszustand habe sich seit dem ABI-Gutachten vom 24. Mai 2012 wieder verschlechtert. Für die Beurteilung ist der Sachverhalt massgebend, wie er sich bis zum Erlass des streitigen Einspracheentscheides vom 14. Juli 2016 entwickelt hat (BGE 143 V 168 E. 2 S. 170; 129 V 167 E. 1 S. 169).
5.2.
5.2.1. Der Beschwerdeführer führt - wie bereits vorinstanzlich - die Berichte der ihn behandelnden Psychotherapeutin ASPV Frau D.________ vom 12. (richtig 17.) Dezember 2012, 11. April 2013, 1. Juni 2015 und 26. Juni 2016 an. Er macht geltend, im zweitgenannten Bericht habe sie festgehalten, er leide an einer tiefen Depression und sei suizidgefährdet. Sie habe auf seine Angstzustände sowie die Somatisierung und Verstärkung seiner somatischen Beschwerden durch die psychischen Beschwerden hingewiesen. Im Bericht vom 26. Juni 2016 habe Frau D.________ ausgeführt, er leide an einer mittelgradigen Depression Dies weise auf psychosomatische Beschwerden oder auf eine somatoforme Störung hin. Erforderlich sei somit eine besonders sorgfältige Prüfung der invalidisierenden Wirkung seiner Beschwerden. Im Lichte der von Frau D.________ vorgebrachten Beschwerdebilder dränge sich ein strukturiertes Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 auf.
5.2.2. Diese Vorbringen sind unbehelflich. Das kantonale Gericht hat zu Recht auf die Erfahrungstatsache hingewiesen, dass behandelnde Arztpersonen bzw. Therapiekräfte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung im Zweifelsfall eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 135 V 465 E. 4.5 S. 470 f.). Weiter hat die Vorinstanz zutreffend erwogen, dass die einen längeren Zeitraum abdeckende und umfassende Behandlung oft wertvolle Erkenntnisse zeitigen kann; doch lässt es die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag der therapeutisch tätigen (Fach-) Person einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4 S. 175) nicht zu, ein Administrativ- oder Gerichtsgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Arztpersonen bzw. Therapiekräfte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige - und nicht rein subjektiver Interpretation entspringende - Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (Urteile 8C_733/2017 vom 29. März 2018 E. 4.3.3 und 9C_646/2016 vom 16. März 2017 E. 4.2.1). Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass aus den Berichten der Frau D.________ keine neuen Gesichtspunkte hervorgehen, die nicht bereits im Rahmen des ABI-Gutachtens vom 24. Mai 2012 berücksichtigt worden wären.
Hiervon abgesehen ist für die Bestimmung des Rentenanspruchs - grundsätzlich unabhängig von der Diagnose und unbesehen der Ätiologie - massgebend, ob und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit vorliegt (nicht publ. E. 4.2.3 des Urteils BGE 141 V 585, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 102, 8C_590/2015; Urteil 8C_733/2017 E. 4.3.2). Das kantonale Gericht hat richtig festgehalten, dass sich aus den Berichten der Frau D.________, bei der nicht ersichtlich ist, dass sie über eine fachärztliche Ausbildung verfügen würde, nicht ergibt, in welchem Ausmass die von ihr erhobenen Befunde die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers einschränken sollen. Soweit aus ihren Berichten folgt, dass er sich selber als arbeitsunfähig ansieht, ist dem entgegenzuhalten, dass seine rein subjektive Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nicht massgebend ist. Vielmehr ist es primär ärztliche Aufgabe, anhand der objektiven Befunderhebung die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zu bestimmen (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195; Urteil 8C_794/2017 vom 27. März 2018 E. 4.2.2). Entsprechende Arztberichte seit dem ABI-Gutachten vom 24. Mai 2012bis zum Einspracheentscheid vom 14. Juli 2016 werden nicht angerufen, weshalb eine Verschlechterung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit in diesen Zeitraum nicht überwiegend wahrscheinlich erstellt ist.
Insgesamt erweist sich die vorinstanzliche Beurteilung weder in tatsächlicher Hinsicht als unrichtig oder unvollständig noch anderweitig als bundesrechtswidrig (Urteil 8C_765/2017 vom 28. Februar 2018 E. 9). Da von zusätzlichen medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten sind, durfte das kantonale Gericht darauf verzichten (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236). Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch gegen die Ansprüche auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) bzw. freie Beweiswürdigung und Beweisabnahme (Art. 61 lit. c ATSG; Urteil 8C_733/2017 E. 4.4). Eine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz liegt ebenfalls nicht vor.
6.
Der von der Vorinstanz bestätigte Einkommensvergleich der Suva, der einen Invaliditätsgrad von 27 % ergab, ist unbestritten, weshalb sich dazu Weiterungen erübrigen.
7.
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 Art. 68 Abs. 2 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm gewährt werden (Art. 64 BGG). Er hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Rechtsanwalt Christoph Frey wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. Mai 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Jancar