Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_665/2017
Urteil vom 5. Juni 2018
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Williner.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Charles Guerry,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Freiburg,
Route du Mont-Carmel 5, 1762 Givisiez,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 16. August 2017 (608 2015 183).
Sachverhalt:
A.
Der 1969 geborene A.________, ausgebildeter Betriebsleiter Landwirtschaft mit Eidgenössischem Fähigkeitsausweis und Meisterprüfung, ist seit Erwerbsbeginn auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb tätig und übernahm diesen im Jahre 2004. Im Juli 2011 meldete er sich wegen starken Rückenschmerzen aufgrund eines am 30. Juni 2010 erlittenen Verkehrsunfalls bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Freiburg gewährte ihm berufliche Massnahmen und veranlasste verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies die Verwaltung das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 18. August 2015 ab.
B.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Freiburg mit Entscheid vom 16. August 2017 ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei ihm unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 49 % zuzusprechen und die IV-Stelle zu verpflichten, berufliche Massnahmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit zu gewähren.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid erging in deutscher Sprache. Das Verfahren wird in dieser Sprache geführt und das Urteil in der Sprache des angefochtenen Entscheids ausgefertigt, auch wenn die Beschwerde zulässigerweise (Art. 42 Abs. 1 BGG) französisch verfasst ist (Art. 54 Abs. 1 BGG; in BGE 136 IV 88 nicht publizierte E. 1 des Urteils 1C_163/2010 vom 13. April 2010; Urteil 8C_413/2012 vom 22. August 2012 E. 1 mit weiteren Hinweisen).
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236).
3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Leistungen der Invalidenversicherung. Die Vorinstanz legte die massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente ( Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG ) sowie zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen, namentlich auf Umschulung (Art. 17 IVG). Richtig sind auch die Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.
4.
4.1. Das kantonale Gericht stellte fest, die bisherige Tätigkeit als Landwirt sei kontraindiziert und dem Beschwerdeführer trotz erfolgter arbeitserleichternder Massnahmen nur noch mit einer Leistungsminderung von 30 % zumutbar. In einer leidensangepassten Tätigkeit bestehe indessen eine Arbeitsfähigkeit von 100 % bei einer um 10 % verminderten Leistungsfähigkeit. Die Vorinstanz hielt es für zumutbar, dass der Beschwerdeführer seinen Landwirtschaftsbetrieb aufgebe und sich umschulen lasse. Gestützt auf diese Erkenntnisse ermittelte sie einen Invaliditätsgrad von 39 % für die Zeit vor Abschluss einer möglichen Umschulung. Dabei stellte sie dem nicht streitigen Valideneinkommen von Fr. 109'715.80 ein Invalideneinkommen von Fr. 67'033.50 gegenüber (basierend auf dem Bruttolohn gemäss der Tabelle TA1 "Total" der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung [LSE] 2010 für Männer im Anforderungsniveau 3, unter Berücksichtigung einer Leistungsminderung von 10 % und indexiert auf das Jahr 2011). Auf einen konkreten Einkommensvergleich für die Zeit nach einer möglichen Umschulung verzichtete das kantonale Gericht mit der Begründung, der Beschwerdeführer würde dann ohnehin ein wesentlich höheres Invalideneinkommen erzielen und der Invaliditätsgrad weiterhin unter 40 % liegen.
4.2. Der Beschwerdeführer bestreitet weder die Höhe der Arbeits- und Leistungsfähigkeit in angestammter wie angepasster Tätigkeit noch den Umstand, dass ihm die Aufgabe seines Landwirtschaftsbetriebs und die Umschulung auf eine neue Tätigkeit im Grundsatz zumutbar sind. Er rügt indessen, die Vorinstanz habe bei der Ermittlung des Invalideneinkommens für den Zeitraum vor Abschluss einer möglichen Umschulung fälschlicherweise auf das Anforderungsniveau 3 der LSE abgestellt (vgl. nachfolgend E. 5.1). Weiter wendet er ein, die von der IV-Stelle vorgeschlagene Umschulung zum Agro-Kaufmann oder Agro-Techniker sei ihm nicht zumutbar, weil er in diesen Tätigkeiten kein Einkommen erzielen könnte, das in etwa dem entspreche, was er vor seiner Invalidität als Landwirt erwirtschaftet habe. Es sei deshalb der Grundsatz der Gleichwertigkeit verletzt (nachfolgend E. 5.2).
5.
5.1. Die Frage nach der bei einem Einkommensvergleich anzuwendenden Tabelle der LSE stellt grundsätzlich eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar. Dasselbe gilt für die Wahl des zutreffenden Anforderungsniveaus. Soweit der Beschwerdeführer hingegen die Wahl des Anforderungsniveaus mit dem Fehlen von Kenntnissen und beruflicher Erfahrung im Bereich der Leichtindustrie rügt, zweifelt er das Vorhandensein der für die Wahl notwendigen Voraussetzungen an, was eine Tatfrage beschlägt (vgl. Urteil 9C_785/2017 vom 20. Februar 2018 E. 2.2.1 mit Hinweis). Diesbezüglich stellte die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe sich (trotz Fehlens einer Ausbildung und Berufserfahrung in der industriellen Produktion) mit seiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung als Landwirt motorische und technische Fähigkeiten angeeignet, welche auch in der industriellen Produktion sehr wertvoll seien. Es wird beschwerdeweise nichts vorgebracht, was diese vorinstanzlichen Feststellungen als offensichtlich unrichtig erscheinen liessen. Sie bleiben deshalb für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 2.1 hievor). Der dagegen erhobene Einwand des Beschwerdeführers, er verfüge über keinerlei Berufserfahrung in der Leichtindustrie, ist unbehelflich. Er verkennt, dass die Vorinstanz die Wahl des Anforderungsniveau 3 nicht mit der Berufserfahrung in der Leichtindustrie begründete, sondern mit dem Wert der als Landwirt angeeigneten Fähigkeiten für eine solche in der Leichtindustrie.
Die Vorinstanz stellte weiter fest, der Beschwerdeführer sei seit Jahren erfolgreich selbständig erwerbstätig, verfüge über eine Zusatzausbildung zum Meisterlandwirt und sei als solcher in der Lage, einen landwirtschaftlichen Betrieb nach den Grundsätzen einer qualitativ hochstehenden, wirtschaftlichen und ökologischen Landwirtschaft zu führen sowie anspruchsvolle Aufgaben in anderen Unternehmen der Branche zu übernehmen. Er besitze zudem gute Sprachkenntnisse. Es kann offen bleiben, ob dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung dieses Ausbildungsstands sowie seiner beruflichen Erfahrung nicht auch andere Tätigkeiten (im Anforderungsniveau 3) als solche in der Leichtindustrie offen stünden, was der angefochtene Entscheid offen lässt.
Im Übrigen wird der Einkommensvergleich betreffend die Zeit vor Abschluss einer möglichen Umschulung nicht bestritten, weshalb es mit dem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 39 % sein Bewenden hat. Unbestritten geblieben sind die vorinstanzlichen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer nach einer Umschulung ein deutlich höheres Invalideneinkommen erzielen würde, weshalb auch nach einem möglichen Umschulungsabschluss von einem Invaliditätsgrad unter 40 % auszugehen sei. Mit der Vorinstanz ist somit ein Rentenanspruch zu verneinen.
5.2. In Bezug auf die bereits im vorinstanzlichen Verfahren gerügte Verletzung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit führte das kantonale Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung gemäss BGE 124 V 108 E. 2a S. 110 und 122 V 77 E. 3b/bb S. 79 aus, das Erfordernis der Gleichwertigkeit als Ausdruck der Verhältnismässigkeit begrenze den Umschulungsanspruch nur "nach oben". Hingegen stehe dieser Gesichtspunkt Umschulungen nicht entgegen, die den Versicherten zu einem bescheideneren beruflichen Ziel führten, was in vielen Fällen - invaliditätsbedingt - zutreffen dürfte. Erforderlich sei einzig, dass sich der erwartete Teilerfolg noch als genügend eingliederungswirksam bezeichnen lasse. Massgebend sei demnach, dass die beabsichtigte Umschulung in einen minderbezahlten Beruf zu einer dauerhaften und wesentlichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit führe, was vorliegend zutreffe. Mit diesen Erwägungen des kantonalen Gerichts setzt sich der Beschwerdeführer nicht ansatzweise auseinander. Insbesondere legt er nicht dar (und ist auch nicht ersichtlich), dass die von Seiten der Verwaltung vorgeschlagenen Umschulungen zum Agro-Kaufmann oder zum Agro-Techniker nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit führen würden. Weiterungen dazu erübrigen sich (vgl. E. 2.2 hievor).
Soweit der Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht einwendet, eine Umschulung zum Fachhochschulingenieur Agronomie sei angebracht, ist darauf ebenfalls nicht einzugehen. Er legt nicht dar, inwiefern diese Ausbildung in eine - wohl höherwertige (vgl. dazu Urteil I 766/05 vom 22. November 2006 E. 3.3 mit Hinweis auf ZAK 1988 S. 467) - Tätigkeit notwendig und geeignet wäre, ihm annähernd gleichwertige Erwerbsmöglichkeiten wie vor Eintritt der Invalidität zu vermitteln. Das Fehlen diesbezüglicher Weiterungen im angefochtenen Entscheid (sowie der Verfügung vom 18. August 2015) gereicht im Übrigen weder der Verwaltung noch der Vorinstanz zum Vorwurf. Der Beschwerdeführer zeigte zuletzt im Verwaltungsverfahren kein ernsthaftes Interesse an einer Umschulung, welche die Aufgabe seines Hofes bedingt hätte. Während er die Vorschläge der IV-Stelle für verdiensttechnisch unzumutbar hielt (und nach wie vor hält) unterbreitete er seinerseits den Vorschlag eines Massagetherapeuten, welcher indessen lediglich als Nebenbeschäftigung zum Landwirtschaftsbetrieb angedacht war und medizinisch als ungeeignet betrachtet wird. In der Folge konnte der Beschwerdeführer zwischen Ende März und Ende Juni 2014 von Seiten der IV-Stelle trotz mehrfacher Anrufe und Schreiben überhaupt nicht mehr erreicht werden. Erst am 23. Juni 2014 meldete er sich bei der Berufsberaterin und erklärte, seine Tätigkeit als Landwirt weiterführen zu wollen. Diesen Wunsch bestätigte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gegenüber der IV-Stelle im Rahmen eines Gesprächs betreffend die berufliche Eingliederung. Er teilte mit, er sehe "eher die Prüfung des Rentenanspruchs vor, mit Verzicht auf berufliche Massnahmen" (vgl. Protokoll der IV-Stelle vom 26. November 2014). Am 27. November 2014 bat die Verwaltung nochmals um Mitteilung, ob der Beschwerdeführer weiterhin an beruflichen Massnahmen teilnehmen wolle. Ein solches Bekenntnis blieb indessen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens aus. Angesichts dieses Verlaufs wies die IV-Stelle in ihrer Verfügung vom 18. August 2015 zu Recht darauf hin, der Versicherte habe berufliche Umschulungsmassnahmen nicht weiter verfolgen wollen.
Es ist dem Beschwerdeführer selbstverständlich unbenommen, sich betreffend Anspruch auf eine Umschulung zum Fachhochschulingenieur Agronomie erneut an die IV-Stelle zu wenden.
6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg, II. Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. Juni 2018
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Der Gerichtsschreiber: Williner