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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_1145/2017
Urteil vom 6. Juni 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, An der Aa 4, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Hinderung einer Amtshandlung; Rückzug der Berufungen,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, Strafabteilung, vom 17. August 2017 (S 2016 46 + S 2016 47).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug sprach X.________ und Y.________ mit Strafbefehlen vom 11. Februar 2015 der Hinderung einer Amtshandlung schuldig und bestrafte sie je mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.-- sowie mit einer Busse von Fr. 60.--. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, am 29. September 2014 bei der Ausweisung aus dem von ihnen bewohnten Zimmer durch die Zuger Polizei passiven Widerstand geleistet zu haben, indem sie sich aneinander geklammert hätten. X.________ und Y.________ erhoben Einsprachen.
B.
B.a. In der Folge reichte die Staatsanwaltschaft dem Strafgericht Zug die Anklageschriften ein. Am 10. Februar 2016 wurden X.________ und Y.________ zur Hauptverhandlung auf den 26. April 2016 vorgeladen. Mit Eingaben vom 25. April 2016 teilten die beiden mit, sie seien nicht verhandlungsfähig. Zur Verhandlung vom 26. April 2016 erschienen sie nicht. Mit Verfügungen vom 26. April 2016 wurde festgestellt, dass X.________ und Y.________ der Verhandlung trotz ordnungsgemässer Vorladung unentschuldigt ferngeblieben seien. Die Hauptverhandlung wurde neu angesetzt auf den 7. Juni 2016. Zu dieser erschienen die beiden erneut nicht. Mit Urteilen vom 7. Juni 2016 sprach das Strafgericht Zug X.________ und Y.________ der Hinderung einer Amtshandlung schuldig und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 10.-- sowie mit einer Busse von Fr. 50.--.
B.b. X.________ und Y.________ meldeten am 27. Juni 2016 Berufung gegen die Urteile an und verlangten begründete Entscheide. Mit gesonderten Eingaben ersuchten sie gleichentags um neue Beurteilung.
Mit Verfügungen vom 4. Juli 2016 lehnte das Strafgericht die Begehren um neue Beurteilung ab. Dagegen reichten X.________ und Y.________ am 25. Juli 2016 Beschwerden an das Obergericht des Kantons Zug ein.
Am 2. August 2016 reichten X.________ und Y.________ beim Obergericht des Kantons Zug sodann die Berufungserklärungen ein. Die Berufungsverfahren wurden bis zu den Entscheiden über die Begehren um neue Beurteilung sistiert.
Mit Urteilen vom 1. September 2016 wies das Obergericht des Kantons Zug die Beschwerden von X.________ und Y.________ betreffend Begehren um neue Beurteilung ab.
X.________ und Y.________ erhoben Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht. Sie beantragten im Wesentlichen, die Urteile des Obergerichts des Kantons Zug vom 1. September 2016 seien aufzuheben. Ihrem Antrag auf Neubeurteilung sei stattzugeben. Das Bundesgericht wies die Beschwerden mit Urteil vom 24. März 2017 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 6B_1175/2016 und 6B_1176/2016).
B.c. Das Obergericht des Kantons Zug nahm das Berufungsverfahren mit Verfügung vom 16. Mai 2017 wieder auf. Am 14. Juli 2017 lud es X.________ und Y.________ zur Berufungsverhandlung auf den 17. August 2017 vor. X.________ und Y.________ stellten am 4. August 2017 ein Verschiebungsgesuch. Dieses wurde mit Verfügung vom 9. August 2017 abgelehnt. X.________ und Y.________ erschienen nicht an der Berufungsverhandlung vom 17. August 2017 und liessen sich auch nicht vertreten. Das Obergericht des Kantons Zug schrieb das Verfahren mit Beschluss vom 17. August 2017 als durch Rückzug der Berufungen erledigt ab.
C.
X.________ und Y.________ erheben Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht. Sie beantragen im Wesentlichen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug vom 17. August 2017 sowie die Urteile des Strafgerichts Zug vom 7. Juni 2016 seien aufzuheben. Die Anklage der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug sei zurückzuweisen. Sie seien vollumfänglich vom Vorwurf der Hinderung einer Amtshandlung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache an das Obergericht Zug oder an das interkantonale Beschwerdegericht zu erneuter Beurteilung und Entscheidung zurückzuweisen. Ihnen sei kostenfreie Einsicht in sämtliche Akten zu gewähren. Sie beantragen ferner eine mündliche Verhandlung und ein einheitliches Beschwerdeverfahren. Schliesslich ersuchen sie sinngemäss um unentgeltliche Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
1.1. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, soweit die Aufhebung der Urteile des Strafgerichts Zug vom 7. Juni 2016 beantragt wird (Beschwerde S. 2). Anfechtungsobjekte der Beschwerde ist der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug vom 17. August 2017 als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 80 Abs. 1 BGG).
1.2. Dem Antrag auf Verfahrensvereinigung kann nicht stattgegeben werden (Beschwerde S. 14 und S. 72 f.), da weder dargelegt noch ersichtlich ist, mit welchem Verfahren das vorliegende vereinigt werden soll.
1.3. Der Antrag der Beschwerdeführer auf eine mündliche Verhandlung ist abzuweisen. Vor Bundesgericht findet eine solche nur ausnahmsweise statt und die Parteien haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf (Art. 57 BGG). Es ist nicht erkennbar, inwiefern hier von diesem Grundsatz abzuweichen wäre.
1.4. Die Beschwerdeführer ersuchen um kostenfreie Einsicht in sämtliche Akten und Beiakten, unter anderem in spezifisch aufgeführte Urkunden (Beschwerde S. 2 ff.). Auf das Einsichtsbegehren ist nicht einzutreten, soweit es Prozesse betrifft, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Darüber hinaus wurden die Beschwerdeführer über die Möglichkeit und die Modalitäten der Akteneinsicht vor Bundesgericht bereits mehrfach orientiert. Ferner wurden sie ebenso darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung der (gesetzlichen) Frist zur Begründung der Beschwerde nicht zulässig ist (Art. 47 Abs. 1 BGG).
2.
Die Beschwerdeführer erheben zahlreiche Vorwürfe und Rügen. Soweit im Folgenden auf ihre Darlegungen nicht eingegangen wird, sind sie offensichtlich für die Entscheidfindung nicht relevant, genügen den Begründungsanforderungen nicht (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 140 III 86 E. 2; 138 I 274 E. 1.6; je mit Hinweisen) bzw. betreffen nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Auf die Beschwerde ist weiter nicht einzutreten (z.B. Beschwerde S. 25 und S. 61 ff. zur angeblich verweigerten Akteneinsicht), soweit sich die Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise mit den jeweiligen Erwägungen der Vorinstanz auseinandersetzen (z.B. Beschluss S. 4 E. 3.2) und auch damit den Begründungsanforderungen nicht genügen (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG; BGE 136 I 65 E. 1.3.1 mit Hinweisen; 134 II 244 E. 2.1).
3.
Die Beschwerdeführer stellen ein Ausstandsgesuch. Sie machen geltend, die vorinstanzlichen Richter seien wegen Besorgnis der Befangenheit und Vorbefasstheit abzulehnen (Beschwerde S. 2). Die Befangenheit zeige sich in der ständigen Verweigerung einer vollumfänglichen Einsicht in die Verfahrensakten sowie der unsachlichen und unzulässigen Verfahrensleitung, wie der grundlosen Ablehnung ihres Verschiebungsgesuches, und der Bevorteilung der Gegenpartei. (Beschwerde S. 71 f.). Darauf ist nicht einzutreten. Diese Einwände sind verspätet, da sie erst im Verfahren vor Bundesgericht vorgebracht wurden (vgl. Art. 58 Abs. 1 StPO; BGE 138 I 1 E. 2.2 S. 4; 136 I 207 E. 3.4; 134 I 20 E. 4.3.1; Urteil 1B_499/2012 vom 7. November 2012 E. 2.3; je mit Hinweisen). Im Übrigen kann gestützt auf diese Vorbringen nicht auf besonders krasse oder wiederholte Verfahrensfehler geschlossen werden, die an der Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit der vorinstanzlichen Richterin und Richter zweifeln lassen könnten.
4.
4.1. Die Beschwerdeführer kritisieren, sie hätten die Vorladung zur Berufungsverhandlung vom 17. August 2017 erst am 24. Juli 2017 erhalten, womit ihnen die Vorinstanz zu wenig Zeit für die Vorbereitung gelassen habe. Auch die Ablehnung ihres Verschiebungsgesuches sei nicht haltbar. Sodann sei ihnen die Ablehnung erst nach dem Termin für die Verhandlung zugestellt worden. Sie hätten damit gerechnet, dass die Verhandlung verschoben werde (Beschwerde S. 71).
4.2. Die Vorinstanz hält fest, die Beschwerdeführer seien rechtswirksam vorgeladen worden. Auf die spezifischen Säumnisfolgen seien sie hingewiesen worden. Die Beschwerdeführer hätten am 4. August 2017 (Posteingang 9. August 2017) ein Verschiebungsgesuch gestellt. Im Kerngehalt hätten sie geltend gemacht, das Berufungsverfahren werde unfair geführt. Insbesondere werde ihnen verunmöglicht, sich gehörig auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten; die Vorinstanz weigere sich beharrlich, vollumfängliche Akteneinsicht zu gewähren. Zudem liege es auf der Hand, dass die Video- und Tonaufnahmen von den Ereignissen, namentlich den Gewaltszenen, zu ihrem Nachteil verfälscht worden seien. Vor diesem Hintergrund sei es offensichtlich, dass die Vorinstanz plane, sie - die Beschwerdeführer - ohne weiteres zu verurteilen (Beschluss S. 4 E. 3).
4.3. Die Rügen sind unbegründet, soweit sie überhaupt den Begründungsanforderungen genügen. Die Vorladungen zur Berufungsverhandlung wurden den Beschwerdeführen rechtzeitig zugestellt (vgl. Art. 202 Abs. 1 lit. b StPO; vorinstanzliche Akten OG GD 13). Damit hatten sie entgegen ihrer Auffassung hinreichend Zeit, sich auf die Verhandlung vom 17. August 2017 vorzubereiten. Die Vorinstanz erwägt sodann zu Recht, besondere Gründe im Sinne von Art. 205 Abs. 3 Satz 1 StPO, die eine Verschiebung der Berufungsverhandlung als begründet erscheinen liessen, seien nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführer behaupteten nicht, es sei ihnen nicht möglich, an der Berufungsverhandlung teilzunehmen. Bezüglich der Akteneinsicht und der Vorbereitung auf die Verhandlung sei festzuhalten, dass es den Beschwerdeführern seit langer Zeit offen gestanden habe, die Verfahrensakten und die Video- sowie Tonaufnahmen bei der Vorinstanz einzusehen. Weiter sei der Widerruf erst dann wirksam, wenn er der vorgeladenen Person mitgeteilt worden sei (Art. 205 Abs. 3 Satz 2 StPO). Vorliegend hätten für die Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte dafür bestanden anzunehmen, ihr Verschiebungsgesuch werde bewilligt, solange ihnen nichts Gegenteiliges mitgeteilt worden sei (Beschluss S. 4 f. E. 31 f. und E. 4).
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen. Der finanziellen Lage der Beschwerdeführer ist durch eine Reduktion der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte auferlegt, unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Juni 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini