Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_91/2018
Urteil vom 7. Juni 2018
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin N. Möckli.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Lüthy,
Beschwerdegegner,
BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich, Obstgartenstrasse 21, 8006 Zürich.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 27. November 2017 (IV.2016.01147).
Sachverhalt:
A.
Dem 1960 geborenen, zuletzt in der B.________ AG beschäftigten A.________ sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich basierend auf dem Bericht des Dr. med. C.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), vom 22. November 2011 rückwirkend ab 1. September 2011 eine Dreiviertelsrente zu (Verfügungen vom 29. Mai und 19. Juni 2012).
A.a. Im August 2013 leitete die Verwaltung eine Rentenüberprüfung in die Wege, wobei sie A.________ interdisziplinär begutachten liess (Expertise der Medizinischen Abklärungsstelle [MEDAS] Ostschweiz, St. Gallen, vom 20. Mai 2014). In der Folge stellte sie ihm vorbescheidsweise in Aussicht, er habe keinen Anspruch mehr auf eine Rente. Dagegen erhob A.________ Einwände und verwies insbesondere auf neue Beschwerden nach einem Unfall im August 2014. Die IV-Stelle veranlasste anschliessend eine Verlaufsbegutachtung (Gutachten der medexperts AG, St. Gallen, vom 10. Dezember 2015 und Ergänzung vom 30. Mai 2016). Gestützt darauf hob sie nach Rücksprache mit dem RAD die bisher ausgerichtete Rente mit Verfügung vom 14. September 2016 auf.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gut und hielt fest, A.________ habe weiterhin Anspruch auf eine Dreiviertelsrente (Entscheid vom 27. November 2017).
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner fordert sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2. Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person sind grundsätzlich Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), die das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Frage, ob sich eine Arbeits (un) fähigkeit in einem bestimmten Zeitraum in einem revisionsrechtlich relevanten Sinne verändert hat, ist ebenso Tatfrage (z.B. Urteil 9C_989/2012 vom 5. September 2013 E. 2 mit Hinweis) wie auch die konkrete Beweiswürdigung. Dagegen sind die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.), die das Bundesgericht frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).
1.3. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; siehe auch BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104 f.).
2.
2.1. Streitig ist, ob Bundesrecht verletzt wurde, indem die Vorinstanz die am 14. September 2016 durch die Beschwerdeführerin verfügte Rentenaufhebung widerrief und feststellte, der Beschwerdegegner habe weiterhin Anspruch auf eine Dreiviertelsrente.
2.2. Im angefochtenen Entscheid werden die massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen und Grundsätze zur Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 f.; vgl. im Weiteren auch BGE 135 V 201 E. 5.2 S. 205; 134 V 131 E. 3 S. 132 f.; 133 V 545 E. 6 S. 546 ff. und E. 7 S. 548 f.) sowie zu den dabei relevanten Vergleichszeitpunkten (BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.). Dasselbe gilt in Bezug auf die Erwägungen zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232 mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.
3.
3.1. Das kantonale Gericht erwog, soweit die Gutachter in den Expertisen vom 20. Mai 2014 und 10. Dezember 2015 (samt Ergänzung vom 30. Mai 2016) im Vergleich zur Einschätzung des Dr. med. C.________ vom 22. November 2011 bei in der Hauptsache unveränderter Diagnostik und Befunderhebung nun von einer Arbeits- und Leistungsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit von 80 % ausgingen, handle es sich lediglich um eine andere Einschätzung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts. Die in den Gutachten attestierte Steigerung der Arbeitsfähigkeit von 40 auf 80 % - mithin auf das Doppelte - lasse sich nicht mit den von den Gutachtern angegebenen geringen Verbesserungen erklären. Die Vorinstanz zog den Schluss, es liege keine revisionsrelevante Sachverhaltsänderung vor.
3.2. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen in erster Linie vor, das kantonale Gericht habe eine Änderung betreffend den linken Fuss in Bezug auf Funktion und MRI-Befund bestätigt. Diese sei grundsätzlich geeignet, sich auf den Invaliditätsgrad auszuwirken. Zudem lägen auch insoweit veränderte Verhältnisse vor, als dass neu Schulterbeschwerden hinzugekommen seien. Es habe rechtsprechungsgemäss eine allseitige Prüfung des Rentenanspruchs zu erfolgen. Es sei entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht erforderlich, dass die geänderte Tatsache zu einer Neufestsetzung der Invalidenrente führe.
Der Beschwerdegegner macht insbesondere geltend, das kantonale Gericht habe sich mit dem massgeblichen Sachverhalt einlässlich auseinandergesetzt und die Beschwerdeführerin zeige nicht auf, inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich unrichtig sein sollten.
4.
4.1. Unbestrittenermassen basierte die am 29. Mai und 19. Juni 2012 verfügte Rentenzusprache im Wesentlichen auf dem RAD-Bericht des Dr. med. C.________ vom 22. November 2011.
4.2.
4.2.1. Im Revisionverfahren veranlasste die Beschwerdeführerin zur Abklärung des Gesundheitszustandes des Beschwerdegegners eine Begutachtung in der MEDAS Ostschweiz und eine Verlaufsbegutachtung in der medexperts AG (Expertise vom 20. Mai 2014, 10. Dezember 2015 und Ergänzung vom 30. Mai 2016). Die Vorinstanz stützt den angefochtenen Entscheid auf diese Einschätzungen. Sie erachtete diese gutachterlichen Beurteilungen somit als zuverlässige Entscheidgrundlage und bejahte damit - zumindest implizit - deren Beweiswert. Die Ausführung des kantonalen Gerichts, die Gutachter hätten bezüglich der im MRI dargestellten feinfleckigen Knochenstrukturveränderung keine überzeugende Erklärung abgeben können, stellt dies nicht in Frage: Im Gutachten wurden sämtliche bildgebenden und klinischen Befunde - unabhängig ihrer diagnostischen Einordnung - berücksichtigt. Soweit der Beschwerdegegner den Expertisen vom 20. Mai 2014 und 10. Dezember 2015 die abweichenden Einschätzungen seiner behandelnden Ärzte gegenüberstellt, ist ihm entgegenzuhalten, dass es die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag des therapeutisch tätigen (Fach-) Arztes einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten andererseits (BGE 124 I 170 E. 4 S. 175) nicht zulässt, ein Administrativgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Ärzte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil die behandelnden Ärzte wichtige Aspekte benennen, die im Rahmen der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (vgl. statt vieler: SVR 2017 IV Nr. 49 S. 148, 9C_338/2016 E. 5.5, und SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06 E. 2.1.1). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Mit dem kantonalen Gericht ist daher auf die im Revisionsverfahren eingeholten Gutachten vom 20. Mai 2014 und 10. Dezember 2015 abzustellen.
4.2.2. Die Vorinstanz schloss aufgrund der gutachterlichen Einschätzungen der MEDAS Ostschweiz vom 20. Mai 2014 und der medexperts AG vom 10. Dezember 2015 einen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG aus. Sie erwog, dass diese aktuellen Expertisen eine im Vergleich zum RAD-Bericht des Dr. med. C.________ vom 22. November 2011 im Wesentlichen unveränderte Diagnostik und Befunderhebung zeigten. Sie übersah dabei nicht, dass die Gutachter bezogen auf einzelne Leiden, welche für die zugesprochene Dreiviertelsrente massgeblich gewesen waren, geringgradige Verbesserungen beschrieben hat, erachtete diese aber als nicht im Zusammenhang mit der Steigerung der Arbeitsfähigkeit auf 80 % stehend. Überdies trug das kantonale Gericht dem Umstand Rechnung, dass sich die Neuropathie verschlechtert hatte und der Beschwerdegegner neu auch an Schulterbeschwerden leidet. Es kam unter Berücksichtigung der Gesamtsituation zum Ergebnis, eine Verbesserung des Gesundheitszustandes sei nicht ausgewiesen.
Bei der Beurteilung, ob eine massgebliche Veränderung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG vorliegt, bezog die Vorinstanz somit sämtliche Sachverhaltsumstände mit ein. Ihre Schlussfolgerungen sind daher nicht offensichtlich unrichtig, genügt für eine Rentenanpassung doch nicht bereits "irgendeine" Veränderung im Sachverhalt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stellt namentlich eine hinzugetretene oder weggefallene Diagnose nicht per se einen Revisionsgrund dar, da damit das quantitative Element der (erheblichen) Gesundheitsverbesserung oder -verschlechterung nicht zwingend ausgewiesen ist (BGE 141 V 9 E. 5.2 S. 12). Insgesamt erachtete die Vorinstanz die Erheblichkeit der gesundheitlichen Veränderung als nicht gegeben. Mit der Erheblichkeit der Sachverhaltsveränderung setzt sich die Beschwerdeführerin aber nicht weiter auseinander und zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern die diesbezügliche Beurteilung des kantonalen Gerichts offensichtlich unrichtig sein soll.
4.3. Die Vorinstanz verletzte somit kein Bundesrecht, indem sie einen Revisionsgrund verneinte. Es hat daher beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden.
5.
Mit dem Urteil in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
6.
Die Gerichtskosten werden der beschwerdeführenden IV-Stelle als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Ferner hat sie den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner zu entschädigen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 7. Juni 2018
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Möckli