BGer 8C_344/2018 |
BGer 8C_344/2018 vom 13.06.2018 |
8C_344/2018 |
Urteil vom 13. Juni 2018 |
I. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
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Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.
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Verfahrensbeteiligte |
Beschwerdeführer,
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gegen
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Februar 2018 (AL.2018.00005).
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Sachverhalt: |
A. A.________ war seit 1. Juli 2014 als Leiter Nutzermarkt bei der B.________ AG angestellt. Am 31. August 2016 kündigte er das Arbeitsverhältnis, um sich als Marketingberater selbstständig zu machen. Im gegenseitigen Einvernehmen wurde der 30. September 2016 als letzter Arbeitstag festgelegt. Am 24. September 2017 meldete sich A.________ bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 10. November 2017 verneinte die Unia Arbeitslosenkasse (nachfolgend: Unia), Zürich, einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 22. September 2017 aufgrund der Gefahr der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung. Daran hielt sie im Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2017 fest.
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B. Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Februar 2018 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der angefochtene Gerichts- sowie der Einspracheentscheid seien aufzuheben, und die Angelegenheit sei zur Neubeurteilung an die Unia zurückzuweisen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Prüfung der Vermittlungsfähigkeit an die Unia zurückzuweisen.
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Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, als sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab 22. September 2017 verneinte.
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3. |
3.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass die Bestimmung von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG gar nicht anwendbar sei, zumal er keine arbeitgeberähnliche Position bei Ringier inne habe. Zudem seien die Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG, insbesondere die Vermittlungsfähigkeit, vorliegend erfüllt.
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3.2. Die Vorinstanz erwog, dass der Versicherte durch seine Kündigung mit dem Ziel, sich selbstständig zu machen, in Kauf nahm, dass er mit diesem Vorhaben zu scheitern oder zumindest anfänglich nur wenig Einkommen zu erzielen. Insbesondere habe der Beschwerdeführer wiederholt erklärt, dass seine selbstständige Erwerbstätigkeit auf Dauer ausgerichtet und er nicht bereit sei, diese zugunsten einer Arbeitnehmertätigkeit aufzugeben. Es stehe somit ausser Frage, dass die selbstständige Tätigkeit mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen worden sei und beibehalten werde. Die Anmeldung zum Bezug von Taggeldern sei lediglich aufgrund mangelnder Aufträge erfolgt. Es sei der Arbeitslosenkasse zuzustimmen, dass dem Beschwerdeführer unter diesen Umständen keine Arbeitslosenentschädigung zustehe. Daran vermöge weder die Tatsache etwas zu ändern, dass er den Zweck seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit in der Zwischenzeit in Richtung Medical Tourism verlagert habe, noch der Umstand, dass er aufgrund der schlechten Auftragslage den Umfang seiner selbstständigen Tätigkeit inzwischen auf ein Pensum von 20% bzw. eine Nebenerwerbstätigkeit beschränkte. Ebenso wenig spiele es eine Rolle, dass der Beschwerdeführer auf die per Ende November 2017 ins Auge gefasste Gründung der C.________ GmbH verzichtet habe, mithin keine arbeitgeberähnliche Stellung aufweise.
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3.3. Gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. In BGE 123 V 234 erwog das Bundesgericht, dass die betreffende Bestimmung der Vermeidung von Missbräuchen diene (Selbstausstellung von für die Kurzarbeitsentschädigung notwendigen Bescheinigungen, Gefälligkeitsbescheinigungen, Unkontrollierbarkeit des tatsächlichen Arbeitsausfalls, Mitbestimmung oder Mitverantwortung bei der Einführung von Kurzarbeit u.ä., vor allem bei Arbeitnehmern mit Gesellschafts- oder sonstiger Kapitalbeteiligung in Leitungsfunktion des Betriebes; BGE 123 V 234 E. 7b/bb S. 238, 122 V 272 mit Hinweisen). In jenem Entscheid entliess ein Arbeitnehmer mit arbeitgeberähnlicher Stellung sich selbst, um hierauf trotz weiter bestehendem Verwaltungsratsmandat in seiner Unternehmung Arbeitslosenentschädigung zu beantragen. Das Bundesgericht befand, dass ein solches Vorgehen auf eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Regelung des Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG hinauslaufe, welche ihrem Sinn nach der Missbrauchsverhütung diene und in diesem Rahmen insbesondere dem Umstand Rechnung tragen will, dass der Arbeitsausfall von arbeitgeberähnlichen Personen praktisch unkontrollierbar ist, weil sie ihn aufgrund ihrer Stellung bestimmen oder massgeblich beeinflussen können (BGE 123 V 234 a.a.O.).
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3.4. Andauernd selbstständig erwerbende Personen sind in der Regel bereits von vornherein vom Arbeitslosentaggeldbezug ausgeschlossen. Soweit allerdings vor der Tätigkeit als selbstständig erwerbende Person innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde (vgl. dazu Art. 13 AVIG), ist der Anspruch auf Arbeitslosentschädigung ausnahmsweise auch bei einer nunmehr selbstständig erwerbenden Person - wie vorliegend - zu prüfen. Auf solche Personen rechtfertigt sich gemäss konstanter Praxis des Bundesgerichts die Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234, wonach eine Überprüfung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung möglich sein muss (Urteile 8C_635/2009 vom 1. Dezember 2009 E. 3.2, 8C_81/2009 vom 27. August 2009 E. 3.3, C 9/05 vom 21. Dezember 2005 E. 2.3 je mit Hinweisen). Dabei ist massgebend, ob der Status des Selbstständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen und beibehalten wird (Urteile 8C_635/2009 vom 1. Dezember 2009 E. 3.2, 8C_81/2009 vom 27. August 2009 E. 3.3, 8C_49/2009 vom 5. Juni 2009 E. 4.3). Es ist nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung, die in solchen Fällen anfänglich fehlenden Einnahmen zu ersetzen (ARV 2005 S. 19, C 117/04; Urteile C 151/06 vom 20. Mai 2007 E. 3 und C 277/05 vom 12. Januar 2007 E. 3.3).
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3.5. Vorliegend kündigte der Beschwerdeführer unbestrittenermassen seine Vollzeitanstellung bei einer Mediengesellschaft und nahm - ohne Unterbruch - eine selbstständige Erwerbstätigkeit auf, zuerst in derselben Branche, später dann im Bereich Medical Tourism. Hierfür unternahm er alle administrativ notwendigen Schritte (u.a. Anmeldung bei der Ausgleichskasse und Bezug des Freizügigkeitsguthabens). Erst knapp ein Jahr nach Auflösung des letzten Anstellungsverhältnisses meldete er sich unter Hinweis auf die schlechte Auftragslage zur Arbeitsvermittlung an. Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich feststellte, nahm der Beschwerdeführer die selbstständige Tätigkeit mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit auf. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung ist nicht ersichtlich und wird zu Recht vom Beschwerdeführer auch nicht gerügt.
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3.6. Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Rechtsprechung, wonach die Missbrauchsgefahr auch bei Selbstständigerwerbenden zu prüfen ist, entfällt damit ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, als sie unter analoger Anwendung von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung verneinte. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass er bei Ringier keine arbeitgeberähnliche Stellung inne hatte.
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4. Da der Anspruch auf Arbeitslosentschädigung aufgrund der vorstehenden Erwägungen per seentfällt, erübrigt sich die weitere Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann ebenso die Frage der Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers offen bleiben. Entgegen seinem Ansinnen ist auch keine Missachtung des rechtlichen Gehörs in diesem Zusammenhang zu erblicken, indem die Vorinstanz auf die entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers nicht einging. Demzufolge verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, als sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 22. September 2017 ohne Weiterungen verneinte. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 13. Juni 2018
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu
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