BGer 1B_259/2018 |
BGer 1B_259/2018 vom 26.06.2018 |
1B_259/2018 |
Urteil vom 26. Juni 2018 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
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Gerichtsschreiber Härri.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Peter Kümin,
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gegen
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Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Wirtschaftsdelikte, Weststrasse 70, Postfach 9717, 8036 Zürich.
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Gegenstand
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Strafverfahren; Sistierung des Beschwerdeverfahrens,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
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des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 4. Mai 2018 (UE180128).
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Sachverhalt: |
A. Am 28. März 2018 stellte die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) das Strafverfahren gegen B.________ wegen Urkundenfälschung, Steuerbetrugs und Gehilfenschaft zur Vernachlässigung von Unterhaltspflichten ein.
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Dagegen erhob A.________ Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich und beantragte, die Strafuntersuchung gegen B.________ wegen Gehilfenschaft zur Vernachlässigung von Unterhaltspflichten fortzuführen.
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Mit Beschluss vom 4. Mai 2018 sistierte das Obergericht (III. Strafkammer) das Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens gegen C.________ wegen des Vorwurfs der Vernachlässigung der Unterhaltspflichten.
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B. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben.
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C. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Erwägungen: |
1. Am 30. Mai 2018 ersuchte die Beschwerdeführerin die Vorinstanz um Wiedererwägung des angefochtenen Beschlusses. Mit der Beschwerde in Strafsachen beantragt sie die Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens bis zum Entscheid über das Wiedererwägungsgesuch. Die Vorinstanz hat dieses mit Beschluss vom 1. Juni 2018 abgewiesen. Der Antrag auf Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens ist damit hinfällig.
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2. Ob die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist zweifelhaft. Dies gilt insbesondere für die Beschwerdelegitimation (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG) und die Frage, ob hier ein Fall vorliegt, bei dem auf das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG verzichtet werden kann (dazu BGE 134 IV 43). Dies braucht jedoch nicht vertieft zu werden, da die Beschwerde aus folgenden Erwägungen jedenfalls unbegründet ist.
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Am 31. März 2018 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen C.________ unter anderem wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflichten. Die Vorinstanz sistierte das Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens gegen C.________ mit der Hauptbegründung, es sei zu erwarten, dass das Urteil gegen diesen die Beurteilung der Beschwerde präjudizieren könnte.
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Gemäss Art. 379 StPO richtet sich das Rechtsmittelverfahren sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit dieser Titel keine besonderen Bestimmungen enthält. Der Verweis auf die "allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes" ist nicht ohne Weiteres klar, da es in der Strafprozessordnung keinen Gliederungstitel dieses Inhalts gibt. Nicht unter den Verweis von Art. 379 StPO fallen die "besonderen Verfahren" nach Art. 352 ff. StPO (Strafbefehlsverfahren etc.). Die "allgemeinen Bestimmungen" kommen ergänzend, d.h. soweit keine besonderen Bestimmungen für das Rechtsmittelverfahren bestehen, und nur sinngemäss zur Anwendung. Sie sind auf das Rechtsmittelverfahren zu adaptieren und räumen der Rechtsmittelinstanz einen gewissen Ermessensspielraum ein (ZIEGLER/ KELLER, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 4 und 7 zu Art. 379 StPO; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 1 zu Art. 379 StPO, RICHARD CALAME, in: Code de procédure pénale suisse, Commentaire Romand, 2011, N. 1 zu Art. 379 StPO).
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Der 9. Titel der Strafprozessordnung zu den Rechtsmitteln (Art. 379 ff.) enthält keine Bestimmung zur Sistierung des Beschwerdeverfahrens. Gemäss Art. 314 Abs. 1 lit. b StPO kann die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung namentlich sistieren, wenn der Ausgang des Strafverfahrens von einem anderen Verfahren abhängt und es angebracht erscheint, dessen Ausgang abzuwarten. Diese Bestimmung kann gemäss Art. 379 StPO im Beschwerdeverfahren sinngemäss angewendet werden. Dies rechtfertigt sich umso mehr, als auch das Bundesgericht in einer Konstellation wie hier das bei ihm hängige Verfahren sistieren kann. Gemäss Art. 71 BGG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 BZP kann das Bundesgericht aus Gründen der Zweckmässigkeit das Verfahren aussetzen, insbesondere wenn das Urteil von der Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit beeinflusst werden kann (FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 71 BGG; PHILIPP GELZER, in: Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2011, N. 5 zu Art. 71 BGG). Es ist nicht einzusehen, weshalb der kantonalen Beschwerdeinstanz diese Möglichkeit - welche auch das Zivilprozessrecht kennt (Art. 126 Abs. 1 ZPO) - nicht ebenso offenstehen sollte.
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Wie dargelegt, klagte die Staatsanwaltschaft C.________ unter anderem wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflichten an. Gegen B.________ erhebt die Beschwerdeführerin den Vorwurf der Gehilfenschaft dazu. Letztere ist akzessorisch, d.h. eine Verurteilung wegen Gehilfenschaft nach Art. 25 StGB setzt voraus, dass eine Haupttat vorliegt (BGE 120 IV 190 E. 2a S. 192; 98 IV 83 E. 2.c S. 85; je mit Hinweisen). Sollte demnach C.________ vom Vorwurf der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten rechtskräftig freigesprochen werden, fiele eine Bestrafung von B.________ wegen Gehilfenschaft zum vornherein ausser Betracht, womit es bei der Einstellung sein Bewenden hätte. Würde C.________ dagegen wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflichten rechtskräftig verurteilt, käme eine Gehilfenschaft dazu und somit auch die Gutheissung der bei der Vorinstanz erhobenen Beschwerde in Betracht. Der Ausgang des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens hängt demnach vom Strafverfahren gegen C.________ ab. Unter diesen Umständen ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Beschwerdeverfahren sistiert hat.
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3. Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.
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Da sie aussichtslos war, kann die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. In Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
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Die beantragte Anordnung der unentgeltlichen Rechtpflege, einschliesslich der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung, für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren durch das Bundesgericht fällt ausser Betracht. Über diesen mit der Beschwerde bei der Vorinstanz gestellten Antrag (Ziff. 3) wird Letztere zu befinden haben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 26. Juni 2018
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Merkli
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Der Gerichtsschreiber: Härri
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