Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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5A_921/2017
Urteil vom 16. Juli 2018
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiberin Gutzwiller.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Romeo Da Rugna,
Beschwerdeführer.
Gegenstand
Vaterschaft,
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 25. September 2017 (LZ170013-O/U).
Sachverhalt:
A.
A.A.________ wurde 1954 während der Ehe von B.A.________ und C.A.________ geboren. Die Ehe wurde 1978 geschieden. C.A.________ verstarb 1997. Am 26. September 2015 erfuhr A.A.________ von seiner Mutter, dass er nicht von C.A.________ abstamme; sein biologischer Vater sei D.D.________, verstorben 1963. B.A.________ verstarb 2015.
B.
Am 12. September 2016 klagte A.A.________ beim Bezirksgericht Zürich. Er beantragte zusammengefasst die Feststellung, dass er nicht von C.A.________, sondern von D.D.________ abstamme; er verlangte ausserdem die Aufhebung des Kindesverhältnisses zu C.A.________ (Vaterschaftsaufhebungsklage) und die Vornahme der daraus folgenden Korrekturen im Zivil- bzw. Personenstandsregister. Als Beklagte bezeichnete er E.A.________ und F.A.________, die gemäss Zivilstandsregister ebenfalls von B.A.________ und C.A.________ abstammen. Mit Urteil vom 5. April 2017 wies das Bezirksgericht die Begehren um Feststellung der Abstammung von D.D.________ wie auch die Vaterschaftsaufhebungsklage ab. Hinsichtlich der Nicht-Abstammung von C.A.________ entschied das Bezirksgericht, das Verfahren ohne beklagte Parteien fortzusetzen.
C.
A.A.________ führte Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich mit dem Begehren, die Klage betreffend Anfechtung der Vaterschaftsvermutung sei ohne beklagte Parteien fortzusetzen. Mit Urteil vom 25. September 2017 wies das Obergericht die Berufung kostenfällig ab.
D.
Mit Eingabe vom 16. November 2017 wendet sich A.A.________ (fortan: Beschwerdeführer) an das Bundesgericht, dem er wie bereits vor Obergericht beantragt, die Klage betreffend Anfechtung der Vaterschaftsvermutung sei ohne beklagte Parteien fortzusetzen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Teilentscheid (Art. 75 Abs. 1 und Art. 91 BGG ) über eine Klage auf Anfechtung der Vermutung der Vaterschaft gemäss Art. 256 ZGB. Es liegt eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer nicht vermögensrechtlichen Angelegenheit vor. Die rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhobene Beschwerde in Zivilsachen ist somit grundsätzlich zulässig.
2.
In rechtlicher Hinsicht sind im ordentlichen Beschwerdeverfahren alle Rügen gemäss Art. 95 f. BGG zulässig und das Bundesgericht wendet in diesem Bereich das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dabei ist es grundsätzlich an den festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu zählen auch Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.). Gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann einzig vorgebracht werden, sie seien offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 137 III 268 E. 1.2 S. 278 mit Hinweisen), oder sie würden auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. Ausserdem muss in der Beschwerde aufgezeigt werden, inwiefern die Behebung der vorerwähnten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die Voraussetzungen für eine nachträgliche Einreichung von Tatsachen und Beweismitteln erfüllt sein sollen (BGE 143 I 344 E. 3 S. 346).
3.
Im vorliegenden Fall steht fest und ist unbestritten, dass kraft der (damaligen) Ehe zwischen B.A.________ und C.A.________ ein rechtliches Kindesverhältnis zwischen Letzterem und dem Beschwerdeführer begründet wurde (vgl. Art. 252 Abs. 2 und Art. 255 Abs. 1 ZGB ). Der Beschwerdeführer hat die Anfechtungsklage nach Ablauf der absoluten Verwirkungsfrist von einem Jahr nach Erreichen der Volljährigkeit eingereicht (Art. 256c Abs. 2 ZGB). Ebenso unbestritten ist die Tatsache, dass der Beschwerdeführer erstmals am 26. September 2015 von seiner Mutter erfuhr, dass C.A.________ nicht sein biologischer Vater ist. Streitig und zu prüfen ist, ob sich der Beschwerdeführer für die erst elf Monate danach eingereichte Vaterschaftsanfechtungsklage auf Entschuldigungsgründe gemäss Art. 256c Abs. 3 ZGB berufen kann.
3.1. Art. 256c Abs. 3 ZGB eröffnet keine zusätzliche Frist; es obliegt dem Kläger, die Klage so rasch als möglich einzureichen, nachdem der Grund für die Verzögerung weggefallen ist. Die Rechtsprechung geht im Prinzip von einer Monatsfrist aus, es sei denn, aussergewöhnliche Umstände hätten den Kläger daran gehindert, rasch zu handeln (BGE 136 III 593 E. 6.1.1 S. 595 mit Hinweisen).
Der wichtige Grund für die verspätete Klageeinreichung kann sowohl objektiver wie auch subjektiver Natur sein. Als objektive Hindernisse könnten etwa in Frage kommen schwere Krankheit (Urteil 5A_47/2011 vom 19. April 2011 E. 5.3), Freiheitsentziehung, vorübergehende Urteilsunfähigkeit oder Unterbruch der Kommunikationsmittel wie Postverbindungen. Als subjektive Hindernisse könnten etwa in Betracht fallen die Hoffnung auf den Fortbestand der Ehe, die fehlende Veranlassung zu Zweifeln an der Vaterschaft, die falsche Rechtsauskunft einer sachkundigen Stelle oder psychologische Hindernisse bei der Bildung des Klageentschlusses (BGE 132 III 1 E. 3.1 S. 4 f.; Urteil 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 E. 6.2.1, in: FamPra.ch 2011 S. 1006).
Ob ein wichtiger Grund gegeben ist, hat der Richter gemäss Art. 4 ZGB unter Würdigung der einschlägigen Umstände nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (BGE 91 II 153 E. 1 S. 155; Urteil 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 E. 6.2.2, in: FamPra.ch 2011 S. 1007). Das Bundesgericht auferlegt sich bei der Überprüfung solcher Ermessensentscheide eine gewisse Zurückhaltung. Es schreitet nur ein, wenn die kantonale Instanz von dem ihr zustehenden Ermessen falschen Gebrauch gemacht hat, d.h. wenn sie grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat. Aufzuheben und zu korrigieren sind ausserdem Ermessensentscheide, die sich im Ergebnis als offensichtlich unbillig oder als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 138 III 252 E. 2.1 S. 254 mit Hinweisen).
3.2. In tatsächlicher Hinsicht erwog die Vorinstanz, es dürfe (gestützt auf den ärztlichen Bericht von Dr. G.________ vom 2. September 2016) zwar davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführer die Mitteilung über seine väterliche Abstammung tief erschüttert und in eine anhaltende, schwere seelische Krise gestürzt habe. Indes sei der Beschwerdeführer zur Klärung seiner väterlichen Abstammung aktiv gewesen und habe selber entsprechende Nachforschungen getätigt. So habe er sich mit der privaten Spitex-Betreuerin seiner Mutter und mit Angehörigen seines mutmasslichen Vaters (Frau H.D.________ in U.________ und Rechtsanwalt Dr. I.________ in V.________) getroffen. Zudem habe er Frau Dr. J.________ im IRM aufgesucht und mit Herrn Prof. Dr. K.________ vom Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität W.________ telefoniert. Alle diese Kontaktaufnahmen zeigten, dass es dem Beschwerdeführer trotz emotionaler bzw. psychischer Belastung durchaus möglich gewesen sei, sich mit seiner väterlichen Abstammung auseinanderzusetzen und hierzu selber Nachforschungen zu tätigen; er sei weder urteilsunfähig noch physisch bzw. psychisch in einer Weise beeinträchtigt gewesen, die ihn daran gehindert hätte, die Anfechtungsklage rechtzeitig zu erheben. Die pauschale Behauptung des Beschwerdeführers, er sei somatisch und psychisch nicht in der Lage gewesen, früher eine Klage einzureichen bzw. dafür einen Anwalt zu mandatieren, werde durch seine eigenen zielgerichteten Nachforschungen widerlegt. Daher erscheine das Zuwarten mit der Klage von fast einem Jahr als unentschuldbar.
3.3. Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst die vorinstanzliche Beweiswürdigung des ärztlichen Berichts von Dr. G.________ vom 2. September 2016. Er wirft der Vorinstanz indessen keine unrichtige Sachverhaltsfeststellung vor, sondern beschränkt sich darauf, der vorinstanzlichen Würdigung seine eigene gegenüberzustellen. Seine Ausführungen bleiben daher unberücksichtigt. Auch der Verweis auf seine gesundheitliche Prädisposition hat ausser Acht zu bleiben, da es sich dabei um eine unzulässige neue Tatsache handelt (vorne E. 2).
3.4. Sodann erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf Beweis (Art. 152 Abs. 1 ZPO) darin, dass die Beweisanträge auf Befragung seiner selbst und seines Psychiaters, Dr. G.________, in antizipierter Beweiswürdigung von der Erstinstanz abgewiesen wurden. Das Ausmass seines seelischen Leidens hätte nur mittels dieser Befragungen festgestellt werden können. Die Vorinstanz erwog, die Erstinstanz habe auf die vom Beschwerdeführer getätigten Nachforschungen zu seiner Abstammung abgestellt, um daraus zu folgern, die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage wäre ihm trotz anhaltender, schwerer seelischer Krise möglich oder zumutbar gewesen. Eine Partei- bzw. Zeugenbefragung hätte an der Tatsache, dass diverse Nachforschungen getätigt wurden, nichts geändert. Dieses Argument vermag der Beschwerdeführer nicht zu widerlegen. Auch zeigt er nicht auf, inwiefern die fraglichen Nachforschungen für die Beurteilung dessen, was ihm trotz seiner psychischen und physischen Verfassung möglich und zumutbar war, nicht von Belang sein sollten. Insbesondere verfängt die Behauptung nicht, die Nachforschungen hätten hauptsächlich therapeutischen Wert gehabt, da auch dies nichts daran zu ändern vermöchte, dass der Beschwerdeführer körperlich und geistig dazu in der Lage war, Nachforschungen anzustellen. Die Rüge ist deshalb unbegründet.
3.5. Weiter moniert der Beschwerdeführer, dass ihm im erstinstanzlichen Verfahren keine Gelegenheit gegeben wurde, seinen Sachvortrag zu ergänzen. Das Bundesgericht hat für das ordentliche Verfahren erkannt, dass die Parteien zweimal die Möglichkeit haben, sich unbeschränkt zu äussern. Sinngemäss gilt dies auch für das vereinfachte Verfahren (BGE 144 III 117 E. 2.2 S. 118 mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung wurde indes für Verfahren entwickelt, in welchen sich die Parteien auch tatsächlich ein erstes Mal äusserten. Gemäss den willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz setzte die Erstinstanz den damals Beklagten Frist zur Erstattung der Klageantwort. Diese erklärten, sich nicht zum Gegenstand des Verfahrens äussern zu wollen. Unter diesen Umständen musste die Erstinstanz dem Beschwerdeführer nicht nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Ein Replikrecht besteht nur, wenn sich die Gegenpartei zur Sache äussert (vgl. BGE 142 III 48 E. 4.1.1 S. 53), und zur Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels ist das Gericht nicht verpflichtet (vgl. Art. 225 i.V.m. Art. 219 ZPO). Auf die sinngemässe Rüge, in erster Instanz hätte eine Hauptverhandlung durchgeführt werden müssen, ist im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht einzugehen, da sie im Berufungsverfahren nicht vorgebracht wurde (BGE 133 III 639 E. 2 S. 640).
3.6. Kann der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Ergänzung seines Sachvortrages im erstinstanzlichen Verfahren geltend machen, so kann er daraus auch keinen Anspruch auf Zulassung von Noven im Berufungsverfahren ableiten. Die Vorinstanz wies seine im Berufungsverfahren vorgebrachten Noven gestützt auf Art. 317 Abs. 1 ZPO aus dem Recht. Der Beschwerdeführer erklärt nicht, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein soll, die neuen Beweismittel (diverse Arztberichte und ein Brief des Beschwerdeführers an die vormaligen Beklagten vom 9. September 2016) bereits im Zeitpunkt der Klageeinreichung zu beschaffen bzw. die neuen Tatsachen (Unmöglichkeit der früheren Klageeinreichung infolge Vorbereitung der Trauerfeier, Erholungsurlaube, Liquidierung des mütterlichen Haushaltes, Arztkonsultationen, gesundheitlicher Vorfälle, Schwierigkeiten bei der Anwaltssuche) schon in der Klageschrift vorzutragen. Im Übrigen legt er auch nicht dar, weshalb diese überhaupt entscheidrelevant sein sollten (vorne E. 2). Denn die für die kantonalen Instanzen ausschlaggebende Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach dem Tod seiner Mutter zielgerichtet Nachforschungen zu seiner Abstammung tätigte, bleibt weiterhin unbestritten.
3.7. Letztlich macht der Beschwerdeführer noch geltend, das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von Art. 256c Abs. 3 ZGB sei zu bejahen, da seine Interessen diejenigen der vorverstorbenen Eltern und der Geschwister überwögen. Die Geschwister hätten ihr Desinteresse ausdrücklich erklärt. Die Vorinstanz verwies in diesem Zusammenhang auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung in BGE 134 III 241 E. 5, wonach das Kind einen Anspruch auf Kenntnis seiner Abstammung hat. Zur Kenntnis der eigenen Abstammung genüge aber die grundsätzliche Anerkennung eines Anspruchs auf Auskunft. Mit dieser Argumentation setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Er behauptet nicht, es lägen besondere Umstände vor, aufgrund derer er diesen Anspruch nicht geltend machen könnte. Vorliegend ist sein Anspruch auf Kenntnis seiner Abstammung dadurch gewahrt, dass das erstinstanzliche Verfahren mit Bezug auf die Klage betreffend Feststellung der Nicht-Abstammung vom Registervater fortgeführt wird.
3.8. Zusammenfassend hat die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen somit bundesrechtskonform ausgeübt, indem sie das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von Art. 256c Abs. 3 ZGB verneinte und festhielt, die Anfechtungsklage sei verwirkt.
4.
Auf den Eventualantrag, die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, wird mangels Begründung in der Beschwerdeschrift nicht eingetreten (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286).
5.
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Juli 2018
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller