Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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6B_188/2018
Urteil vom 23. Juli 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Rohrer.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Hans Stünzi,
substituiert durch Kathrin Kriesi, Rechtsanwälte,
Beschwerdeführerin,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Entschädigung im Strafverfahren,
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Schwyz, Kantonsgerichtsvizepräsidentin, vom 10. Januar 2018 (GPR 2017 18).
Sachverhalt:
A.
Am 20. April 2017 erstattete die A.________ AG Strafanzeige gegen X.________. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, X.________ habe am 20. Januar 2017 vom Gesellschaftskonto Nr. xxx bei der B.________-Bank den Betrag von Fr. 15'000.- auf ihr eigenes Privatkonto überwiesen. Da ihr das Gesellschaftskonto lediglich anvertraut worden sei, um Steuerrechnungen zu bezahlen, habe sich X.________ durch ihr Verhalten der Veruntreuung nach Art. 138 StGB und der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 2 StGB strafbar gemacht.
B.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2017 teilte Rechtsanwalt Hans Stünzi der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz mit, dass ihn X.________ mit ihrer Verteidigung mandatiert habe. Am 12. Juli 2017 wurde X.________ in Anwesenheit ihres Rechtsvertreters polizeilich einvernommen. Letzterer reichte am 23. August 2017 und am 30. August 2017 diverse Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft ein.
C.
Mit Verfügung vom 14. September 2017 entschied die Staatsanwaltschaft, dass keine Strafuntersuchung an die Hand genommen werde. Die Verfahrenskosten gingen zu Lasten des Staats. Eine Entschädigung für die im Strafverfahren entstandenen Anwaltskosten wurde X.________ indessen nicht ausgerichtet. Die von ihr dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Schwyz mit Verfügung vom 10. Januar 2018 ab.
D.
Mit Eingabe vom 12. Februar 2018 erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, es sei ihr für die in der Strafuntersuchung vor der kantonalen Staatsanwaltschaft angefallenen Kosten eine Entschädigung von Fr. 1'666.- (inkl. Mehrwertsteuer und Barauslagen) zuzusprechen. Am 27. Februar 2018 stellt sie zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
E.
Das Kantonsgericht Schwyz und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz verzichteten darauf, eine Vernehmlassung einzureichen.
Erwägungen:
1.
Entscheide über die in Art. 429 Abs. 1 StPO vorgesehenen Ansprüche sind Entscheide in Strafsachen im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG, gegen welche die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (BGE 139 IV 206 E. 1 S. 208).
2.
2.1. Die Vorinstanz ist der Ansicht, dass der Beizug eines Rechtsanwalts im vorliegenden Fall keine angemessene Ausübung der Verfahrensrechte im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO darstelle, und erachtet damit die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Parteientschädigung als nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin hätte sich selber hinreichend verteidigen können.
2.2. Die Beschwerdeführerin hält im Wesentlichen dagegen, dass in der Strafanzeige schwerwiegende Vorwürfe gegen sie erhoben worden seien, welche die Beurteilung anspruchsvoller Rechtsfragen bedingt hätten. Als sie mit der Strafanzeige konfrontiert worden sei, habe sie deren Folgen und den weiteren Verlauf der Untersuchung nicht abschätzen können. Der Beizug des Rechtsvertreters sei damit angemessen gewesen.
2.3. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Dies gilt auch für den Fall, dass von einer Eröffnung der Strafuntersuchung abgesehen und das Verfahren mit einer Nichtanhandnahmeverfügung erledigt wird (BGE 139 IV 241 E. 1 S. 242).
Unter die hier ins Auge gefasste Entschädigung fallen insbesondere die der beschuldigten Person für einen Verteidiger ihrer Wahl angefallenen Auslagen (BGE 139 IV 241 E. 1 S. 242; Urteil 6B_403/2015 vom 25. Februar 2016 E. 2.1). Der Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass sowohl der Beizug eines Anwalts als auch der von diesem betriebene Aufwand angemessen ist. Der vom Anwalt betriebene Aufwand hat sich in juristisch einfachen Fällen auf ein Minimum zu beschränken; allenfalls muss es bei einer einfachen Konsultation sein Bewenden haben. Nur in Ausnahmefällen jedoch wird bei Verbrechen und Vergehen schon die Beiziehung eines Anwalts an sich als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bezeichnet werden können (BGE 142 IV 45 E. 2.1 S. 46 f.; 138 IV 197 E. 2.3.4 und 2.3.5 S. 203 f.; Urteil 6B_800/2015 vom 6. April 2016 E. 2.3). Das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht sind komplex und stellen insbesondere für Personen, die das Prozessieren nicht gewohnt sind, eine Belastung und grosse Herausforderung dar. Wer sich selbst verteidigt, dürfte deshalb prinzipiell schlechter gestellt sein. Beim Entscheid über die Angemessenheit des Beizugs eines Anwalts ist neben der Schwere des Tatvorwurfs und der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Falls insbesondere auch die Dauer des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf die persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu berücksichtigen (BGE 142 IV 45 E. 2.1 S. 47; 138 IV 197 E. 2.3.5 S. 203). O b der Beizug eines Anwalts angemessen war, hängt folglich von den konkreten Umständen des einzelnen Falles ab, wobei an das Kriterium der Angemessenheit keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Urteil 6B_843/2015 vom 24. Februar 2016 E. 2.2).
Die Frage, ob der Beizug eines Anwalts und der von diesem betriebene Aufwand eine angemessene Ausübung der Verfahrensrechte darstellen, ist bundesrechtlicher Natur. Das Bundesgericht prüft deren Beantwortung und mithin die Auslegung von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO frei. Es auferlegt sich indessen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der vorinstanzlichen Einschätzung, insbesondere hinsichtlich der Frage, welcher Aufwand des Anwalts im konkreten Fall noch als angemessen zu bezeichnen ist (BGE 142 IV 45 E. 2.1 S. 47 mit Hinweisen).
2.4. Die Vorinstanz begründet die Nichtausrichtung einer Entschädigung damit, dass das Verfahren nach nur einer auf die Klärung tatsächlicher Umstände beschränkten polizeilichen Einvernahme nicht an die Hand genommen wurde. Die Strafverfolgungsbehörde habe die Strafanzeige mithin pragmatisch und einfach erledigt. Es liege kein komplexer Fall vor, in welchem es zu zusätzlichen Einvernahmen und Abklärungen gekommen wäre, die eine Verteidigung als angemessen hätten erscheinen lassen können. Die Beschwerdeführerin habe sich darauf beschränken können, den in der Strafanzeige geäusserten Verdacht in tatsächlicher Hinsicht zu bestreiten und darzutun, dass Privatbezüge üblich gewesen seien. Sie sei nicht in eine Verfahrenssituation geraten, in der sie sich allein verteidigend hätte Gefahr laufen können, benachteiligt zu werden. Die polizeilichen Befragungen seien trotz der relativen Schwere des Tatvorwurfs unproblematisch gewesen und hätten weder Abklärungen noch die Anwesenheit eines Anwalts erfordert.
2.5. Die Vorinstanz beurteilt damit die Frage, ob der Beizug eines Anwalts als angemessen erscheint, aus einer "ex post" Perspektive. Wie das Bundesgericht indessen bereits im Urteil 6B_800/2015 vom 6. April 2016 festgehalten hat, kann es bei der Beurteilung der Angemessenheit der Beiziehung eines Anwalts nur auf Umstände ankommen, die im Zeitpunkt der Mandatierung bekannt waren. Insbesondere kann es keine Rolle spielen, wie lange das Verfahren in der Folge noch dauerte oder mit welcher Hartnäckigkeit es von der Staatsanwaltschaft weiterverfolgt wurde (vgl. Urteil 6B_800/2015 vom 6. April 2016 E. 2.6). Vielmehr ist zu fragen, ob die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Mandatierung ihres Anwalts, also nach Eingang der Strafanzeige und vor Durchführung der polizeilichen Einvernahme, aufgrund der konkreten Umstände Anlass hatte, einen Rechtsvertreter beizuziehen. Dies ist vorliegend aus nachfolgenden Gründen zu bejahen.
2.6. Die Beschwerdeführerin wurde wegen Veruntreuung (Art. 138 StGB) und ungetreuer Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) angezeigt. Bei den angezeigten Delikten handelt es sich um Verbrechen (Art. 138 i.V.m Art. 10 Abs. 2 StGB) bzw. Vergehen (Art. 158 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 StGB). Die Beschwerdeführerin sah sich mit der Anzeige folglich gravierenden Vorwürfen ausgesetzt. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht, liessen sich die Vorwürfe für eine rechtsunkundige Person auch nicht einfach und ohne juristische Schwierigkeiten beurteilen. So war etwa zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin Vermögenswerte anvertraut waren, ob sie berechtigt war, Vermögensdispositionen zu tätigen, ob derartige Dispositionen üblich waren und ob die Vermögensdisposition pflichtwidrig erfolgt war. Im Zusammenhang mit letzterer Frage war zudem zu klären, ob die Vermögensdisposition als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren war und ob diese im Einklang mit zwingenden aktienrechtlichen Bestimmungen stand, die den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezwecken.
Mit Blick auf diese Problemstellungen kann kaum gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin als juristische Laiin die Tragweite der in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe selbstständig hätte abschätzen und einordnen können, so dass es ihr zumutbar gewesen wäre, sich selber gegen die doch schwerwiegenden Anschuldigungen zu verteidigen. Dies gilt umso mehr, als dass es zur Beurteilung dieser Fragen nicht ausreicht, das Gesetz zu kennen, sondern auch die Rechtsprechung beigezogen werden muss. So hatte sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Nichteintretensverfügung denn auch mehrmals auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu berufen. Darüberhinaus hat auch die Staatsanwaltschaft nach Eingang der Strafanzeige nicht etwa die Nichtanhandnahme verfügt (vgl. Art. 310 Abs. 1 StPO), sondern die Polizei zu ergänzenden Ermittlungen beauftragt. Folglich erachtete auch die Strafverfolgungsbehörde die Vorwürfe in der Strafanzeige nicht als derart unproblematisch und unhaltbar, als dass bereits mit Blick darauf eine Nichtanhandnahme verfügt werden konnte. Als die Beschwerdeführerin mit der Strafanzeige konfrontiert wurde, war für sie nicht absehbar, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht an die Hand nehmen würde. Sie hatte mithin genügend Anlass, einen Rechtsvertreter beizuziehen.
Indem die Vorinstanz festhält, dass der Beizug eines Rechtsvertreters vorliegend nicht angemessen gewesen sei, verletzt sie Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO. Ob der konkrete Arbeitsaufwand des Verteidigers und damit die Höhe der geltend gemachten Entschädigung gerechtfertigt ist, bleibt von der Vorinstanz indessen noch zu prüfen.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur Festsetzung einer angemessenen Entschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Gerichtskosten zu erheben ( Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG ). Der Kanton Schwyz hat der Beschwerdeführerin eine angemessene Entschädigung zu bezahlen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Diese ist praxisgemäss ihrem Rechtsvertreter auszurichten. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Kantonsgerichts Schwyz vom 10. Januar 2018 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Schwyz hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Hans Stünzi, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000. - zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Kantonsgerichtsvizepräsidentin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Juli 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer