Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
6B_301/2018
Urteil vom 26. Juli 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Briw.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Götze,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Willkür, rechtliches Gehör, Rechtsbeistand (Fahren in fahrunfähigem Zustand, Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 18. Dezember 2017 (SB170196).
Sachverhalt:
A.
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte auf Berufung von X.________ am 18. Dezember 2017 ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 5. April 2017, indem es ihn schuldig sprach des Fahrens in fahrunfähigem Zustand (Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a VRV [SR 741.11] sowie Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA [SR 741.013.1]) sowie der Übertretung von Art. 19a Ziff. 1 BetmG. Es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 120.-- und Fr. 100.-- Busse. Abweichend vom Bezirksgericht schob es den Vollzug der Geldstrafe mit einer Probezeit von 4 Jahren auf.
B.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil aufzuheben, ihn vollumfänglich von Schuld und Strafe freizusprechen, eventualiter die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer ersucht um aufschiebende Wirkung, zumal er nicht nur zu einer bedingten Geldstrafe, sondern auch zu einer (unbedingten) Busse verurteilt worden sei.
Der Beschwerdeführer belegt nicht, dass Vollzugsmassnahmen angeordnet wurden oder unmittelbar bevorstünden, und begründet keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 103 BGG (Urteile 6B_1324/2017 vom 9. Mai 2018 E. 1 und 6B_719/2016 vom 13. Oktober 2016 E. 2). Auf das Gesuch ist nicht einzutreten.
2.
Der Beschwerdeführer beanstandet drei Aspekte des vorinstanzlichen Urteils: Erstens erblicke er eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung darin, dass die Vorinstanz mit den beiden Polizeibeamten von einem hinreichenden Tatverdacht ausgehe, zweitens gewichte die Vorinstanz das Recht auf einen Anwalt der ersten Stunde nicht ausreichend und drittens stelle die Ablehnung der Beweisbegehren (Gutachten und Befragung des SOS-Arztes) eine Gehörsverletzung dar. Dies müsse letztlich zu einer Unverwertbarkeit der Beweise und damit zu einem Freispruch führen.
2.1. Der Beschwerdeführer macht eine unzulässige Beweisausforschung geltend. Er sei am 15. September 2016 bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle von zwei Polizisten der Stadt Kloten angehalten worden. Der Polizist A.________ habe sich längere Zeit mit ihm unterhalten und dabei das Fahrzeug kontrolliert. Der Polizist habe in der bezirksgerichtlichen Befragung ausgeführt, er habe ein "Gefühl" entwickelt, dass etwas nicht stimme. Worauf das beruhte, habe er nicht erklären können. Aufgrund dieses Gefühls habe er den Kollegen beigezogen. Dieser habe ihn als Verify-Experte nach Anzeichen für einen vorgängigen Drogenkonsum untersucht. Der Polizist A.________ sei bei einer früheren Streiterei ausgerückt, habe in seiner Wohnung starken Cannabisgeruch festgestellt und ihn wiedererkannt. Auf dem Polizeiposten sei ein SOS-Arzt aufgeboten worden, der keinerlei Anzeichen und keine Notwendigkeit für weitere Abklärungen festgestellt habe. Die Darstellungen der Polizisten und des SOS-Arztes gingen diametral auseinander. Es überzeuge nicht, wenn die Vorinstanz annehme, drei Stunden nach der Verkehrskontrolle auf dem Polizeiposten seien die Symptome vielleicht schon abgeklungen. Für gerötete Augen könne es viele Erklärungen geben. Im Lichte all dieser Umstände ergäben sich erhebliche Zweifel. Dass die Vorinstanz die Aussagen der beiden Polizisten als glaubwürdiger taxiere, sei eklatant unrichtig und erscheine im Ergebnis als geradezu willkürlich.
"Es gibt noch einen weiteren Punkt, der diese Theorie stützt, und zwar die Höhe des gemessenen THC-Gehalts im Blut des Beschwerdeführers" (Beschwerde S. 8). Der THC-Gehalt seines Blutes sei zwar rund dreimal höher als der gesetzliche Grenzwert gewesen, aber trotzdem sehr tief. Dieser Grenzwert sage nichts aus. Er vertrete die Auffassung, dass er durch den gemessenen Gehalt überhaupt nicht beeinträchtigt gewesen sei. Er "kiffe" nie, bevor er ins Auto steige, sondern warte immer 24 Stunden. Alles deute darauf hin, dass nie ein Anfangsverdacht bestanden habe.
2.2. Die Vorinstanz würdigt die Zeugenaussagen der beiden Polizeibeamten. Dem Beamten A.________ fiel zuerst das laute Tönen des Fahrzeugs auf, weshalb er es anhielt. Er hatte das Gefühl, dass die Pupillen nicht normal reagierten. Er zog den Kollegen mit Verify-Ausbildung bei. Dieser stellte im Gespräch mit dem Beschwerdeführer einen Geruch ähnlich wie bei Cannabis fest, die Pupillen hätten nicht bzw. nur verzögert auf direkten Lichteinfall reagiert, weiter stellte er gerötete wässerige Augen und ein starkes Augenliderflattern bei geschlossenen Augen fest. Bei der Erläuterung dieser Symptome sei es zu einer extremen Stimmungsschwankung beim Beschwerdeführer gekommen.
Der Beschwerdeführer bestritt in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme sowie der erst- und vorinstanzlichen Befragung, nicht fahrfähig gewesen zu sein. Die Vorinstanz weist weiter darauf hin, dass der SOS-Arzt keine Auffälligkeiten festgestellt hatte. Zwischen der Polizeikontrolle und der Feststellung des Arztes lägen drei Stunden, so dass es möglich sei, dass die Symptome abgeklungen seien. Dass Angaben des Arztes zur Lichtreaktion der Augen fehlten, lasse aber nicht schliessen, dass der Arzt falsche Feststellungen getroffen habe (Urteil S. 12). Dem Beweisantrag auf Einvernahme des SOS-Arztes sei nicht stattzugeben (Urteil S. 13). Es bestehe keine Veranlassung, an der beruflichen Qualifikation des Verify-Beamten zu zweifeln (Urteil S. 13 f.), und es seien keine Anhaltspunkte für eine Falschbelastung durch den Beamten ersichtlich (Urteil S. 14). Von der Einholung eines Gutachtens sei abzusehen (Urteil S. 14 f.). Der Grenzwert gemäss Art. 34 VSKV-ASTRA sei deutlich überschritten worden. Die Abnahme der Blut- und Urinprobe sei rechtmässig erfolgt. Die Ergebnisse seien verwertbar (Urteil S. 15).
Das Vorbringen, es sei der Anwalt der ersten Stunde verweigert worden, ändere nichts, und es lasse sich daraus keine Unverwertbarkeit des Gutachtens ableiten. Gegen die Anordnung der Zwangsmassnahme hätte ein Anwalt nichts ausrichten können. Gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft sei kein Rechtsmittel ergriffen worden. Auf das Protokoll der polizeilichen Befragung ("FinZ-Set") bei der Anhaltung (Art. 215 StPO) ohne Anwalt werde nicht abgestellt. Die erste formelle Einvernahme habe bei der Staatsanwaltschaft im Beisein des Anwalts stattgefunden (Urteil S. 16).
2.3. Die Vorbringen des Beschwerdeführers erweisen sich als appellatorisch. Eine willkürliche Entscheidung ist nicht ersichtlich.
Der Polizeibeamte füllte das Protokoll wegen Verdachts auf Fahrunfähigkeit aus. Der Beschwerdeführer setzte sich in der Folge gegen die staatsanwaltschaftlich angeordnete Blut- und Urinasservierung im Spital zur Wehr, weshalb er auf den Polizeiposten verbracht wurde, wo der SOS-Arzt aufgeboten wurde. Dort erfolgte die Urinasservierung unter Überwachung durch den Polizeibeamten. Die Blutentnahme erfolgte durch den SOS-Arzt. Nach dessen Einschätzung waren die Augenbindehäute unauffällig und die Fahrfähigkeit nicht beeinträchtigt.
Anders als bei der anlassfreien Atemalkoholprobe (Art. 55 Abs. 1 SVG; BGE 142 IV 23 E. 3.2 S. 26, 324 E. 1.1.2 S. 326) sind Untersuchungen bezüglich Drogen und Arzneimittel nur zulässig, wenn der Fahrzeugführer Anzeichen aufweist, die nicht auf Alkohol zurückzuführen sind (BGE 139 II 95 E. 2.1 S. 98 f.). Die Proben sind rechtswidrig erlangt und nicht verwertbar, wenn Blutentnahme oder Urinprobe ohne auf Fahrunfähigkeit hinweisende Anzeichen erfolgen (Art. 141 Abs. 2 StPO; BGE 139 II 95 E. 2.2 und 2.3 S. 99). Anzeichen für das Vorliegen einer Fahrunfähigkeit beurteilen sich nach den konkreten Umständen. Es ist ausreichend, wenn die Polizisten aufgrund auffälliger körperlicher Symptome auf den Konsum von Drogen schliessen konnten bzw. deswegen ohne Bundesrechtsverletzung einen entsprechenden Anfangsverdacht haben durften, der zur Anordnung der Blut- und Urinproben berechtigte (Urteil 6B_244/2011 vom 20. Juni 2011 E. 3.3).
Die Polizeibeamten konnten an der Verkehrskontrolle von einem Anfangsverdacht ausgehen. Dass der SOS-Arzt drei Stunden später keine entsprechende Anzeichen wahrzunehmen vermochte, ändert daran nichts. Die Blutentnahme durfte gegen den Willen des Beschwerdeführers angeordnet werden (Art. 55 Abs. 3 lit. a SVG). Die Blutentnahme wurde von der Staatsanwaltschaft rechtmässig gemäss Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO angeordnet. Diese Anordnung kann auch zunächst mündlich, mithin telefonisch durch den Pikett-Staatsanwalt erfolgen (BGE 143 IV 313 E. 5.2 S. 315).
Das THC-Betäubungsmittel gilt gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV als nachgewiesen, wenn der Messwert im Blut den Wert von 1,5 erreicht oder überschreitet (Art. 34 VSKV-ASTRA). Nach dem Gutachten ergab die Blutanalyse einen THC-Wert von 3,3 bis 6,3 (Urteil S. 7). Damit ist die Fahrunfähigkeit des Beschwerdeführers gesetzlich nachgewiesen.
2.4. Der Beschwerdeführer rügt, es sei ihm im Zeitpunkt der Blut- und Urinentnahme ein Anwalt der ersten Stunde faktisch verweigert worden. Im polizeilichen Ermittlungsverfahren hätte er einen Anwalt beiziehen dürfen, und er habe darum mehrmals ersucht. Selbstredend habe es sich nicht mehr um eine blosse polizeiliche Anhaltung gehandelt. Die Polizei sei verpflichtet gewesen, ihn bei der Suche eines Anwalts zu unterstützen (Beschwerde S. 10). Der Polizeibeamte habe die Pikett-Nummer sicher schon vorher gekannt. Er habe während des polizeilichen Ermittlungsverfahrens Aussagen gemacht, die ihn später belastet hätten (Beschwerde S. 11). Es hätten keine Beweise erhoben werden dürfen. Indem die Vorinstanz das Gutachten als Ergebnis der in unzulässiger Weise, d.h. ohne Beisein eines Anwalts, durchgeführten Blut- und Urinprobe im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens verwerte, verstosse sie gegen Art. 127 in Verbindung mit Art. 141 Abs. 2 StPO (Beschwerde S. 13).
Gemäss Art. 127 StPO können Verfahrensbeteiligte zur Wahrung ihrer Interessen einen Rechtsbeistand bestellen. Das stellt die Vorinstanz nicht in Abrede. Es erübrigt sich, in diesem Zusammenhang auf die Tragweite dieser Bestimmung einzutreten. Der Beweis der Fahrunfähigkeit wurde nicht rechtswidrig erhoben. Der Beweis wurde unabhängig vom Willen des Beschwerdeführers mittels strafprozessualer Zwangsmassnahme sowie durch rechtsmedizinische Blutanalyse objektiv erhoben und nicht aufgrund von Aussagen des Beschwerdeführers oder dessen aktiver Mitwirkung. Das Gutachten ist verwertbar. Die Frage eines Anwalts der ersten Stunde ist nicht zu erörtern. Der Beschwerdeführer legt nicht dar (Art. 42 Abs. 2 BGG), inwiefern ihm ein Anwalt "faktisch" verweigert worden sein sollte.
2.5. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Verweigerung beantragter Beweisabnahmen.
Entgegen seinen Vorbringen ist keineswegs strittig, ob die Blut- und Urinprobe überhaupt hätte angeordnet werden dürfen, und die Sach- und Beweislage war nicht nicht von allem Anfang an unklar (Beschwerde S. 14). Die Vorinstanz durfte willkürfrei von einem durch den Verify-Beamten festgestellten Anfangsverdacht ausgehen. Wie ein verkehrsmedizinisches Gutachten darüber sollte Aufschluss geben, ob die Aussagen der Polizisten und deren im FinZ-Set-Protokoll festgehaltenen Feststellungen glaubhaft erscheinen (Beschwerde S. 15), ist nicht ersichtlich. Die Glaubhaftigkeit von Aussagen und das Bestehen eines Anfangsverdachts haben die Gerichte zu beurteilen.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die einzige involvierte Person mit medizinischem Fachwissen, der SOS-Arzt, sei nie befragt worden (Beschwerde S. 16). Auch dieses Vorbringen ist unbehelflich. Der Arzt hatte seine Erkenntnisse notiert. Die Vorinstanz hat sie gewürdigt. Dessen Ansicht konnte weder entscheidenden Einfluss darauf haben, ob die Polizisten bei der Verkehrskontrolle zutreffend von einem Anfangsverdacht ausgegangen waren noch ob die Staatsanwaltschaft eine Blutentnahme und die rechtsmedizinische Begutachtung hatte anordnen dürfen. Auch insoweit sind die Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO nicht verletzt (Beschwerde S. 17). Zum Gehörsrecht im Zusammenhang von in antizipierter Beweiswürdigung abgelehnten Beweisanträgen kann auf das Urteil 6B_880/2017 vom 4. Juli 2018 E. 2.7 verwiesen werden.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Juli 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Briw