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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
4A_372/2018
Urteil vom 30. Juli 2018
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Niquille, May Canellas,
Gerichtsschreiber Kölz.
Verfahrensbeteiligte
A.________ SARL,
vertreten durch Rechtsanwalt Flurin Turnes,
Beschwerdeführerin,
gegen
Obergericht Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, Landsgemeindeplatz 7c, Fünfeckpalast, 9043 Trogen,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege für eine juristische Person,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, vom 16. Mai 2018 (ERZ 18 18).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ SARL (Beschwerdeführerin) mit Sitz in U.________ erhob gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Appenzell Ausserrhoden vom 21. September 2017 Berufung an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden. Nachdem sie zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert worden war, ersuchte sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren.
Mit Entscheid vom 16. Mai 2018 wies der Einzelrichter am Obergericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit der Begründung ab, dass kein Fall vorliege, in dem einer juristischen Person ausnahmsweise die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt werden könne.
B.
Die A.________ SARL verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Entscheid des Einzelrichters sei aufzuheben, und das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren sei gutzuheissen.
Ausserdem begehrt sie auch für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege sowie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
Mit Präsidialverfügung vom 9. Juli 2018 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt, nachdem das Obergericht auf eine Vernehmlassung zu diesem Gesuch verzichtet hatte.
In der Sache wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG), mit dem die unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren verweigert wurde. Dass das Obergericht nicht als Rechtsmittelinstanz im Sinne von Art. 75 Abs. 2 BGG über die unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren entschieden hat, schadet nicht (BGE 137 III 424 E. 2.2; Urteil 5A_158/2017 vom 17. August 2017 E. 2). Es handelt sich um einen Vor- und Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann (siehe BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; 129 I 129 E. 1.1).
Bei Vor- und Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 261 E. 1.4, 380 E. 1.1 S. 382; 133 III 645 E. 2.2). In der Hauptsache geht es um ein arbeitsrechtliches Verfahren, gemäss Vorinstanz mit einem Streitwert von Fr. 69'750.--. Die Beschwerde in Zivilsachen ist demnach gegeben (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG).
2.
2.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Mit Art. 117 ff. ZPO wird der als verfassungsrechtliche Minimalgarantie in Art. 29 Abs. 3 BV verankerte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung auf Gesetzesstufe geregelt. Die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 117 f. ZPO stimmen mit denjenigen der Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV überein (BGE 142 III 131 E. 4.1 S. 136 mit Hinweisen).
2.2. Art. 117 ZPO schliesst die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für juristische Personen nicht ausdrücklich aus. Die Regelung ist aber auf natürliche Personen zugeschnitten. Juristische Personen können grundsätzlich weder die unentgeltliche Prozessführung noch eine Verbeiständung beanspruchen. Sie sind nicht arm oder bedürftig, sondern bloss zahlungsunfähig oder überschuldet und haben in diesem Fall die gebotenen gesellschafts- und konkursrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Juristische Personen verfügen deshalb - wie grundsätzlich auch die Konkurs- oder Nachlassmasse - über keinen bundesrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung (BGE 143 I 328 E. 3.1 S. 330 mit Hinweisen).
In seiner Verfassungsrechtsprechung hat das Bundesgericht stets daran festgehalten, dass eine juristische Person keinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege erheben kann. In BGE 119 Ia 337 hat es eine Ausnahme in Betracht gezogen, wenn das einzige Aktivum der juristischen Person im Streit liegt und "se risultano adempiute altre condizioni, sul modello della legislazione tedesca". Der Sache nach ging es bei diesen weiteren Bedingungen - in Anlehnung an die in der deutschen Zivilprozessordnung geltende Regelung - lediglich um die Mittellosigkeit der "persone interessate economicamente alla società". Die später veröffentlichte Rechtsprechung ist denn auch davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege für eine juristische Person ausnahmsweise dann bestehen kann, wenn ihr einziges Aktivum im Streit liegt und neben ihr auch die wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind (BGE 143 I 328 E. 3.1 S. 331 mit Hinweisen). Ob zu verlangen ist, dass ein öffentliches und allgemeines Interesse an der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zur Weiterexistenz der juristischen Person zusätzlich ausgewiesen wird, hat das Bundesgericht offengelassen. Dagegen hat es darauf hingewiesen, dass die unentgeltliche Rechtspflege juristischen Personen jedenfalls dann zu verweigern ist, wenn das Verfahren, für das sie beansprucht wird, deren Weiterexistenz nicht sichert (BGE 143 I 328 E. 3.3).
3.
Die Beschwerdeführerin diskutiert die Erfolgschancen der Berufung und wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 117 ZPO vor, weil sie "das Kriterium der Nichtaussichtslosigkeit (der Berufung) " nicht in Betracht gezogen habe. Ferner stellt sie sich auf den Standpunkt, die Allgemeinheit sei betroffen, da ihr "Kosten erwachsen würden, wenn das erstinstanzliche Urteil Bestand hätte".
Diese Ausführungen sind nicht zielführend. Vorliegend gebricht es bereits an der ersten Voraussetzung für eine ausnahmsweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an eine juristische Person, nämlich, dass ihr einziges Aktivum im Streit liegt. In der Hauptsache geht es gemäss dem angefochtenen Entscheid vielmehr um ein Passivum der Beschwerdeführerin, die eine arbeitsrechtliche Lohnforderung abwehren will. Damit erübrigt es sich, die weiteren Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege bundesrechtskonform verweigert.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Da sie von vornherein aussichtslos erschien, kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren nicht entsprochen werden, unabhängig davon, dass auch nach Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG der grundsätzliche Ausschluss der unentgeltlichen Rechtspflege für juristische Personen zum Tragen kommt. Die Gerichtskosten sind somit nach Art. 66 Abs. 1 BGG der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.
2.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. Juli 2018
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Kölz