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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_187/2018
Urteil vom 10. September 2018
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiber Grunder.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Reger-Wyttenbach,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 27. Dezember 2017 (IV.2016.00682).
Sachverhalt:
A.
Die 1955 geborene A.________ meldete sich am 13. Dezember 2013 (Eingangsstempel) wegen Beschwerden an der Wirbelsäule sowie Depressionen etc. zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich tätigte verschiedene Abklärungen. Laut Bericht "Abklärung der beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt" vom 1. September 2014 wäre die Versicherte ohne Gesundheitsschaden weiterhin zu 40 % erwerblich tätig gewesen und hätte zu 60 % den Haushalt geführt. Gemäss dem auf innermedizinischen, orthopädischen, neurologischen sowie psychiatrischen Untersuchungen beruhenden Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtungen (ZMB), Basel, vom 13. April 2015 litt die Explorandin mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit an einem chronischen linksbetonten cervikocephalem sowie einem chronifizierten thorakolumbalem Schmerzsyndrom. Sie war für wechselschichtig ausübbare, leichte Arbeiten, die Bücken des Körpers oder Heben schwerer Lasten (und so weiter) nicht erforderten, erheblich eingeschränkt. In einer angepassten Erwerbstätigkeit war sie zu 70 % arbeitsunfähig, als Hausfrau zu 50 %. Auf Nachfrage des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) hin präzisierten die medizinischen Sachverständigen ihr Gutachten (Schreiben des ZMB vom 19. Mai 2015). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren ermittelte die IV-Stelle gestützt auf die gemischte Methode (Anteil Erwerbstätigkeit: 40%; Anteil Haushalt: 60 %) einen Invaliditätsgrad von 42 % und sprach der Versicherten ab 1. Juli 2014 eine Viertelsrente zu (Verfügung vom 26. Mai 2016).
B.
In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde stellte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Dezember 2017 fest, dass die Versicherte ab 1. Juli 2014 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente habe.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 26. Mai 2016 sei zu bestätigen. Zudem ersucht sie, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Streitig und zu prüfen ist die Rechtsfrage (vgl. dazu BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 9C_854/2008 vom 17. Dezember 2008 E. 3.2 mit Hinweisen), ob die Beschwerdegegnerin angesichts ihres fortgeschrittenen Alters nach allgemeiner Lebenserfahrung in einem als ausgeglichen unterstellten Arbeitsmarkt (vgl. Art. 7 Abs. 1 und Art. 16 ATSG) noch als vermittelbar gelten konnte und die ihr verbliebene Leistungsfähigkeit erwerblich zu verwerten vermochte. Das kantonale Gericht hat die in diesem Kontext zu beachtende Rechtslage zutreffend erörtert. Darauf wird verwiesen.
3.
3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Versicherte habe vom medizinisch festgelegten Belastungsprofil einer ihr noch zumutbaren Erwerbstätigkeit im August 2015 Kenntnis nehmen können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie 59 Jahre und 10 Monate alt gewesen, womit ihr noch eine Aktivitätsdauer von rund 4 Jahren verblieben sei. Das Bundesgericht sei im Urteil 9C_183/2017 vom 30. Oktober 2017 bei einer im relevanten Zeitpunkt knapp 59 Jahre alt gewesenen Versicherten mit einer Restarbeitsfähigkeit von 70 % und einer ausgeprägten arbeitsmarktlichen Desintegration davon ausgegangen, es beständen praktisch keine Anstellungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr, weshalb eine vollständige Erwerbsunfähigkeit anzunehmen gewesen sei. Verglichen mit dem diesem Fall zugrunde liegenden Sachverhalt sei die Versicherte zwar deutlich weniger lange vom Arbeitsmarkt abwesend gewesen (etwas mehr als 10 Jahre), doch sei sie im relevanten Zeitraum ein Jahr älter und zudem in der erwerblichen Arbeitsfähigkeit erheblich stärker eingeschränkt gewesen (70 %). Namentlich die Umstände, dass sie im massgeblichen Zeitpunkt nur noch rund 4 Jahre vor der Pensionierung gestanden habe, einen Berufswechsel hätte machen müssen und in einer angepassten Erwerbstätigkeit höchstens noch zu 30 % arbeitsfähig gewesen wäre, hätten einen durchschnittlichen Arbeitgeber realistischerweise davon abgehalten, die mit einer Beschäftigung verbundenen Risiken wie krankheitsbedingte Ausfälle, berufliche Unerfahrenheit sowie alters- und krankheitsbedingt geringe Anpassungsfähigkeit einzugehen, zumal behindertengerechte Arbeitsplätze von behinderten Personen in jungem und mittleren Alter ebenfalls stark nachgefragt würden. Sei die Restarbeitsfähigkeit von 30 % wirtschaftlich nicht mehr verwertbar, liege eine vollständige Invalidität im Sinne von Art. 8 Abs. 1 ATSG im Erwerbsbereich vor.
3.2.
3.2.1. Die IV-Stelle macht zunächst geltend, dass sich der Sachverhalt, der dem vorinstanzlich zitierten Urteil 9C_183/2017 vom 30. Oktober 2017 zugrunde gelegen habe, nicht mit dem vorliegenden vergleichen lasse. Auf dieses Vorbringen ist nicht näher einzugehen, zumal in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob die versicherte Person wegen des fortgeschrittenen Alters die verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch zu verwerten vermöchte.
3.2.2. Weiter macht die IV-Stelle an sich zutreffend geltend, entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts sei nach der Rechtsprechung zur Festlegung der Aktivitätsdauer nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die versicherte Person von der medizinisch eingeschätzten Arbeitsfähigkeit Kenntnis genommen habe, sondern auf denjenigen, in dem die zumutbare Restarbeitsfähigkeit festgestanden habe. Vorliegend sei das beweiskräftige Gutachten des ZMB vom 13. April 2015 mit Ergänzungen vom 19. Mai 2015 massgebend. In diesem Punkt (vgl. dazu BGE 138 V 457) hat das kantonale Gericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt. Der Beschwerdegegnerin verblieb demnach, wie die IV-Stelle richtig festhält, noch eine Aktivitätsdauer von rund 4.5 Jahren. Ansonsten beanstandet die Verwaltung den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt nicht, weshalb diesbezüglich zur Beurteilung der Rechtsfrage von den Erwägungen im angefochtenen Entscheid auszugehen ist.
3.2.3. In Präzisierung des vom ZMB formulierten Belastungsprofils (Gutachten vom 13. April 2015 und Ergänzungsschreiben vom 19. Mai 2015) hielt der RAD am 29. Mai 2015, worauf die Vorinstanz abgestellt hat, Folgendes fest: "Körperlich wechselbelastende leichte Tätigkeiten unter Meidung monotoner und/oder repetitiver Fehlhaltungen des Rumpfes nach vorne gebeugt und/oder verdreht; Meidung dauerhafter schlagend, stossender, vibrierender Krafteinwirkung; Meidung unerwarteter symmetrischer Lasteneinwirkung; Meidung feuchtkalter und zügiger Arbeitsumgebung; individueller Pausenrythmus.". Dem Vorbringen der IV-Stelle, dabei handle es sich um ein "durchschnittliches Belastungsprofil", ohne aussergewöhnliche somatische Einschränkungen, welche die Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt altersbedingt zu beeinträchtigen vermöchten, kann nicht beigepflichtet werden. Wohl ist die Beschwerdegegnerin ausgebildete Zahnarztgehilfin und hat in diesem Beruf während 17 Jahren gearbeitet und sie schulte sich danach zur Farb- und Modestilberaterin um, welchen Beruf sie bis zum Jahre 2007 ausübte. Aus diesem erwerblichen Lebenslauf kann angesichts der schwerwiegenden körperlichen Beeinträchtigungen indessen nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, die Beschwerdegegnerin vermöge sich - nach 10-jähriger Abwesenheit vom Arbeitsmarkt - beruflich erneut umzustellen. Das Argument der IV-Stelle, auf dem zu unterstellenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt seien auch Arbeitsstellen anzutreffen, die dem Belastungsprofil der Beschwerdegegnerin entsprächen, trifft den entscheidenden Punkt nicht. Die Beschwerdegegnerin war wegen der chirurgisch notwendig gewordenen Versteifungen (Spondylodesen) im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule nicht mehr in der Lage, sich zu bücken oder auf einem Bürostuhl eine ergonomisch günstige Haltung einzunehmen, wozu der orthopädische Sachverständige der ZMB festhielt, eine Verschlechterung des Krankheitsbildes sei selbst ohne Belastung des Körpers nicht auszuschliessen (vgl. Gutachten des ZMB vom 13. April 2015). Inwieweit der Beschwerdegegnerin auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt viele Arbeitsmöglichkeiten offen stehen sollten, ist auch angesichts der angerufenen Rechtsprechung, wonach im Lichte der relativ hohen Hürden, welche das Bundesgericht für die Unverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit älterer Menschen errichtet hat, nicht ersichtlich. Das kantonale Gericht hat daher die Rechtsfrage, ob die Beschwerdegegnerin die ihr verbliebene Arbeitsfähigkeit im erwerblichen Bereich zu verwerten vermochte, bundesrechtskonform verneint. Die Beschwerde ist abzuweisen.
4.
Mit dem Urteil in der Hauptsache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
5.
Die Gerichtskosten werden der IV-Stelle als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat die Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 10. September 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Grunder