BGer 6B_872/2018 |
BGer 6B_872/2018 vom 12.10.2018 |
6B_872/2018 |
Urteil vom 12. Oktober 2018 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiber Traub.
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Verfahrensbeteiligte |
A.A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Fauceglia,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz,
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2. Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Recht & Compliance,
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Beschwerdegegnerinnen.
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Gegenstand
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Betrug (Erschleichung von Versicherungsleistungen durch Vortäuschen eines Krankheitszustandes); Einstellung,
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Beschwerde gegen den Beschluss des
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Kantonsgerichts Schwyz, Beschwerdekammer,
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vom 5. Juli 2018 (BEK 2017 192).
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Sachverhalt: |
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz stellte das Strafverfahren gegen die Eheleute A.A.________ und B.A.________ u.a. wegen Betrugs und unrechtmässiger Erwirkung einer Leistung unter anderm mit Bezug auf die Stiftung Auffangeinrichtung BVG als geschädigter Partei ein. Diese habe (wie die IV-Stelle) leichtfertig gehandelt, indem sie den Eheleuten trotz Anlasses zu Zweifeln Invalidenrenten zusprach, ohne den Ausgang eines hängigen Verfahrens der Unfallversicherung abzuwarten resp. ohne eigene Abklärungen zu tätigen. Somit fehle es am Betrugsmerkmal der Arglist. Hinsichtlich des Tatbestands des unrechtmässigen Erwirkens von Leistungen sei die Verfolgungsverjährung eingetreten (Verfügung vom 20. November 2017, Ziff. 7 f. und Dispositiv-Ziff. 1.2 und 2).
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B. |
Auf Beschwerde der Stiftung Auffangeinrichtung BVG hin hob das Kantonsgericht Schwyz die Einstellungsverfügung auf; das Strafverfahren sei bezüglich des Sachverhalts gemäss Dispositiv-Ziff. 1.2 der angefochtenen Verfügung weiterzuführen (Beschluss vom 5. Juli 2018).
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C. |
A.A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der angefochtene Beschluss sei (bis auf die Verlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens) aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Eventuell sei die Strafuntersuchung gegen ihn einzustellen. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Erwägungen: |
1.
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1.1. Die Vorinstanz hebt die Einstellungsverfügung vom 20. November 2017 auf. Damit verbunden ist die Weisung, die Strafuntersuchung fortzusetzen. Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich mithin um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (Urteil 6B_587/2018 vom 22. August 2018 E. 1.1). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen, ist die Beschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Es obliegt dem Beschwerdeführer darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit dies nicht ganz offensichtlich ist (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47; 136 IV 92 E. 4 S. 95; Urteil 6B_703/2018 vom 8. August 2018 E. 1.1).
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1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, mit einem gutheissenden Entscheid des Bundesgerichts würde das Strafverfahren rechtskräftig eingestellt. Weil der Tatvorwurf hauptsächlich auf dem Befund des MEDAS-Gutachtens vom 29. Juli 2011 beruhe, welches ihm keinen Krankheitszustand attestiere, auf der andern Seite aber sämtliche behandelnden Ärzte während Jahren und aufgrund eingehender Untersuchungen unter anderm von einer schweren Depression ausgegangen seien, liege auf der Hand, dass einzig mittels erneuter interdisziplinärer Begutachtung, eventuell eines Obergutachtens, ein klarer Befund über eine allfällige Strafbarkeit zu erheben sei. Somit werde im Falle einer Weiterführung des Strafverfahrens ein weitläufiges Beweisverfahren, verbunden mit einem entsprechend grossen Zeit- und Kostenaufwand, durchzuführen sein. Es sei demnach nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG auf die Beschwerde einzutreten.
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1.3. Diese Begründung zielt offenkundig nicht auf den Hauptantrag, die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nach dem interdisziplinären versicherungsmedizinischen Gutachten einer Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS; Art. 72bis Abs. 1 IVV) vom 29. Juli 2011 bestanden beim Beschwerdeführer nie körperliche oder psychische Einschränkungen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Was die Leistungen der Invalidenversicherung angeht, bestätigte das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz die Aufhebung der Invalidenrente und der Hilflosenentschädigung und die Rückforderung ausgerichteter Leistungen (rechtskräftiges Urteil vom 16. Mai 2012). Dem Hauptantrag liegt der Standpunkt zugrunde, die Gutachter seien zu Unrecht von Simulation ausgegangen und das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2012 präjudiziere die Beurteilung dieser Frage im Strafverfahren nicht. Insoweit ist der Beschwerdeführer selber an einer Weiterführung des Beweisverfahrens interessiert.
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Die sofortige Herbeiführung eines Endentscheids nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG - lautend auf Wiederherstellung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung - kann nur durch Gutheissung des Eventualantragserfolgen, das Verfahren sei einzustellen. Hier macht sich der Beschwerdeführer alternativ die Sichtweise der Staatsanwaltschaft zu eigen, Simulation der gesundheitlichen Beschwerden sei gegeben und die Sozialversicherungsträger hätten entsprechende Anhaltspunkte pflichtwidrig unbeachtet gelassen, was Arglist des Beschuldigten ausschliesse. Unter diesem Aspekt macht er geltend, weitere Abklärungen des Sachverhalts im Rahmen einer Fortsetzung des Strafverfahrens seien überflüssig. Im angefochtenen Beschluss sind indessen keine Weiterungen des Beweisverfahrens vorgezeichnet. Die Vorinstanz schreibt vielmehr eine vervollständigte Beurteilung der Rechtsfrage nach der Arglist resp. Opfermitverantwortung vor: "Selbst wenn der Beschwerdeführerin [sc. der Stiftung Auffangeinrichtung BVG] ein leichtfertiges Nichtbeachten von Zweifeln des Unfallversicherers vorgeworfen werden könnte, wäre (...) die Annahme einer die Strafbarkeit ausschliessenden Opferverantwortung nur zulässig, wenn die Unaufmerksamkeit der Beschwerdeführerin das betrügerische Verhalten der Täter in den Hintergrund rückte (vgl. etwa BGE 143 IV 302 E. 1.4.1). Die Staatsanwaltschaft stellt vorliegend weder das vom Verwaltungsgericht festgestellte eklatante Ausmass der Täuschungen infrage noch legt sie dar, inwiefern Zweifel an der Unfallursache für die sozialversicherungsrechtliche Leistungspflicht der Beschwerdeführerin erheblich sein sollen. Daher ist nicht ersichtlich, weshalb die sozialversicherungsrechtlich festgestellten Simulationen der Beschuldigten angesichts des Verhaltens der Beschwerdeführerin in strafrechtlicher Hinsicht konkret vernachlässigbar wären. Die Beschwerdeinstanz darf (...) nicht (...) dem Sachrichter vorgreifend den Fall abschliessend beurteilen, umso weniger als allgemein eine der Strafbarkeit entgegenstehende Opferverantwortung nur in Ausnahmefällen zu bejahen ist" (angefochtener Beschluss, E. 3b S. 8). Diese Vorgaben führen offenkundig nicht per se in ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG weitläufiges Beweisverfahren.
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Wäre im weiteren Verlauf des Strafverfahrens dennoch ein neues Gutachten einzuholen, so stellten ergänzende medizinische Abklärungen nicht ohne Weiteres einen bedeutenden Aufwand im Sinne des Gesetzes dar. Selbst bei Aufhebung von Rückweisungsentscheiden, mit denen eine ergänzende Sachverhaltsabklärung - oft in Form einer (neuen) Begutachtung - ausdrücklich angeordnet wird, geht die Rechtsprechung davon aus, dass damit grundsätzlich keine erhebliche Ersparnis an Zeit- oder Kostenaufwand im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG verbunden ist. Aus prozessökonomischen Gründen bildet die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden eine restriktiv zu handhabende Ausnahme. Die Parteien gehen keiner Rechte verlustig, da sie die mit dem Zwischenentscheid zusammenhängenden Fragen mit dem Endentscheid anfechten können (statt vieler: Urteil 8C_862/2017 vom 23. April 2018 E. 4.2 mit Hinweisen).
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1.4. Verhielte es sich dem Beschwerdeführer folgend so, dass der Verwaltungsgerichtsentscheid vom 16. Mai 2012 die Strafbehörden nicht bindet, so erfolgte im weiteren Verlauf des Strafverfahrens höchstens dann eine neue Begutachtung, wenn eine Würdigung des Dossiers ergeben sollte, dass die vorhandene MEDAS-Expertise etwa anderslautende Berichte übergeht oder die darin enthaltenen Schlussfolgerungen aus andern Gründen nicht schlüssig sind. Vor dem Hintergrund der in E. 1.3 dargelegten Praxis genügt eine blosse Möglichkeit von Weiterungen des Beweisverfahrens jedenfalls nicht, um einen Anwendungsfall von Art. 93 Abs.1 lit. b BGG anzunehmen (vgl. BGE 133 III 629 E. 2.4.2 S. 634). Ausser Betracht fällt auch der (in der Beschwerde zurecht nicht vorgebrachte) Ausnahmegrund des nicht wieder gutzumachenden Nachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. Urteil 6B_1132/2013 vom 27. November 2013 E. 2.1).
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2. Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 12. Oktober 2018
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Traub
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