BGer 1B_397/2018
 
BGer 1B_397/2018 vom 16.10.2018
 
1B_397/2018
 
Urteil vom 16. Oktober 2018
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen,
Allgemeine Abteilung, Beckenstube 5, Postfach,
8201 Schaffhausen,
Thomas Heeb.
Gegenstand
Strafverfahren; Wechsel der amtlichen Verteidigung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 19. Juni 2018 (51/2018/10).
 
Sachverhalt:
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts insbesondere des Betrugs, des Diebstahls, der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs.
Am 6. Juli 2016 bestellte die Staatsanwaltschaft Rechtsanwalt Stephan Bernard als amtlichen Verteidiger von A.________. Am 20. März 2017 ersuchte dieser, Rechtsanwalt Thomas Heeb als seinen amtlichen Verteidiger einzusetzen. Dem Gesuch legte er Einverständniserklärungen der Rechtsanwälte Heeb und Bernard bei. Am 28. März 2017 hiess die Staatsanwaltschaft das Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung gut.
Am 5. Januar 2018 ersuchte Rechtsanwalt Thomas Heeb die Staatsanwaltschaft, ihn aus seinem amtlichen Mandat zu entlassen und A.________ Gelegenheit zu geben, einen Vorschlag für die neue amtliche Verteidigung zu machen. Am 26. Januar 2018 beantragte A.________, Rechtsanwalt Otmar Kurath als amtlichen Verteidiger zu bestellen. Am 30. Januar 2018 wies der zuständige Staatsanwalt die Gesuche von Rechtsanwalt Thomas Heeb und A.________ ab.
Am 6. Februar 2018 ersuchte Rechtsanwalt Thomas Heeb auch im Namen von A.________ die Staatsanwaltschaft erneut, ihn aus dem amtlichen Mandat zu entlassen und Rechtsanwalt Otmar Kurath als neuen amtlichen Verteidiger einzusetzen. Am 23. Februar 2018 wies der zuständige Staatsanwalt das Gesuch ab.
Am 11. Februar 2018 erhob A.________ Beschwerde an das Obergericht des Kantons Schaffhausen. Er beantragte in erster Linie, die Verfügu ng der Staatsanwaltschaft vom 30. Januar 2018 aufzuheben und ihm einen Rechtsbeistand seiner Wahl zuzuordnen bzw. die amtliche Verteidigung Rechtsanwalt Otmar Kurath zu übertragen.
Mit Entscheid vom 19. Juni 2018 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
B. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 22. August 2018 an das Bundesgericht beantragt A.________ in der Hauptsache, den Entscheid des Obergerichts vom 19. Juni 2018 aufzuheben, die amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt Thomas Heeb zu widerrufen und ihm einen neuen Rechtsbeistand seiner Wahl zu bestellen.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Beschwerdeabweisung. Die Vorinstanz verweist in ihrer Vernehmlassung auf den angefochtenen Entscheid, an welchem sie festhält. Der amtliche Verteidiger Thomas Heeb verweist auf seine Eingaben im kantonalen Verfahren und erklärt, er sei aufgrund des zerrütteten Vertrauensverhältnisses nicht in der Lage, eine wirksame Verteidigung von A.________ zu gewährleisten.
Der Beschwerdeführer hält an seinem Standpunkt fest.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid in Strafsachen (Art. 78, 80 und 93 BGG).
Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid unter anderem dann zulässig, wenn dieser einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Dies trifft im Fall der Ablehnung eines Gesuchs um Wechsel des amtlichen Verteidigers insbesondere dann zu, wenn der amtliche Verteidiger seine Pflichten erheblich vernachlässigt oder zwischen ihm und der beschuldigten Person keine Vertrauensbasis mehr besteht (BGE 139 IV 113 E. 1.1 f. S. 115 f.; Urteil 1B_297/2015 vom 26. Oktober 2015 E. 1.2; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat dargelegt, weshalb nach seiner Auffassung das Vertrauensverhältnis zerrüttet ist. Damit ist die Sachurteilsvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt.
Das aktuelle Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist gegeben. Auf die Beschwerde kann unter Vorbehalt der folgenden Erwägungen eingetreten werden.
1.2. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde allerdings insoweit, als sie über das Prozessthema hinausgeht und damit nicht geeignet ist aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Dies betrifft insbesondere die nicht substanziierte Kritik des Beschwerdeführers am Verhalten der Strafverfolgungsbehörden im Untersuchungsverfahren. Mit dem beantragten Wechsel der amtlichen Verteidigung hat dies nichts zu tun.
Gleiches gilt soweit der Beschwerdeführer ohne substanziierte Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid auf zahlreiche Bestimmungen und Rechtsgrundlagen verweist und diese allgemein, gleichsam lehrbuchmässig abhandelt, ohne darzulegen, inwieweit diese Ausführungen für das vorliegende Verfahren massgeblich sind. Insoweit liegt keine sachbezogene Beschwerdebegründung vor.
 
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die angefochtene Verfügung verletze Art. 134 Abs. 2 StPO, weil die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass kein Grund für einen Wechsel der amtlichen Verteidigung vorliege.
2.2. Nach der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 29 Abs. 3 und Art. 32 Abs. 2 BV hat der amtlich verteidigte Beschuldigte einen grundrechtlichen Anspruch auf sachkundige, engagierte und effektive Wahrnehmung seiner Parteiinteressen (BGE 138 IV 161 E. 2.4 S. 164 mit Hinweis). Ein Begehren um Auswechslung des amtlichen Verteidigers ist zu bewilligen, wenn aus objektiven Gründen eine sachgemässe Vertretung der Interessen des Beschuldigten durch den bisherigen Rechtsanwalt nicht mehr gewährleistet ist (BGE 116 Ia 102 E. 4b/aa S. 105 mit Hinweisen).
Über diesen grundrechtlichen Anspruch hinausgehend sieht seit Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung deren Art. 134 Abs. 2 vor, dass die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person überträgt, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus andern Gründen nicht mehr gewährleistet ist. Die gesetzliche Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine engagierte und effiziente Verteidigung nicht nur bei objektiver Pflichtverletzung der Verteidigung, sondern bereits bei erheblich gestörtem Vertrauensverhältnis beeinträchtigt sein kann. Dahinter steht die Idee, dass eine amtliche Verteidigung in jenen Fällen auszuwechseln ist, in denen auch eine privat verteidigte beschuldigte Person einen Wechsel der Verteidigung vornehmen würde (BGE 138 IV 161 E. 2.4 S. 165 mit Hinweis auf die Botschaft).
Wird die subjektive Sichtweise des Beschuldigten in den Vordergrund gestellt, bedeutet dies aber nicht, dass allein dessen Empfinden bzw. dessen Wunsch für einen Wechsel der Verteidigung ausreicht. Vielmehr muss die Störung des Vertrauensverhältnisses mit konkreten Hinweisen belegt und objektiviert werden (BGE 138 IV 161 E. 2.4 S. 165 mit Hinweisen).
Bei der Behandlung eines Gesuchs um Wechsel der amtlichen Verteidigung berücksichtigt die Verfahrensleitung, dass der amtliche Verteidiger nicht bloss das unkritische Sprachrohr seines Mandanten ist. Für einen Verteidigerwechsel genügt deshalb nicht, wenn die Verteidigung eine problematische, aber von der beschuldigten Person gewünschte Verteidigungsstrategie nicht übernimmt, oder wenn sie nicht bedingungslos glaubt, was die beschuldigte Person zum Delikt sagt, und das nicht ungefiltert gegenüber den Behörden vertritt. Gleiches gilt betreffend die Weigerung, aussichtslose Prozesshandlungen vorzunehmen (zum Ganzen: BGE 138 IV 161 E. 2.4 S. 166 mit Hinweisen). Im Zweifelsfall liegt es im pflichtgemässen Ermessen des Verteidigers zu entscheiden, welche Beweisanträge und juristischen Argumentationen er als sachgerecht und geboten erachtet (Urteil 1B_211/2014 vom 23. Juli 2014 E. 2.1, in: Pra 2014 Nr. 104 S. 838). Sein Vorgehen muss allerdings in den Schranken von Gesetz und Standesregeln auf die Interessen der beschuldigten Person ausgerichtet (Art. 128 StPO) und in diesem Sinn sachlich begründet sein (zum Ganzen: Urteil 1B_319/2015 vom 26. November 2015 E. 2.2 mit Hinweisen).
2.3. Die Vorinstanz hat zusammenfassend ausgeführt, unterschiedliche Auffassungen über die Verteidigungsstrategie, wie sie vom Verteidiger des Beschwerdeführers als Grund für den behaupteten Vertrauensverlust angeführt würden, bildeten keinen Grund für einen Anwaltswechsel. Der Beschwerdeführer seinerseits tue nicht ansatzweise dar, dass und inwieweit der Verteidiger mit der von ihm behaupteten Unterlassung von Verteidigungsleistungen die anwaltliche Sorgfaltspflicht und das Gebot wirksamer Verteidigung verletzt haben könnte. Auch sei nicht ersichtlich, dass und warum Gefängnisbesuche bzw. lnstruktionsgespräche in den letzten Monaten wirklich angezeigt gewesen wären. Daher könne nicht gesagt werden, dieser allgemeine, bezüglich der Umstände nicht substanziierte Vorwurf indiziere unter den spezifischen Verhältnissen des Einzelfalls tatsächlich eine Gefährdung der wirksamen Verteidigung. Konkrete, objektive Anhaltspunkte für den geltend gemachten erheblichen Vertrauensverlust seien nicht glaubhaft gemacht.
Zudem sei bei umfangreichen oder komplexen Straffällen und nach längerer Ausübung des Mandats ein Wechsel der amtlichen Verteidigung nur mit Zurückhaltung zu bewilligen. Dies gelte insbesondere dann, wenn - wie hier - bereits früher ein Verteidigerwechsel bewilligt worden sei.
2.4. Die Ausführungen der Vorinstanz verletzen kein Bundesrecht.
Der Beschwerdeführer setzt sich in seiner Beschwerde an das Bundesgericht mit der vorinstanzlichen Entscheidbegründung nicht substanziiert auseinander. Vielmehr wiederholt er im Wesentlichen seine bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobenen Vorbringen, wonach der Verteidiger ihn seit Monaten nicht mehr im Gefängnis besucht und keine eigenen Verteidigungsleistungen erbracht habe. Er legt jedoch auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht dar, dass und inwieweit in den letzten Monaten gewisse Verteidigungsleistungen für eine wirksame Verteidigung tatsächlich notwendig gewesen wären. Konkrete Pflichtverletzungen lastet er dem amtlichen Verteidiger nicht an. Solche sind auch nicht ersichtlich. Dass der Beschwerdeführer abweichende Vorstellungen über die Verteidigungsstrategie hat und seinen Verteidiger deshalb als nicht mehr geeignet ansieht, reicht für einen Wechsel der amtlichen Verteidigung nicht aus (vgl. Urteil 1B_319/2015 vom 26. November 2015 E. 2.5; siehe auch die Ausführungen unter E. 2.2 hievor).
Auch soweit Rechtsanwalt Thomas Heeb in seiner Stellungnahme im bundesgerichtlichen Verfahren geltend macht, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Beschwerdeführer sei zerrüttet, führt das zu keiner abweichenden Beurteilung. Der Wechsel des amtlichen Verteidigers setzt konkrete und objektive Hinweise voraus, die in nachvollziehbarer Weise für eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses sprechen. Solche Hinweise fehlen im zu beurteilenden Fall (vgl. auch Urteil 1B_127/2015 vom 8. Juni 2015 E. 2.3).
Unter diesen Voraussetzungen ist ein (erneuter) Wechsel der amtlichen Verteidigung nicht geboten. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, sich von seinem gegenwärtigen amtlichen Verteidiger weiter vertreten zu lassen und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit das Seine beizutragen.
3. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Da die Beschwerde aussichtslos war, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 BGG). Unter den gegebenen Umständen rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). F ür das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Entschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.
5. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Thomas Heeb und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Oktober 2018
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Stohner