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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_326/2018
Urteil vom 7. November 2018
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Betschart.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
Beschwerdeführerin,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Revision; Berufskrankheit),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 15. März 2018 (5V 17 145).
Sachverhalt:
A.
A.a. A.________, geb. 1958, war seit 1. Juni 2013 befristet als Pflegefachfrau bei der B.________ AG angestellt und arbeitete in der Klinik C.________. Gestützt auf dieses Arbeitsverhältnis war sie bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 13. Juni 2013 zog sie sich zu Hause mit einem Brotmesser eine tiefe Schnittverletzung am linken Zeigefinger zu. Am nächsten Tag nahm sie ihre Arbeit wieder auf. In der Folge hatte sie am Arbeitsplatz Blutkontakt mit zwei Patienten. Nach dem Auftreten erster Symptome begab sie sich in ärztliche Behandlung, anlässlich derer eine Hepatitis C-Erkrankung diagnostiziert wurde. Mit Schadenmeldung vom 13. August 2013 wurde der Suva eine Berufskrankheit gemeldet. Die Suva holte im Rahmen ihrer Abklärungen unter anderem ein infektiologisches Gutachten bei Prof. Dr. med. D.________, FMH Allgemeine Innere Medizin und Infektiologie, ein (Gutachten vom 5. Februar 2015). Gestützt darauf verneinte sie ihre Leistungspflicht mit Verfügung vom 19. Februar 2015. Daran hielt sie im Einspracheentscheid vom 19. Juni 2015 fest. Dieser Entscheid blieb unangefochten.
A.b. Am 28. Oktober 2016 ersuchte A.________ um Revision des Einspracheentscheids vom 19. Juni 2015 bzw. der Verfügung vom 19. Februar 2015. Die Suva trat darauf mit Verfügung vom 21. November 2016 mangels eines Revisionsgrunds nicht ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 20. Februar 2017 ab.
B.
Mit Entscheid vom 15. März 2018 wies das Kantonsgericht Luzern die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragt, die Beschwerdegegnerin sei in Aufhebung des Entscheids vom 15. März 2018 zu verpflichten, ihr die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein und verzichtete auf einen Schriftenwechsel.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280). Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es die Voraussetzungen der prozessualen Revision gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG verneinte. Dabei ist unbestritten, dass der von der Beschwerdeführerin erbrachte Nachweis, wonach ihr Lebenspartner nicht mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert ist, eine neue Tatsache darstellt. Fraglich ist hingegen, ob diese neue Tatsache auch erheblich ist, so dass ein Revisionsgrund zu bejahen wäre.
3.
Das kantonale Gericht legte die Bestimmungen und Grundsätze über die prozessuale Revision rechtskräftiger Verfügungen und Einspracheentscheide, insbesondere bei Entdecken neuer erheblicher Tatsachen (Art. 53 Abs. 1 ATSG) zutreffend dar. Darauf wird verwiesen.
Hervorzuheben ist, dass eine neue Tatsache dann erheblich ist, wenn sie geeignet ist, die tatbeständliche Grundlage des zur Revision beantragten Entscheids zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung zu führen (BGE 143 V 105 E. 2.3 S. 108; Urteil 8C_607/2017 vom 31. August 2018 E. 4 mit weiteren Hinweisen). Betrifft der Revisionsgrund eine materielle Anspruchsvoraussetzung, deren Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, auf Elementen also, die notwendigerweise Ermessenszüge aufweisen, so ist eine vorgebrachte neue Tatsache als solche in der Regel nicht erheblich. Ein (prozessrechtlicher) Revisionsgrund fällt demnach überhaupt nur in Betracht, wenn bereits im ursprünglichen Verfahren der untersuchende Arzt und die entscheidende Behörde das Ermessen wegen eines neu erhobenen Befunds zwingend anders hätten ausüben und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätten gelangen müssen. An diesem prozessualrevisionsrechtlich verlangten Erfordernis fehlt es, wenn sich das Neue im Wesentlichen in (differenzial-) diagnostischen Überlegungen erschöpft, also auf der Ebene der medizinischen Beurteilung anzusiedeln ist (Urteile 8C_170/2017 vom 13. Oktober 2017 E. 7.2 und 8C_464/2016 vom 27. September 2016 E. 6.1).
4.
4.1. Prof. Dr. med. D.________ untersuchte im Gutachten vom 5. Februar 2015 die Frage, ob die Hepatitis C-Infektion während der Berufsausübung als Pflegefachfrau erfolgte. Dafür konsultierte er die Akten und führte eine persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durch. Zudem zog er eine allfällige sexuelle Transmission des Virus in Betracht, doch war der Lebenspartner der Versicherten damals nicht bereit, eine Hepatitis C-Serologie vornehmen zu lassen, weil er gemäss eigenen Angaben keine Risikofaktoren für eine Hepatitis C (Bluttransfusionen, Tätowierungen intravenöser Drogenabusus etc.) habe. Gestützt auf diese Informationen hielt Prof. Dr. med. D.________ fest, dass sich die Infektionsquelle und der Infektionszeitpunkt nicht eruieren liessen. Zwar sei es durchaus möglich, dass sich die Beschwerdeführerin bei der Pflege mit Hepatitis C infiziert habe, doch lasse sich dies nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit beweisen. Andere wesentliche Risikofaktoren habe die Versicherte keine: Insbesondere habe sie weder Bluttransfusionen erhalten noch habe sie andere Nadelstichverletzungen oder Tätowierungen. Auch eine Akupunkturbehandlung oder andere Blutkontakte habe sie glaubhaft verneint. Der Weg einer möglichen sexuellen Übertragung habe zwar nicht weiterverfolgt werden können, es sei allerdings festzustellen, dass Hepatitis C auf heterosexuellem Weg sehr bzw. extrem selten übertragen werde.
4.2. Aus diesen Ausführungen schlossen die Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz im Wesentlichen, schon der Gutachter sei davon ausgegangen, dass sich die Beschwerdeführerin nicht bei ihrem Partner angesteckt habe. Der nun erbrachte Nachweis, dass der Partner nicht mit Hepatitis C infiziert sei, vermöge die tatsächliche Grundlage des Einspracheentscheids vom 19. Juni 2015 nicht so zu erschüttern, dass bei zutreffender rechtlicher Würdigung ein anderer Entscheid resultieren würde. Der Gutachter habe die Annahme einer Ansteckung im Beruf zwar als naheliegend, nicht aber als überwiegend wahrscheinlich erachtet. Das negative Ergebnis des Hepatitis C-Tests des Lebenspartners ändere nichts daran, dass die Infizierung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit weiterhin lediglich als möglich einzustufen und die Infektionsquelle nicht eruierbar sei.
4.3. An diesen zutreffenden Schlussfolgerungen vermögen die Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern:
4.3.1. Zwar macht die Beschwerdeführerin zu Recht geltend, dass sie als Pflegefachfrau zu den Berufsgruppen gehört, die einem besonderen Risiko für Infektionskrankheiten ausgesetzt sind (vgl. Anhang 1 der UVV). Allerdings setzt die rechtliche Anerkennung als Berufskrankheit im Sinn von Art. 9 Abs. 1 UVG einen qualifizierten Kausalzusammenhang voraus. Nach der Rechtsprechung muss der in Anhang 1 der UVV genannte schädigende Listenstoff oder die krankmachende Arbeit die vorwiegende Ursache sein, mithin im gesamten Ursachenspektrum einen Anteil von mehr als 50 % ausmachen (BGE 119 V 200 E. 2a S. 200 f.; Urteil U 410/05 vom 3. April 2007 E. 2 in: SVR 2007 UV Nr. 27 S. 91). Ob dies im Einzelfall so ist, muss mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit dargetan werden (ALEXANDRA RUMO-JUNGO/ANDRÉ PIERRE HOLZER, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. 2012, S. 93). In diesem Zusammenhang gilt es allerdings wiederum zu beachten, dass der Gutachter u.a. die Möglichkeit einer sexuellen Übertragung erwogen und - trotz der fehlenden Testergebnisse des Lebenspartners - als sehr gering eingeschätzt hatte, und dennoch nur von einer möglichen bzw. naheliegenden, nicht aber überwiegend wahrscheinlichen Ansteckung während der Berufsausübung ausging.
4.3.2. Zur möglichen Infizierung durch direkten Blutkontakt mit der Schnittwunde hielt der Experte fest, dass es sich beim Unfall vom 13. Juni 2013 nicht um eine klassische Stich- oder Schnittverletzung gehandelt hatte. Vielmehr habe sich die Beschwerdeführerin ausserhalb ihres Berufs mit einem Messer selber verletzt, die Wunde verbunden und mit diesem Wundverband wieder in der Pflege gearbeitet. Auch verwies Prof. Dr. med. D.________ darauf, dass bei der einen möglichen (weiblichen) Indexperson die Hepatitis C-Serologie sowie der HCV RHN PCR-Test negativ ausgefallen war. Die andere in Frage kommende (männliche) Indexperson war inzwischen verstorben. Immerhin konnte zu diesem Patienten in Erfahrung gebracht werden, dass ein Herzinfarkt die Todesursache war, er an einem metastasierenden Prostatakarzinom gelitten hatte und kein Dialyse-Patient gewesen war. Auch hatte er gemäss Auskunft seines Hausarztes nie an einer Leberproblematik gelitten, so dass auch kein Grund für eine Hepatitis-Serologie bestanden habe. Dr. med. E.________, Facharzt für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin FMH, Suva, Abteilung Arbeitsmedizin, beurteilte es daher als extrem unwahrscheinlich, dass dieser Patient Hepatitis C-positiv gewesen sei. Eine überwiegend wahrscheinliche Ansteckung auf diesem Weg ergibt sich aus diesen Umständen nicht.
4.3.3. Der Sachverständige führte sodann aus, dass sich der Infektionszeitpunkt aufgrund der serologischen Werte oder der HCV RNA nicht feststellen lasse. Die HCV RNA korreliere (im Gegensatz z.B. zu HIV) nicht mit der Aktivität oder dem Ansteckungszeitpunkt der Erkrankung. Da keine serologischen Untersuchungen vor dem 1. Juni 2013 vorhanden seien, könne eine Serokonversion zeitlich nicht eingegrenzt werden. Zwar sei es durchaus möglich, dass sich die Versicherte bei der von ihr vermuteten Indexperson angesteckt haben könnte. Dafür könnte sprechen, dass nach einer deutlichen Transaminasenerhöhung am 23. Juli 2013 die Transaminasen am 17. September 2013 wieder normal gewesen seien. Zeitlich wäre der Verlauf somit möglicherweise assoziierbar mit dem Unfall vom 13. Juni 2013, aber eine Kausalität mit überwiegender Wahrscheinlichkeit lasse sich nicht herstellen. Aufgrund der erwähnten, fehlenden Korrelation lässt sich darin - entgegen der Beschwerdeführerin - kein innerer Widerspruch des Gutachtens erblicken. Dies ergibt sich auch aus der auf die Laborbefunde vom 1. Juli 2014 gestützten Feststellung des Prof. Dr. med. D.________, dass es vor der Begutachtung anscheinend wieder zu einer Aktivierung mit stark erhöhten Transaminasen und einer massiven Virämie gekommen sei.
4.3.4. Im Ergebnis ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, dass der neu aufgelegte, negative Hepatitis C-Test des Lebenspartners der Beschwerdeführerin nicht erheblich ist, weil auch dieser Umstand nichts daran ändert, dass Infektionsquelle und -zeitpunkt nicht eruierbar sind und eine Ansteckung in der beruflichen Tätigkeit weiterhin nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan ist. Da der Gutachter eine sexuelle Übertragung von vornherein als extrem selten bezeichnet hatte, ist es schliesslich nicht bundesrechtswidrig, dass die Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236) darauf verzichtete, weitere Abklärungen zur Frage zu treffen, wie sich das nun bekannt gewordene Testergebnis auf die Beurteilung der Kausalität auswirken könnte. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 7. November 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Betschart