Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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2C_885/2018
Urteil vom 12. November 2018
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Feller.
Verfahrensbeteiligte
Kantonale Ethikkommission Bern für die Forschung,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie,
Beschwerdegegner,
Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern.
Gegenstand
Genehmigung zur Weiterverwendung von Daten einer Doppelblindstudie,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, vom 31. August 2018 (100.2018.192U).
Erwägungen:
1.
Am 12. September 2017 ersuchte Prof. Dr. A.________ von der Universitätsklinik für Rheumatologie am Inselspital Bern die Kantonale Ethikkommission (KEK) Bern für die Forschung um die Genehmigung, die im Rahmen seines Projekts erhobenen Daten weiterzuverwenden. Am 25. September 2017 verweigerte die KEK die Genehmigung. Am 24. Mai 2018 hiess die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern die Beschwerde von A.________ gut, hob die Verfügung der KEK auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an diese zurück. Auf die Beschwerde der KEK trat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 31. August 2018 nicht ein, weil es der Ethikkommission als blosse Vorinstanz der Gesundheits- und Fürsorgedirektion, welche nicht durch Gesetz oder Dekret zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ermächtigt sei, an der Beschwerdelegitimation fehle (Art. 12 Abs. 3 und 79 Abs. 2 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG]). Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. September 2018 beantragt die KEK dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und das Verfahren sei zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden.
2.
2.1. Art. 89 BGG umschreibt den Kreis der Beschwerdeberechtigten. Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG räumt gewissen Bundesbehörden die Beschwerdeberechtigung ein. Gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG sodann sind zur Beschwerde berechtigt Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt; Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG schliesslich ermächtigt Personen, Organisationen oder Behörden zur Beschwerde, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt. Die Beschwerde führende Kommission ist keine Bundesbehörde im Sinne von Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG. Sie wird auch durch kein Bundesgesetz zur Beschwerdeführung ermächtigt. Es handelt sich bei ihr auch nicht um eine Gemeinde oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaft im Sinne von Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG, welcher die Kantons- oder Bundesverfassung konkrete Garantien gewährte. Es stellt sich einzig die Frage, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert ist, weil sie durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c).
2.2. Art. 89 Abs. 1 BGG ist in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen ist, namentlich wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt und diese wesentlich beeinträchtigen dürfte. Die Beschwerdebefugnis setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung begründet keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen (BGE 141 II 161 E. 2.1 S. 164 mit Hinweisen). Dabei geht es im Prinzip um die Interessen des
Gemeinwesens und dabei um die Beschwerdeberechtigung desjenigen Organs, das befugt ist, im Namen des Gemeinwesens Rechtsmittel zu ergreifen. Besondere Zurückhaltung ist demgegenüber geboten, wenn sich Akteure desselben Gemeinwesens gegenüberstehen, namentlich eine kantonale Stelle in ihrer Eigenschaft als Vollzugsorgan mit hoheitlichen Aufgaben einerseits und die ihr übergeordnete Rechtsmittelbehörde (das kantonale Verwaltungsgericht, erst recht die ihr vorgesetzte kantonale verwaltungsinterne Rechtsmittelbehörde) andererseits. Derartige "Organstreitigkeiten" sollen nach dem gesetzgeberischen Willen nicht vor das Bundesgericht getragen werden können. Eine mit Rechtsanwendungsaufgaben betraute kantonale Stelle ist daher grundsätzlich nicht befugt, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu führen, um im Ergebnis die Wiederherstellung ihrer Verfügung zu erwirken, die von der ihr übergeordneten kantonalen Rechtsmittelbehörde aufgehoben worden ist (BGE 141 II 161 E. 2.2 S. 164 f.; s. zur Abgrenzung BGE 136 V 346 E. 3.5 S. 350 betreffend Beschwerderecht einer mit Vollzugsaufgaben erheblichen Ausmasses betrauten
Gemeinde gegen den Rechtsmittelentscheid einer Instanz des
Kantons; Urteil 2C_827/2014 vom 1. September 2015 E. 2.2.2; sodann auf Bundesebene Urteil 2C_75/2016 vom 10. April 2017 E. 2.3, nicht publiziert in BGE 143 II 518, betreffend Aufgabenwahrnehmung und Verfügungsbefugnis der SUVA im Bereich der Produktesicherheit, welcher kein Beschwerderecht zusteht, wenn das Bundesverwaltungsgericht eine von ihr getroffene Verfügung aufhebt; ebenso 2C_969/2013 vom 19. Juli 2014 E. 5.1 betreffend die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom, auch wenn diese in ihrem Tätigkeitsbereich unabhängig ist und keinen Weisungen von Bundesrat oder UVEK untersteht).
2.3. Die Beschwerdeführerin ist eine kantonale Ethikkommission im Sinne des Bundesgesetzes vom 30. September 2011 über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz, HFG; SR 810.30). Gemäss Art. 54 Abs. 1 HFG bezeichnet jeder Kanton die für sein Gebiet zuständige Ethikkommission und wählt deren Mitglieder; er nimmt die Aufsicht über die Ethikkommission wahr. Art. 51 HFG überträgt den Ethikkommissionen die Aufgabe, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach dem 8. Kapitel (betreffend Bewilligungen, Meldungen und Verfahren) zu überprüfen, ob die Forschungsprojekte und deren Durchführung den ethischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen; insbesondere überprüfen sie, ob der Schutz der betroffenen Personen gewährleistet ist. Die Ethikkommissionen üben ihre Aufgaben fachlich unabhängig aus, ohne diesbezüglich Weisungen der Aufsichtsbehörde zu unterliegen (Art. 52 HFG zur Unabhängigkeit). Bei ihrer Zusammensetzung ist auf Fachkompetenz und Multidisziplinarität zu achten (Art. 53 HFG). Die kantonalen Ethikkommissionen sind zuständig für die Erteilung von Bewilligungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Forschungsprojekten auf dem Gebiet des sie betreffenden Kantons ( Art. 45, 47 und 48 HFG ). Gemäss Art. 49 HFG regelt der Bundesrat das Verfahren näher, was er mit der Organisationsverordnung zum Humanforschungsgesetz vom 20. September 2013 (Organisationsverordnung HFG, OV-HFG; SR 810.308) getan hat. Das Verfahren für Beschwerden gegen Entscheide der Ethikkommissionen richtet sich nach dem kantonalen Verfahrensrecht und den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Art. 50 HFG).
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat die Belange seiner kantonalen Ethikkommission in der Verordnung vom 20. August 2014 über die Kantonale Ethikkommission für die Forschung (KEKV) geregelt. Sie ist eine Institution, welche eine kantonale Aufgabe (bzw. eine vom Bund an den Kanton übertragene Aufgabe) ausserhalb der Verwaltung und aufgrund von Leistungsvereinbarungen wahrnimmt (Art. 20 Abs. 3 und 22 des Gesetzes vom 20. Juni 1995 über die Organisation des Regierungsrats und der Verwaltung [Organisationsgesetz, OrG]). Gemäss Art. 1 KEKV (Zweck, Stellung und Funktion) steht die Kommission unter der Aufsicht der Gesundheits- und Fürsorgedirektion (s. auch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung des Regierungsrats vom 29. November 2000 über die Organisation und die Aufgaben der Gesundheits- und Fürsorgedirektion [Organisationsverordnung GEF, OrV GEF]) und ist dem Kantonsapothekeramt administrativ zugeordnet. Der/die Kommissionspräsident/in wird vom Regierungsrat auf Antrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion nach Konsultation der Erziehungsdirektion für die Dauer von vier Jahren gewählt, die übrigen Mitglieder wählt, nach Konsultation der Erziehungsdirektion, die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (Art. 3 Abs. 1 und 2 KEKV). Gemäss Art. 8 KEKV können Verfügungen der Kantonalen Ethikkommission mit Beschwerde bei der Gesundheits- und Fürsorgedirektion angefochten werden, wobei das Verfahren sich nach den Bestimmungen des VRPG richtet.
2.4. Die eben dargestellte gesetzliche Regelung von Bund und Kanton zeigt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Einrichtung handelt, die im hier betroffenen Bereich mit der Fällung erstinstanzlicher Verfügungen betraut ist und dass gegen ihre Verfügungen von Bundesgesetzes wegen (Art. 50 HFG) Beschwerde erhoben werden kann. Dass sie ausserhalb der Verwaltung steht und ihre Mitglieder aufgrund besonderer Fachkompetenz bestimmt werden, ändert an ihrer Stellung als erstinstanzlich verfügende Behörde nichts, ebenso wenig der Umstand, dass ihr nebst der Aufgabe der Bewilligungserteilung auch Beratungsbefugnisse zukommen (Art. 51 Abs. 2 HFG). Auch die ihr zugestandene Unabhängigkeit (vgl. zu diesem Aspekt vorne zitiertes Urteil 2C_969/2013 betreffend die ElCom) steht der kantonalen Regelung, insbesondere betreffend den Rechtsmittelweg, nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin vermag keine Bestimmung des Bundesrechts (HFG oder sonst) aufzuzeigen, die für ihre besondere, namentlich hinsichtlich Beschwerdebefugnis vom Üblichen abweichende verfahrensrechtliche Stellung sprechen würde. Eine solche lässt sich offensichtlich nicht aus Art. 118b BV ableiten. Die Beschwerdeführerin vermag auch nicht zu substantiieren, dass mit dem ihre Verfügung aufhebenden Beschwerdeentscheid der Gesundheits- und Fürsorgedirektion in einer weitgehend präjudizierenden Weise ihr zukünftiges Funktionieren entscheidend beeinträchtigt bzw. in Frage gestellt würde, was (aber nur für Gemeinwesen bzw. eine öffentlich-rechtliche Körperschaft [vgl. BGE 141 I 253 E. 3 S. 255 f.; 140 II 539 E. 2.2 und 3.1], als welche die Beschwerdeführerin ohnehin nicht gelten kann) ausnahmsweise zur Beschwerdelegitimation nach Art. 89 Abs. 1 BGG führen könnte (vgl. Urteil 2C_783/2017 vom 25. Januar 2018 E. 1 betreffend die Beschwerdelegitimation der Services industriels de Genève). Nichts ableiten kann die Beschwerdeführerin aus dem Urteil 2A.450/2002 vom 4. Juli 2003. Dort wurde auf die Beschwerde einer unter dem Namen Ethik-Kommission auftretenden privatrechtlichen Organisation gegen die Nichtanerkennung bzw. Nichtzulassung als Ethikkommission im Kanton Basel-Landschaft eingetreten. Die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde ohne nähere Ausführungen anerkannt; sie ergab sich aus der privatrechtlichen Natur der Organisation, die in dieser Eigenschaft gegen einen Entscheid des Gemeinwesens opponierte.
2.5. Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht legitimiert; es kann auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.6. Es werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, und dem Eidgenössischen Departement des Innern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. November 2018
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Der Gerichtsschreiber: Feller