BGer 1B_442/2018 |
BGer 1B_442/2018 vom 21.11.2018 |
1B_442/2018 |
Urteil vom 21. November 2018 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Karlen, Eusebio,
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Gerichtsschreiber Dold.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Advokat Dieter Roth,
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gegen
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Regula Lützelschwab,
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Bezirksgericht Rheinfelden,
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Beschwerdegegnerin,
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Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg.
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Gegenstand
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Strafverfahren; Ausstand,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 21. August 2018 (SBK.2018.176).
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Sachverhalt: |
A. |
Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg verurteilte A.________ mit Strafbefehl vom 26. Februar 2018 wegen Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz, das Waldgesetz und das kantonale Hundegesetz sowie wegen Sachbeschädigung und weiteren Delikten zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 290.-- und einer Busse von Fr. 10'000.--. A.________ erhob gegen den Strafbefehl Einsprache, worauf die Staatsanwaltschaft die Akten dem Bezirksgericht Rheinfelden zur Durchführung des Hauptverfahrens weiterleitete.
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Die Präsidentin des Bezirksgerichts Rheinfelden, Regula Lützelschwab, erliess am 4. April 2018 eine Verfügung, in der sie den Parteien unter anderem eine Frist für Beweisergänzungsanträge einräumte. Diese Verfügung wurde A.________ am 30. Mai 2018 zugestellt.
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Mit Eingabe vom 11. Juni 2018 stellte A.________ gegen die Bezirksgerichtspräsidentin ein Ausstandsgesuch, das diese zusammen mit ihrer Stellungnahme an das Obergericht des Kantons Aargau weiterleitete. Mit Entscheid vom 21. August 2018 wies das Obergericht das Gesuch ab.
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B. |
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 27. September 2018 beantragt A.________, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, das Strafverfahren wegen Befangenheit der Gerichtspräsidentin an eine andere Strafkammer im Kanton Aargau zur weiteren Behandlung zu übergeben.
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Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Beschwerdegegnerin legt dar, sie habe seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2004 zehn Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin zu beurteilen gehabt. Fünf hätten mit einem vollumfänglichen Freispruch geendet, drei mit einem Teilfreispruch, eines mit einem Rückzug der Einsprache und nur ein einziges mit einem vollumfänglichen Schuldspruch. Eine systematische Benachteiligung sei somit nicht zu erkennen. Eine Mehrfachbefassung liege ebenfalls nicht vor, da es nicht um die gleiche Sache gehe. Im Übrigen sei das Ausstandsbegehren verspätet gestellt worden.
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Erwägungen: |
1. |
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Das Obergericht hat als letzte und einzige kantonale Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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2. |
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei bereits mehrfach in verschiedenen Parteistellungen und Fragestellungen von der Beschwerdegegnerin beurteilt worden. Sie beruft sich allerdings nicht auf Art. 56 lit. b StPO, wonach eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand tritt, wenn sie in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war. Vielmehr ist sie der Auffassung, es liege ein Ausstandsgrund gemäss Art. 56 lit. f StPO vor. Es sei in den betreffenden Verfahren wiederholt um einen Vorfall vom 30. November 2013 gegangen und das vorliegende Verfahren stehe, wie andere Verfahren auch, im Zusammenhang mit einer nachbarlichen Feindschaft. Die Beschwerdegegnerin habe sich deshalb bereits in einem Masse festgelegt, das die Angelegenheit nicht mehr als offen erscheinen lasse. Ihre Befangenheit sei zudem an der Hauptverhandlung vom 23./24. Mai 2018 zum Ausdruck gekommen.
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2.2. Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Generalklausel, welche alle Ausstandsgründe erfasst, die in Art 56 lit. a-e StPO nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Sie entspricht Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (zum Ganzen: BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179 mit Hinweisen).
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2.3. Der Umstand allein, dass die abgelehnte Richterin bereits in anderen Verfahren gegen die Beschwerdeführerin amtete und diese Verfahren teilweise in einer Verurteilung endeten, begründet keinen Anschein der Befangenheit. Das gilt auch insoweit, als ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Verfahren besteht (vgl. Urteil 1B_35/2010 vom 18. März 2010 E. 2.3). Das Argument, mehrere Verfahren stünden im Zusammenhang mit einer nachbarlichen Feindschaft, verfängt deshalb nicht. Dasselbe gilt umso mehr für das Argument, in den Verfahren sei es wiederholt um einen Sachverhalt vom 30. November 2013 gegangen, denn vorliegend trifft dies gerade nicht zu.
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2.4. Hinsichtlich der in einem anderen Strafverfahren durchgeführten Hauptverhandlung vom 23./24. Mai 2018 bringt die Beschwerdeführerin erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren vor, sie habe sich damals insbesondere deshalb nicht mehr unvoreingenommen behandelt gefühlt, weil die Beschwerdegegnerin den Zeugen und die Auskunftspersonen wiederholt ausführliche Interpretationen und Werturteile über sie abgeben liess. Sie reicht das Urteil jenes Verfahrens ein und beantragt, die Tonbandaufzeichnungen der Verhandlung seien einzuholen. Da es sich dabei um unzulässige neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt, ist auf das Vorbringen nicht einzutreten. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass aus den Äusserungen anderer Verfahrensbeteiligter (hier: Zeugen und Auskunftspersonen) allein nicht auf die Befangenheit des Richters, der ihnen an einer Verhandlung das Wort erteilt hat, geschlossen werden kann.
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3. |
Die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 21. November 2018
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Chaix
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Der Gerichtsschreiber: Dold
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