BGer 9C_466/2018
 
BGer 9C_466/2018 vom 28.11.2018
 
9C_466/2018
 
Urteil vom 28. November 2018
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
 
Verfahrensbeteiligte
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG Rechtsdienst Haftpflicht- und Versicherungsrecht, Affolternstrasse 42, 8050 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 16. Mai 2018 (IV.2017.00510).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Die 1962 geborene A.________, Mutter von zwei Kindern, hatte zuletzt vom 1. April 1989 bis 31. Oktober 2002 (letzter effektiver Arbeitstag: 12. Juli 2002) eine 50 %-Stelle als Mitarbeiterin im Reinigungsdienst inne. Im Dezember 2002 meldete sie sich unter Hinweis auf eine Erschöpfungsdepression und chronische Rückenschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der Verhältnisse sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrades von 45 % mit Wirkung ab 1. Februar 2003 eine Viertelsrente zu (Einspracheentscheid vom 6. Januar 2005, bestätigt mit Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 15. März 2006).
A.b. Revisionsweise erhöhte die IV-Stelle die bisherige Viertels- auf eine Dreiviertelsrente, dies mit Wirkung ab 1. April 2006 (neu ermittelter Invaliditätsgrad von 60 %; Verfügung vom 19. März 2007).
A.c. Ein weiteres Revisionsverfahren führte zur Bestätigung des Anspruchs auf eine Dreiviertelsrente (Mitteilung vom 21. Mai 2010).
A.d. Im Juli 2015 leitete die IV-Stelle erneut ein Revisionsverfahren ein. Sie holte bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. med. C.________, Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation und Facharzt für Rheumatologie, ein bidisziplinäres Gutachten ein, welches am 25. Mai 2016 erstattet wurde. Vorbescheidweise kündigte die Verwaltung die Einstellung der Rente an. Dagegen erhob die Versicherte Einwand und beantragte die Weiterausrichtung mindestens einer Viertelsrente. Mit Verfügung vom 24. März 2017 wurde die Rente auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats eingestellt.
B. Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die Zusprache mindestens einer Viertelsrente beantragen. Das Gutachten vom 25. Mai 2016 sei aus dem Recht zu weisen. Eventualiter seien bei den behandelnden Ärzten zusätzliche Verlaufsberichte einzuholen oder weitere Abklärungen vorzunehmen. Mit Entscheid vom 16. Mai 2018 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, nach den erforderlichen Abklärungen die gesetzlichen Versicherungsleistungen auszurichten.
 
Erwägungen:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben. Ebenso entfällt eine Prüfung der Ermessensbetätigung nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle.
 
2.
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es die rentenaufhebende Verfügung vom 24. März 2017 bestätigte.
2.2. Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden Grundlagen zur Revision von Invalidenrenten (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 ff. mit Hinweisen) und die Rechtsprechung zur zeitlichen Vergleichsbasis für die Beurteilung einer anspruchserheblichen Änderung (BGE 133 V 108; 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 ff.) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben sind auch die Grundsätze zum Beweiswert eines Arztberichts (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.
3. Die Vorinstanz erwog, in somatischer Sicht sei bei der Versicherten wohl von einem unveränderten Gesundheitszustand auszugehen. Eine genauere Prüfung erübrige sich, weil es im massgebenden Vergleichszeitraum jedenfalls bei den psychischen Verhältnissen zu einer revisionsrechtlich erheblichen Verbesserung gekommen sei. Ein Revisionsgrund sei ausgewiesen und der medizinische Sachverhalt ohne Bindung an frühere Einschätzungen festzustellen. Mit den Gutachtern Dres. med. B.________ und C.________ sei davon auszugehen, dass der Versicherten zwar ihre angestammte Tätigkeit im Reinigungsdienst nicht mehr zumutbar sei, in jeder körperlich leichten Tätigkeit aber eine Arbeitsfähigkeit von 80 % bestehe. Da die Beeinträchtigung psychisch begründet sei, stelle sich die Frage, ob der diagnostizierten leichten Depression invalidisierende Bedeutung zukomme. Die zu diesem Zweck vorgenommene Indikatorenprüfung zeige, dass die Versicherte funktionell nicht schwer eingeschränkt und ihr Verhalten nicht in allen Teilen konsistent sei. Dies führe zum Ergebnis, dass der gutachterlichen Beurteilung, wonach eine psychisch bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 20 % bestehe, nicht gefolgt werden könne. Es liege keine invalidisierende psychische Gesundheitsstörung vor. Die Versicherte sei in einer behinderungsangepassten, vorwiegend sitzenden Tätigkeit voll arbeitsfähig. Nach der Einkommensvergleichsmethode (Valideneinkommen von Fr. 67'507.-; Invalideneinkommen von Fr. 54'517.-) resultiere ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 19.2 %.
 
4.
4.1. Die Beschwerdeführerin macht vorab geltend, das kantonale Gericht hätte für die Beurteilung der Frage, ob sich ihr Gesundheitszustand anspruchserheblich verändert hat, auf den Zeitpunkt der rentenerhöhenden Verfügung von 2007 und nicht auf die rentenbestätigende Mitteilung vom 21. Mai 2010 als Vergleichsbasis abstellen müssen. Denn die Verwaltung habe im Jahr 2010 lediglich zwei Arztberichte beigezogen, diese dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) nicht zur Stellungnahme unterbreitet, keine weitere Prüfung vorgenommen und die Versicherte schliesslich ohne Begründung in einer Standardmitteilung darüber informiert, dass die bisherige Rente weiterhin ausgerichtet werde.
4.2. Die Kritik, die Vorinstanz habe die falsche Vergleichsbasis beigezogen, stützt sich auf unrichtige Tatsachen und geht damit ins Leere. Denn anders als die Beschwerdeführerin darzustellen versucht, ging der Mitteilung vom 21. Mai 2010 eine umfassende materielle Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Invaliditätsbemessung im Sinne von BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff. voraus: Die Verwaltung holte damals verschiedene Arztberichte zum aktuellen Gesundheitszustand der Versicherten ein (Berichte des Dr. med. D.________, Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation und Facharzt für Rheumatologie, vom 4. September 2008, des Dr. med. E.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, vom 9. Februar 2010 und der Dr. med. F.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 8. April 2010). Aus diesen Unterlagen ergab sich ohne weiteres, dass die Versicherte weiterhin zu 70 % arbeitsunfähig war. Unter diesen Umständen konnte die Verwaltung darauf verzichten, den RAD um eine Stellungnahme anzufragen, hat sie diesen doch nicht zwingend in jedem Fall beizuziehen (vgl. Art. 59 Abs. 2bis IVG). Die IV-Stelle nahm sodann auch eine rechtskonforme Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode vor, wobei sie von Einschränkungen von 20 % im (mit 80 % gewichteten) erwerblichen Bereich und von 19.75 % im (mit 20 % gewichteten) Haushaltbereich ausging. Auf diese Weise ermittelte sie einen (unveränderten) Invaliditätsgrad von (gerundet) 60 % (Feststellungsblatt für den Beschluss vom 21. Mai 2010).
5. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte das kantonale Gericht nicht auf die beiden Teilgutachten der Dres. med. C.________ und B.________ vom 25. Mai 2016 abstellen dürfen, weil sie widersprüchlich, nicht schlüssig und unvollständig seien, an gravierenden Mängeln litten und einen Grossteil der Fragen nicht beantworteten.
5.1. Was das somatische Teilgutachten des Dr. med. C.________ vom 25. Mai 2016 anbelangt, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, worin die pauschal geltend gemachten Mängel im Einzelnen bestehen sollen. Stattdessen beschränkt sie sich in diesem Zusammenhang auf Kritik am angefochtenen Entscheid, welche indessen unbegründet ist: Nicht gefolgt werden kann ihr insbesondere, soweit sie geltend macht, die Vorinstanz hätte die Frage, wie sich der somatische Gesundheitszustand entwickelt habe, nicht offen lassen dürfen, weil Dr. med. C.________ neu eine Tarsalgie (Fersenschmerz) diagnostiziert habe, so dass sich der Gesundheitszustand - verglichen mit 2007 - verschlechtert habe. Unter Zugrundelegung des richtigen Referenzzeitpunktes (2010; vgl. dazu E. 4.2 vorne) ist eine Verschlechterung nicht ersichtlich, berichtete doch Dr. med. E.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, Oetwil am See, bereits am 9. Februar 2010 über chronische Fussschmerzen, aufgrund welcher die Versicherte immer wieder die Beine hochlagern müsse. Unberechtigt ist auch der Vorwurf, die Vorinstanz habe das Teilgutachten des Dr. med. C.________ vom 25. Mai 2016 nicht korrekt gewürdigt, indem sie die neu gestellte Diagnose einer Tarsalgie nicht berücksichtigt habe. Denn im angefochtenen Entscheid wird davon ausgegangen, dass der Versicherten wegen der Tarsalgie (bei welcher es sich im Übrigen um die einzige somatische Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit handelt) und der damit einhergehenden eingeschränkten Gehfähigkeit die bisher ausgeübte Arbeit im Reinigungsdienst unzumutbar ist und für sie behinderungsbedingt nur noch vorwiegend sitzende Tätigkeiten in Frage kommen. Soweit die Versicherte daran festhält, die Vorinstanz hätte auch hinsichtlich dieser körperlichen Beschwerden ein strukturiertes Beweisverfahren vornehmen müssen, kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden; Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.2. Am psychiatrischen Teilgutachten vom 25. Mai 2016 bemängelt die Beschwerdeführerin in substanziierter Form einzig, Dr. med. B.________ habe die vorhandenen medizinischen Akten nur aufgeführt, aber nicht gewürdigt. Auch diese Behauptung ist unzutreffend, setzte sich doch der Gutachter auf S. 10 f. mit den entsprechenden ärztlichen Berichten auseinander. Des Weitern begründete er auch seine Einschätzung, dass die Versicherte seit Sommer 2015 nicht mehr an einer mittelgradigen, sondern an einer leichtgradigen depressiven Episode litt. Die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpfen sich in unzulässiger appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid. Eine Bundesrechtswidrigkeit der vorinstanzlichen Schlussfolgerung, wonach eine Indikatorenprüfung aufgrund der vorhandenen Akten möglich sei und zur Verneinung einer invalidisierenden psychischen Gesundheitsstörung führe, vermag die Versicherte nicht darzutun. Im Übrigen würde selbst im Falle, dass die Indikatorenprüfung das Gegenteil ergeben hätte, so dass von einer psychisch bedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit um 20 % in leidensangepassten Tätigkeiten auszugehen wäre, mit (rund) 35 % noch immer ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad resultieren (Valideneinkommen [unverändert]: Fr. 67'507.-; Invalideneinkommen [vermindert]: Fr. 43'614.-).
6. Zusammenfassend ergibt sich, dass eine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheides nicht dargetan ist.
7. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 28. November 2018
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann