Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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1C_478/2018
Urteil vom 30. November 2018
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
A.________ Ltd.,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Fabrizio N. Campanile,
gegen
EDA Direktion für Völkerrecht (DV),
Bundeshaus Nord, 3003 Bern.
Gegenstand
Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen,
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II,
vom 3. August 2018 (B-2113/2018).
Sachverhalt:
A.
Am 28. Februar 2014 trat die vom Bundesrat gestützt auf Art. 184 Abs. 3 BV erlassene Verordnung vom 26. Februar 2014 über Massnahmen gegen gewisse Personen aus der Ukraine (AS 2014 573; im Folgenden: aUkraine-Verordnung) in Kraft. Die Verordnung sah die administrative Sperrung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen vor, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle von natürlichen Personen, Unternehmen und Organisationen befanden, die im Anhang der Verordnung genannt wurden. Unter ihnen befand sich B.________. Am 5. März 2014 meldete die Bank C.________ der Direktion für Völkerrecht (DV) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) im Rahmen ihrer Meldepflicht von Art. 4 aUkraine-Verordnung die von ihr verwalteten Vermögenswerte, an denen B.________ wirtschaftlich berechtigt war: A.________ Ltd. mit Stammkonto Nr. xxx (im Folgenden: Konto 1); D.________ Inc. mit Stammkonto Nr. yyy (im Folgenden: Konto 2); E.________ Inc. mit Stammkonto Nr. zzz (im Folgenden: Konto 3).
Die A.________ Ltd. gab im Laufe des Verfahrens an, dass sie je zu 50 % von der F.________ Ltd. (mit Sitz in Zypern) und der D.________ Inc. (mit Sitz in Panama) gehalten werde und dass B.________ Alleinaktionär der D.________ Inc. sei. Am 18. Dezember 2015 teilte sie der DV mit, ihre Aktionäre hätten sich zur Abwendung von weiterem Reputationsschaden geeinigt, dass die D.________ Inc. ihre Anteile für Fr. 6'778'534.-- an die F.________ Ltd. verkaufe und ersuchte um Genehmigung der Zahlung vom Konto 1 auf das Konto 3.
Im Rahmen einer in der Zwischenzeit aufgenommenen Strafuntersuchung gegen B.________ stellte die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine am 9. April bzw. 20. August 2015 ein Rechtshilfegesuch. Das Bundesamt für Justiz (BJ) trat mit Verfügung vom 23. Dezember 2015 auf das Gesuch ein und verfügte seinerseits die Sperre der Konten 1, 2 und 3.
Mit Verfügung vom 5. Februar 2016 genehmigte die DV das Gesuch der A.________ Ltd. vom 18. Dezember 2015 und ermächtigte sie zum Transfer der genannten Summe. Mit Schreiben vom 18. März 2016 erteilte das BJ ebenfalls seine Zustimmung. In der Folge ersuchte die A.________ Ltd. die DV mit Schreiben vom 15. Mai 2016 um Aufhebung der Sperre ihres Kontos und brachte zur Begründung vor, B.________ sei nun nicht mehr wirtschaftlich Berechtigter.
Am 7. Juli 2016 widerrief das BJ seine Zustimmung zum Transfer und ordnete dessen Rückabwicklung an. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, dass die ihm vorgelegten Informationen falsch bzw. nicht ausreichend gewesen seien. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2016 widerrief die DV ihre Verfügung vom 5. Februar 2016 und wies die Bank C.________ an, das Geld zurückzuüberweisen. Gegen die Verfügung der DV erhob die A.________ Ltd. Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. In der Folge hob die DV am 2. Juni 2017 die administrative Sperre des Kontos der A.________ Ltd. sowie ihre Verfügung vom 18. Oktober 2016 auf, woraufhin das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren am 27. Juni 2017 als gegenstandslos geworden abschrieb.
Mit Schreiben vom 30. August 2017 stellte die A.________ Ltd. beim BJ den Antrag, die rechtshilfeweise erfolgte Sperre ihres Kontos sei aufzuheben. Am 22. September 2017 erinnerte das BJ die Bank C.________ daran, dass es an seiner Anweisung vom 7. Juli 2016, wonach der Kaufpreis zurückzubezahlen sei, festhalte, und am 25. September 2017 wies es den Antrag auf Aufhebung der Kontosperre ab. Eine von der A.________ Ltd. dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht mit Entscheid vom 16. Januar 2018 ab, soweit es darauf eintrat. Daraufhin gelangte die A.________ Ltd. mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Mit Urteil 1C_53/2018 vom 1. März 2018 trat das Bundesgericht auf das Rechtsmittel nicht ein.
Auf Nachfrage der Bank C.________ teilte die DV dieser gemäss eigenen Angaben am 28. November 2017 mit, dass sie keine Einwände gegen die Rückzahlung habe. Mit Schreiben vom 29. November und 13. Dezember 2017 forderte daraufhin die A.________ Ltd. die DV auf, die Bank C.________ anzuweisen, die Rückzahlung nicht vorzunehmen. Mit Schreiben vom 30. Januar 2018 teilte die DV der A.________ Ltd. mit, die Rücküberweisung des Kaufpreises liege ausschliesslich in der Kompetenz des BJ. In der Folge verlangte die A.________ Ltd. eine anfechtbare Verfügung. Mit Verfügung vom 5. April 2018 trat die DV auf den Antrag der A.________ Ltd. vom 29. November bzw. 13. Dezember 2017 nicht ein. Zur Begründung führte sie erneut an, dass sie über keine Entscheidbefugnis verfüge.
Eine von der A.________ Ltd. dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 3. August 2018 ab.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 14. September 2018 beantragt die A.________ Ltd. im Wesentlichen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und die Verfügung der DV seien aufzuheben und die Sache sei zur neuen Beurteilung an die DV, eventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen. In weiteren Eventualanträgen verlangt sie zudem, die Bank C.________ sei anzuweisen, die Rücküberweisung nicht bzw. erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Freigabeverfügung der DV zu tätigen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die DV beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführerin hat dazu Stellung genommen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG ). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist als Inhaberin des von der Rückzahlung betroffenen Kontos besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist unter dem Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen einzutreten.
2.
Die DV hat den Antrag der Beschwerdeführerin, die Bank C.________ anzuweisen, die Rücküberweisung nicht vorzunehmen, als unzulässig bezeichnet, weil sie keine Entscheidbefugnis besitze. Sinngemäss ist sie damit auf den Antrag mangels Zuständigkeit nicht eingetreten. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Verfügung geschützt. Im vorliegenden Verfahren, dessen Gegenstand ebenfalls auf die Zuständigkeitsfrage beschränkt ist, ist zu untersuchen, ob das Bundesverwaltungsgericht dadurch Bundesrecht verletzt hat. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Verfügung der DV richtet. Diese ist im Rahmen des Streitgegenstands durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ersetzt worden (Devolutiveffekt) und gilt als inhaltlich mitangefochten (BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144 mit Hinweis). Auch soweit die Beschwerdeführerin die angeblich widerrechtliche Auskunft der DV vom 28. November 2017 kritisiert, sich hinsichtlich des Rücktransfers auf das Willkürverbot (Art. 9 BV), die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und die Vertragsfreiheit (Art. 27 BV) beruft, geht sie über den Verfahrensgegenstand (die Frage der Zuständigkeit der DV) hinaus und legt nicht dar, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Darauf ist ebenfalls nicht einzutreten.
3.
3.1. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, für die Rücküberweisung der vom Konto 1 auf das Konto 3 transferierten Summe von Fr. 6'778'534.-- bedürfe es neben der Zustimmung des BJ auch derjenigen der DV. Art. 8 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 2015 über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG; SR 196.1) sei auf eine "aussergewöhnliche" Verwaltungshandlung, wie sie vorliegend zur Diskussion stehe, nicht anwendbar. Das entspreche der in BGE 141 I 20 geäusserten Auffassung des Bundesgerichts, wonach die Rechtshilfebehörde keinen Vorrang habe, sondern vielmehr von der Parallelität der beiden Verfahren auszugehen sei. Wenn Geld vom rechtshilfeweise, verwaltungsrechtlich und strafrechtlich gesperrten Konto 3 auf das lediglich rechtshilfeweise gesperrte Konto 1 transferiert werden solle, stelle das eine Freigabe gemäss Art. 9 SRVG dar, die der Bewilligung des EDA bedürfe. Schliesslich seien auch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 25a VwVG unzutreffend.
3.2. Die vom Bundesrat gestützt auf 184 Abs. 3 BV erlassene aUkraine-Verordnung wurde am 1. Juli 2016 durch das SRVG und die Verordnung vom 25. Mai 2016 über die Sperrung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Ukraine (Ukraine-Verordnung; SR 196.127.67) ersetzt. Vermögenswerte, die beim Inkrafttreten des SRVG gestützt auf Art. 184 Abs. 3 BV bereits gesperrt waren, blieben gemäss Art. 32 Abs. 1 SRVG gesperrt.
3.3.
3.3.1. Die auf Art. 3 SRVG gestützte Sperrung von Vermögenswerten in der Schweiz soll den ausländischen Behörden Zeit geben, um ein Strafverfahren einzuleiten und ein Rechtshilfegesuch zu stellen (vgl. BGE 141 I 20 E. 6.1.1 S. 30). Die (verwaltungsrechtliche) Sperrung stellt somit eine vorsorgliche Massnahme dar, welche die Aufnahme von Rechtshilfebeziehungen zwischen der Schweiz und dem Herkunftsstaat erleichtern soll (Botschaft vom 21. Mai 2014 zum Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen, BBl 2014 5297 Ziff. 2.3.2).
3.3.2. Art. 8 SRVG regelt die Verwaltung gesperrter Vermögenswerte und grenzt in dieser Hinsicht die Verantwortung der implizierten Akteure voneinander ab (BBl 2014 5313 Ziff. 2.3.2). Abs. 5 dieser Bestimmung verankert den Grundsatz des Vorrangs eines parallel laufenden Rechtshilfe- oder Strafverfahrens:
Sind die Vermögenswerte auch im Rahmen eines Straf- oder Rechtshilfeverfahrens gesperrt, so obliegt ihre Verwaltung ausschliesslich der Behörde, die jenes Verfahren leitet. Diese informiert das EDA, bevor sie die Aufhebung der Sperrung der Vermögenswerte anordnet.
3.3.3. Die Beschwerdeführerin geht mit ihrem Argument, die Parallelität der verschiedenen Verfahren bedeute, dass im vorliegenden Fall die Zustimmung des EDA erforderlich sei, fehl. Gerade weil neben der administrativen Sperrung auch eine rechtshilferechtliche oder strafprozessuale möglich ist (vgl. dazu wiederum BGE 141 I 20 E. 6.1.1 S. 30), ist eine Abgrenzung der Zuständigkeiten bezüglich der Verwaltung gesperrter Vermögenswerte erforderlich. Diese erfolgt gemäss Art. 8 Abs. 5 SRVG nach dem Prinzip der subsidiären Zuständigkeit des EDA. Dies entspricht dem erwähnten allgemeineren Gesetzeszweck, durch die administrative Sperrung von Vermögenswerten eine allfällige Rechtshilfezusammenarbeit zu ermöglichen, und ist Ausdruck des Vorrangs der Rechtshilfe. Unberührt davon bleibt die Befugnis des EDA, gestützt auf Art. 9 SRVG ausnahmsweise die Freigabe einzelner gesperrter Vermögenswerte zu bewilligen, insbesondere in Härtefällen oder Fällen, in denen die Wahrung wichtiger Schweizer Interessen dies erfordert (BBl 2014 5313 Ziff. 2.3.2). Wie die DV zu Recht vorbringt, steht vorliegend allerdings keine derartige Freigabe zur Diskussion.
3.3.4. Aus dem Ausgeführten geht hervor, dass das Bundesrecht keine Zuständigkeit der DV bzw. des EDA vorsieht, die vom BJ angeordnete Rücküberweisung der erwähnten Summe zu genehmigen. Ob es sich dabei um eine Verwaltungsmassnahme im Sinne von Art. 8 SRVG handelt, kann vorliegend offenbleiben. Die Verfügung des BJ vom 7. Juli 2016 ist, da sie von der Beschwerdeführerin nicht angefochten wurde, in Rechtskraft erwachsen. Dass sie nichtig sein könnte, wie die Beschwerdeführerin beiläufig andeutet, jedoch nicht konkret begründet (Art. 42 Abs. 2 BGG), ist nicht ersichtlich.
4.
Die Beschwerde ist aus den genannten Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit wird der Antrag der Beschwerdeführerin auf vorsorgliche Massnahmen gegenstandslos.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen ( Art. 68 Abs. 1-3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem EDA, Direktion für Völkerrecht, und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. November 2018
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Dold