Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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8C_758/2018
Urteil vom 7. Januar 2019
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dominik Zehntner
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Berufskrankheit),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 14. September 2018 (5V 17 309).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1975, arbeitete von Juni 2005 bis November 2012 als Maschinen-Einrichter bei der B.________ AG und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 26. Februar 2014 machte er unter Berufung auf die Stellungnahmen seines Hausarztes Dr. med. C.________, Innere Medizin FMH, Vergiftungserscheinungen geltend und ersuchte um Ausrichtung von Versicherungsleistungen wegen Berufskrankheit. Die Suva lehnte ihre Leistungspflicht gestützt auf die Abklärungen ihrer Abteilung Arbeitsmedizin, Dr. med. D.________, mit Verfügung vom 21. Januar 2015 und Einspracheentscheid vom 21. Januar 2016 ab.
B.
B.a. Die dagegen erhobene Beschwerde, mit der A.________ die ihm gesetzlich zustehenden Leistungen für die durch Berufskrankheit verursachte Arbeitsunfähigkeit beantragte, wies das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 19. Dezember 2016 ab. Das Bundesgericht wies die Sache unter teilweiser Gutheissung der Beschwerde zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück, damit sie den Sachverhalt (unter eigener Beweisabnahme) weiter abkläre und ein medizinisches Gutachten einhole (Urteil 8C_67/2017 vom 14. Juni 2017).
B.b. Nach Einvernahme von vier Zeugen und gestützt auf das Gutachten des Dr. med. E.________, FMH Arbeitsmedizin, vom 6. Juni 2018 wies das Kantonsgericht die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 21. Januar 2016 erneut ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache an die Vorinstanz zur Vornahme rechtsgenüglicher Abklärungen zurückzuweisen.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG ).
2.
Streitig ist, ob die vom kantonalen Gericht bestätigte Ablehnung der Leistungspflicht der Suva aus Berufskrankheit vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht dabei, ob die Verneinung der ausschliesslichen oder vorwiegenden Verursachung der geltend gemachten Beschwerden durch einen Listenstoff gestützt auf die Zeugeneinvernahmen der Vorinstanz und das von ihr eingeholte ärztliche Gutachten rechtens war.
3.
3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung und die Grundsätze über die Leistungspflicht des Unfallversicherers bei Berufskrankheiten nach Art. 9 Abs. 1 UVG - Krankheit, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch einen schädigenden Stoff gemäss der vom Bundesrat auf der Grundlage dieser Delegationsnorm und gestützt auf Art. 14 UVV erstellten Liste verursacht wurde (Anhang I zur UVV; BGE 133 V 421 E. 4.1 S. 425; Urteil 8C_429/2013 vom 6. November 2014 E. 5) - zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen. Hervorzuheben ist, dass es angesichts des empirischen Charakters der medizinischen Wissenschaft (BGE 126 V 183 E. 4c S. 189) für den Beweis im Einzelfall eine entscheidende Rolle spielt, ob und inwieweit die Medizin, je nach ihrem Wissensstand in der fraglichen Disziplin, über die Genese einer Krankheit im Allgemeinen Auskunft zu geben oder (noch) nicht zu geben vermag. Wenn auf Grund medizinischer Forschungsergebnisse ein Erfahrungswert dafür besteht, dass eine berufsbedingte Entstehung eines bestimmten Leidens von seiner Natur her nicht nachgewiesen werden kann, dann schliesst dies den (positiven) Beweis auf eine Ursächlichkeit im Einzelfall aus. Oder mit andern Worten: Sofern der Nachweis des erforderlichen überwiegenden Kausalzusammenhanges nach der medizinischen Empirie allgemein nicht geleistet werden kann, scheidet die Anerkennung im Einzelfall aus (BGE 126 V 183 E. 4c S. 189 f.; SVR 2018 UV Nr. 26 S. 90, 8C_507/2015 E. 2.2; Urteil 8C_429/2013 vom 6. November 2014 E. 5.2).
3.2. Zu ergänzen ist des Weiteren, dass es zur Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche verlässlicher medizinischer Entscheidgrundlagen bedarf. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Nach den Richtlinien zur Beweiswürdigung weicht das Gericht praxisgemäss nicht ohne zwingende Gründe von Gerichtsgutachten ab (BGE 143 V 269 E. 6.2.3.2 S. 282).
4.
Nach dem kantonalen Gericht war gestützt auf die Einvernahmen von zwei Produktionsleitern, eines Betriebsleiters sowie des Qualitäts- und Sicherheitsverantwortlichen der vormaligen Arbeitgeberin erstellt, dass der Beschwerdeführer bei der Reinigung von Werkzeugen, nicht aber von heissen Walzen, mehrfach pro Tag jeweils während wenigen Minuten, insgesamt aber weniger als eine Stunde, Aceton verwendet habe, um Kleberückstände zu beseitigen. Gemäss voll beweiskräftigem Gerichtsgutachten des Dr. med. E.________ sei es dadurch zu einer Lösemittelaufnahme hauptsächlich durch Einatmen gekommen. Die vom Gutachter diagnostizierten Krankheiten - Erschöpfungssyndrom, Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie, Lumbovertebralsyndrom, Osteoid-Osteom des Kalkaneus links, chronische Gastritis und Refluxösophagitis bei Hiatushernie, chronische Bronchitis seit 2018 (Status nach Nikotinkonsusum bis 12/2017) - seien nicht ausschliesslich oder überwiegend wahrscheinlich durch den Kontakt mit Aceton (beziehungsweise Methyläthylketon) verursacht oder verschlimmert worden. Es verneinte daher die Leistungspflicht der Suva aus Berufskrankheit nach Art. 9 UVG.
5.
Inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen unrichtig wären oder eine Bundesrechtsverletzung vorläge, ist nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer vermag insbesondere keine zwingenden Gründe vorzubringen, die ein Abweichen vom Gerichtsgutachten rechtfertigten. Soweit er sich auf das von seinem behandelnden Arzt als MCSS (multiple chemical sensitivity syndrome) qualifizierte Beschwerdebild beruft, handelt es sich dabei gemäss Gutachter nicht um eine von der Schulmedizin verwendete Diagnose und lässt sich dafür nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft keine Ursache benennen. Dies schliesst den Beweis einer Ursächlichkeit durch am Arbeitsplatz eingeatmete Listenstoffe rechtsprechungsgemäss aus (oben E. 3.1). Daran ändert nichts, dass der genaue (zeitliche und mengenmässige) Umfang, in dem der Versicherte Aceton oder Methyläthylketon ausgesetzt gewesen sei, gemäss Rüge des Beschwerdeführers nicht abschliessend geklärt sei. Zum einen wird nicht dargelegt und ist auch nicht erkennbar, inwiefern gestützt auf die Angaben des wegen Auslandsabwesenheit dispensierten Zeugen - aber auch des Beschwerdeführers selber - von einer erheblich höheren als der vom Gerichtsgutachter angenommenen Menge auszugehen wäre. Zum anderen bewirkten höhere Expositionsmengen (über dem geltenden MAK-Wert von 500 ppm) - die der Gerichtsgutachter jedoch angesichts der angegebenen sporadischen Werkzeug- und Maschinenreinigung ausschloss - eine Irritation der Schleimhäute (und nicht nur Befindlichkeitsstörungen im Sinne von Lästigkeit), die aber beim Versicherten nie festgestellt worden seien. Aus dem Entscheid des Sozialgerichts F.________ vermag der Beschwerdeführer keine Schmälerung der Beweiskraft des Gerichtsgutachtens durch veralteten Stand der medizinischen Wissenschaft abzuleiten. Schliesslich schloss der Gerichtsgutachter die Exposition gegenüber Methyläthylketon als Inhaltsstoff der verwendeten Reinigungsmittel aus. Mit dem Schreiben der chemischen Fakultät G.________ vom 25. März 2015 kann Gegenteiliges nicht als erstellt gelten.
6.
Zusammengefasst hat die Vorinstanz gestützt auf die bundesgerichtlich angeordneten weiteren Beweismassnahmen bundesrechtskonform festgestellt, dass beim Beschwerdeführer keine Krankheit vorliegt, die ausschliesslich oder vorwiegend durch einen Listenstoff verursacht wurde. Es besteht daher keine Leistungspflicht der Suva aus Berufskrankheit nach Art. 9 Abs. 1 UVG.
7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 7. Januar 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo