BGer 9C_492/2018 |
BGer 9C_492/2018 vom 24.01.2019 |
9C_492/2018 |
Urteil vom 24. Januar 2019 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
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Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Friedauer,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich,
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Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 4. Juni 2018 (IV.2017.00631).
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Die 1973 geborene A.________, Mutter einer 2010 geborenen Tochter und Direktionsassistentin mit eidgenössischem Fachausweis, war nach ihrer Ausbildung in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt als Management Support Officer bei der B.________ (letzter Arbeitstag: 28. April 2010), welche Anstellung sie per 31. März 2012 verlor.
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Im November 2011 meldete sie sich wegen Hüftgelenkschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der Verhältnisse und Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Leistungsanspruch. Die entsprechende Verfügung vom 12. November 2012 erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
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A.b. Vom 6. September bis 29. November 2013 liess sich A.________ zur Spielgruppenleiterin ausbilden. Nach einem am 27. Dezember 2013 erlittenen Sturz, bei welchem sie sich multiple Prellungen zuzog, war sie längere Zeit vollständig arbeitsunfähig.
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A.c. Im Juni 2014 meldete sich A.________ unter Hinweis auf den am 27. Dezember 2013 erlittenen Unfall erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle tätigte medizinische sowie erwerbliche Abklärungen und zog die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) bei. Im Verlaufe des Verfahrens, am 1. Oktober 2015, trat die Versicherte bei der Stadt C.________ eine Stelle als Sachbearbeiterin (60 %-Pensum) an. Die IV-Stelle veranlasste eine bidisziplinäre Begutachtung an der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim; Gutachten vom 25. Mai 2016). Mit Vorbescheid vom 8. Juni 2016 verneinte sie einen Rentenanspruch. Auf die Einwände der Versicherten führte sie am 24. November 2016 eine Abklärung der Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt durch (Bericht vom 1. Dezember 2016), zu welcher A.________ am 20. Dezember 2016 Stellung nahm. Die IV-Stelle erliess am 11. Januar 2017 einen neuen Vorbescheid, in welchem sie die Zusprache einer auf die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 30. Juni 2015 befristeten ganzen Invalidenrente in Aussicht stellte. Nachdem die Versicherte erneut Einwände erhoben hatte, verfügte die Verwaltung am 4. Mai 2017 wie vorbeschieden.
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B. Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung beantragen. Es sei ihr auch in der Zeit ab 1. Juli 2015 eine Rente auszurichten. Mit Entscheid vom 4. Juni 2018 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und erneuert im Übrigen das im kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren.
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Erwägungen: |
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig (willkürlich; BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).
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2. Im angefochtenen Entscheid werden die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 IVG) und zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie zum Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 IVG) sowie die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG). Richtig wiedergegeben ist auch die Rechtsprechung zum Beweiswert von Arztberichten. Darauf wird verwiesen.
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3. |
Die Vorinstanz erwog, es sei auf das beweiskräftige asim-Gutachten vom 25. Mai 2016 abzustellen. Massgebend sei dabei nicht die Einschätzung im rheumatologischen Teilgutachten, sondern die bidisziplinäre (rheumatologisch-psychiatrische) Konsensbeurteilung, gemäss welcher die Versicherte - nach einer sich an das Unfallereignis vom 27. Dezember 2013 anschliessenden Phase vollständiger Arbeitsunfähigkeit - ab April 2015 wieder in der Lage gewesen sei, die angestammte und jede andere behinderungsangepasste Tätigkeit im Umfang von 70 % auszuüben. Die gesundheitliche Verbesserung im Sinne der Wiedererlangung einer Arbeitsfähigkeit von 70 % sei ab 1. Juli 2015 (d.h. nach drei Monaten gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV) zu berücksichtigen.
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Was die Bemessung der Invalidität der unbestritten als Vollerwerbstätige zu qualifizierenden Versicherten anbelangt, nahm das kantonale Gericht einen Prozentvergleich vor mit der Begründung, der für einen Rentenanspruch massgebende Grenzwert (Art. 28 Abs. 2 IVG) werde offensichtlich nicht erreicht, weil auch die angestammte Tätigkeit wieder zu 70 % zumutbar sei. Bei dieser Sachlage bestehe unabhängig vom Wert des einzusetzenden Valideneinkommens ab Juli 2015 ein nicht rentenbegründender Invaliditätsgrad von 30 %.
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4. |
4.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe den rechtserheblichen Sachverhalt willkürlich festgestellt und ihren Entscheid auf eine mangelhafte Beweiswürdigung abgestützt. Des Weitern werde der Invaliditätsgrad der Versicherten im angefochtenen Entscheid zu Unrecht mittels eines Prozentvergleichs ermittelt.
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4.2. |
4.2.1. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, das asim-Gutachten vom 25. Mai 2016 enthalte im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit Widersprüche, welche entgegen dem angefochtenen Entscheid nicht durch einen (unbegründeten) Konsens aufgelöst worden seien. Es könne ihm nicht entnommen werden, weshalb die Arbeitsunfähigkeit im Hauptgutachten - logischen Grundsätzen widersprechend - geringer ausgefallen sei als im rheumatologischen Teilgutachten. Die Vorinstanz hätte diese Frage klären müssen. Widersprüchlich sei aber auch, dass der rheumatologische Gutachter hinsichtlich des Arbeitsfähigkeitsgrades zwischen angestammter (Direktionssekretärin: 50 %) und ausgeübter Tätigkeit (Sachbearbeiterin: 60 %) unterscheide, während in der Konsensbeurteilung eine für beide gleichermassen geltende Beeinträchtigung von 30 % festgehalten werde.
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4.2.2. Dr. med. D.________, FMH Innere Medizin und Rheumatologie, gelangte in seinem Teilgutachten zum Ergebnis, dass die Versicherte wegen entzündlicher Korrelate im Bereich der Lendenwirbelsäule, der Hüfte und im linken Oberschenkel für schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollständig arbeitsunfähig und in leichten, angepassten körperlichen Tätigkeiten in ihrer Arbeitsfähigkeit um 30 % eingeschränkt sei. Diese Einschätzung fand Eingang ins Hauptgutachten, in welchem für alle körperlich leichten wechselbelastenden Tätigkeiten, wie auch die aktuell ausgeübte als Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, eine ganztags zumutbare Arbeitsfähigkeit mit einer Leistungseinschränkung von 30 % (aufgrund eines erhöhten Pausenbedarfs) festgehalten wird. Insoweit besteht, entgegen der Beschwerde, kein Widerspruch zwischen Teil- und Hauptgutachten. Allerdings kann nicht nachvollzogen werden, weshalb der Unterschrift des Dr. med. D.________ im rheumatologischen Teilgutachten eine Seite mit der Überschrift "Fragenkataloge der Versicherer und/oder Rechtsvertreter" folgt, in welcher - abweichend von Teil- und Hauptgutachten - angegeben wird, als Direktionsassistentin bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 50 % und als Büroangestellte mit der Möglichkeit zur Wechselbelastung und regelmässigem Aufstehen bzw. Lagewechsel eine solche von 60 %. Auf eine Nachfrage bei Dr. med. D.________ konnte indessen verzichtet werden angesichts der überzeugenden und nachvollziehbaren Angaben im Teil- und damit übereinstimmend im Hauptgutachten, welche die Vorinstanz zu Recht für massgebend hielt. Anders als die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, ist auch nicht zu beanstanden, dass Dr. med. D.________ im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit in einer Verweisungstätigkeit nicht explizit auf die Beschäftigung als Direktionssekretärin Bezug nahm, weil der Versicherten grundsätzlich alle körperlich leichten Tätigkeiten im angegebenen Rahmen zumutbar sind.
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4.3. |
4.3.1. Was die anwendbare Invaliditätsbemessungsmethode anbelangt, wird in der Beschwerde geltend gemacht, der Prozentvergleich sei nur ausnahmsweise und unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen zulässig. Es liege kein "Extremfall" vor, da bereits eine kleine Änderung eines Parameters zu einem anderen Ergebnis führe. Die Vorinstanz habe nicht dargetan, inwiefern die Vergleichseinkommen nicht hätten ermittelt werden können. Das Valideneinkommen sei auf der Grundlage des von der Versicherten im Jahr 2009 bei der B.________ erzielten Verdienstes von Fr. 106'207.- festzusetzen und das Invalideneinkommen anhand des Lohnes, welchen ihr die Gemeinde C.________ für das 60 %-Pensum als Sachbearbeiterin bezahle (Fr. 45'822.60 im Jahr 2016).
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4.3.2. Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden, worauf sich aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Der Invaliditätsgrad ist durch Prozentvergleich (BGE 114 V 310 E. 3a S. 312 f.; Urteil 9C_804/2016 vom 10. April 2017 E. 2.2; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, S. 323 f.) zu ermitteln, wenn Validen- und Invalideneinkommen sich nicht hinreichend genau oder nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand bestimmen lassen und in letzterem Fall zudem angenommen werden kann, die Gegenüberstellung der nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände geschätzten, mit Prozentzahlen bewerteten hypothetischen Einkommen ergebe ein ausreichend zuverlässiges Resultat. Diese Berechnungsweise ist insbesondere anwendbar, wenn die konkreten Verhältnisse so liegen, dass die Differenz zwischen Validen- und Invalideneinkommen die für den Umfang des Rentenanspruchs massgebenden Grenzwerte von 70, 60, 50 und 40 Prozent (Art. 28 Abs. 2 IVG) eindeutig über- oder unterschreitet (Urteile 8C_333/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 5.3; und 9C_100/2010 vom 23. März 2010 E. 2.1; BGE 104 V 135 E. 2b S. 137).
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4.3.3. Selbst wenn der Invaliditätsgrad der Versicherten - entsprechend dem in der Beschwerde vertretenen Standpunkt und der Verfügung der IV-Stelle vom 11. Januar 2017 - anhand der Gegenüberstellung zweier ziffernmässig möglichst genau ermittelter Vergleichseinkommen festgesetzt wird, erreicht er die anspruchserhebliche Schwelle von 40 % (Art. 28 Abs. 2 IVG) nicht.
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4.3.3.1. Dem Validenlohn kann, entgegen der Beschwerde vertretenen Auffassung, nicht das von der Versicherten bei der B.________ erzielte Gehalt zugrunde gelegt werden, weil sie diese Stelle aufgrund von Restrukturierungsmassnahmen, mithin aus invaliditätsfremden Gründen Ende März 2012 verlor und sich anschliessend neu orientierte, wobei sie kurze Zeit als Spielgruppenleiterin tätig war und schliesslich in den kaufmännischen Bereich zurückkehrte. Auszugehen ist unter diesen Umständen von dem durch die Verwaltung anhand von Tabellenlöhnen ermittelten Gehalt für kaufmännische Tätigkeiten im Kader von Fr. 87'905.- im Jahr 2015.
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4.3.3.2. Was das Invalideneinkommen anbelangt, rechtfertigt es sich nicht, auf den von der Beschwerdeführerin bei der Stadt C.________ in einem 60%-Pensum erzielten Lohn (aufgerechnet auf 70 %) abzustellen, weil die Versicherte ihre Restarbeitsfähigkeit in dieser Tätigkeit nicht voll ausschöpft (vgl. BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Da der Versicherten eine kaufmännische Tätigkeit im Kaderbereich trotz gesundheitlicher Einschränkungen ohne weiteres zumutbar ist, ist diesbezüglich vielmehr derselbe Tabellenlohn wie für das Valideneinkommen massgebend, so dass bei einem 70 %-Pensum ein Betrag von Fr. 61'534.- resultiert. Würde von diesem Tabellenlohn - abweichend von der IV-Stelle - ein Abzug (BGE 126 V 75 E. 5b S. 79 f.) von maximal 10 % vorgenommen, beliefe sich das Invalideneinkommen auf Fr. 55'381.-.
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4.3.3.3. Die Gegenüberstellung der beiden auf demselben Tabellenwert beruhenden Einkommen (Fr. 87'905.- und Fr. 61'534.-), wie sie auch die IV-Stelle vorgenommen hat, unterscheidet sich im Ergebnis - es resultiert ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von (gerundet) 30 % - nicht vom Prozentvergleich, der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegt. Selbst wenn das Invalideneinkommen (aufgrund eines Abzuges vom Tabellenlohn) mit Fr. 55'381.- ermittelt würde, wäre ein Rentenanspruch zu verneinen (Invaliditätsgrad von rund 37 %).
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4.4. Nach dem Gesagten ist eine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheides nicht dargetan.
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5. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 24. Januar 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann
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