BGer 6B_853/2018 |
BGer 6B_853/2018 vom 07.02.2019 |
6B_853/2018 |
Urteil vom 7. Februar 2019 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
|
Bundesrichter Denys, Präsident,
|
Bundesrichter Oberholzer,
|
Bundesrichterin Jametti,
|
Gerichtsschreiber Briw.
|
Verfahrensbeteiligte |
X._________,
|
vertreten durch Rechtsanwältin Carmen Emmenegger,
|
Beschwerdeführer,
|
gegen
|
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
|
Beschwerdegegnerin.
|
Gegenstand
|
Gewerbsmässiger Diebstahl usw.; willkürliche Beweiswürdigung,
|
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 25. Juni 2018 (SST.2018.55).
|
Sachverhalt: |
A. Die Staatsanwaltschaft Baden klagte X._________ mit Anklageschrift vom 14. Dezember 2015 wegen zahlreicher Straftaten an, und zwar wegen gewerbsmässigen Diebstahls, Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung (Ziff. 1.1-1.26) sowie eventualiter wegen Hehlerei (Ziff. 1.27/1.1), mehrfachen Hausfriedensbruchs (Ziff. 1.27/2.1-2.5), mehrfacher Sachbeschädigung (Ziff. 1.27/3.1-3.2), Fälschung von Ausweisen (Ziff. 1.27/4), mehrfachen Betrugs (Ziff. 1.27/5), Widerhandlung gegen das Sozialhilfe- und Präventionsgesetz (Ziff. 1.27/6) und Fälschung von Ausweisen (Art. 252 Abs. 1 und 3 StGB; Ziff. 2).
|
B. Das Bezirksgericht Baden verurteilte X._________ zu 3 Jahren Freiheitsstrafe und einer Busse von Fr. 3'000.--. Es rechnete die ausgestandene Untersuchungshaft von 135 Tagen auf die Freiheitsstrafe an, schob den Vollzug teilbedingt im Umfang von 18 Monaten auf und setzte die Probezeit auf 3 Jahre fest. Es merkte den Rückzug einer Zivilforderung vor und verwies sie im Übrigen auf den Zivil- und Verwaltungsweg. Die beschlagnahmten Vermögenswerte auf einem Bankkonto im Umfang von Fr. 55'016.20 sowie das Bussendepot von Fr. 562.70 zog es ein, vorab zur Deckung der Busse und der Verfahrenskosten (Fr. 58'621.95; davon Fr. 25'775.70 gemäss Art. 422 Abs. 2 StPO) und im Überschuss zur Anrechnung auf die Sozialhilfeleistungen der Einwohnergemeinde. Der amtlichen Verteidigerin sprach es eine Entschädigung von Fr. 32'601.25 zulasten der Staatskasse zu (mit Hinweis auf Art. 135 Abs. 4 i.V.m. Art. 426 Abs. 1 StPO).
|
C. X._________ erhob Berufung. Die Staatsanwaltschaft beantragte die kostenfällige Abweisung der Berufung.
|
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X._________ am 25. Juni 2018 vom Vorwurf des Diebstahls in Ziff. 1.26 der Anklage frei ( Ziff. 1). Es sprach ihn schuldig wegen gewerbsmässigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 und 2 StGB), mehrfachen Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB), mehrfacher geringfügiger Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Art. 172ter StGB), Fälschung von Ausweisen (Art. 252 Abs. 1 und 3 StGB; rechtskräftig), mehrfachen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) sowie Widerhandlung gegen das Sozialhilfe- und Präventionsgesetz (§ 59 Abs. 1 SPG/AG) ( Ziff. 2).
|
Es bestrafte ihn mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren bei einem vollziehbaren Anteil von 18 Monaten und einem bedingt vollziehbaren Anteil von 18 Monaten, mit Probezeit von 3 Jahren, sowie einer Busse von Fr. 3'000.--, ersatzweise 30 Tage Freiheitsstrafe ( Ziff. 3). Es rechnete die Untersuchungshaft von 135 Tagen an die Freiheitsstrafe an ( Ziff. 4), verwies die Zivilforderungen auf den Zivilweg ( Ziff. 5.1) und trat auf die Forderung der Einwohnergemeinde nicht ein ( Ziff. 5.2).
|
Es entschied, die beschlagnahmten Vermögenswerte seien mit der Busse und den erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten und danach mit den der Rückforderung unterliegenden Kosten für die amtliche Verteidigung zu verwenden. Ein allfälliger Überrest sei X._________ herauszugeben ( Ziff. 6.1). In Ziff. 6.2 sind die rechtskräftig eingezogenen Gegenstände aufgelistet.
|
Es auferlegte X._________ die obergerichtlichen Verfahrenskosten von Fr. 4'097.-- ( Ziff. 7.1) und entschädigte die amtliche Verteidigerin mit Fr. 4'000.-- aus der Obergerichtskasse, mit Hinweis auf die Rückforderung ( Ziff. 7.2). Die Verfahrenskosten der Erstinstanz (Fr. 25'775.70) auferlegte es X._________ ( Ziff. 8.1). Es wies die Bezirksgerichtskasse an, der amtlichen Verteidigerin eine Entschädigung von Fr. 32'601.25 auszurichten, mit Hinweis auf die Rückforderung ( Ziff. 8.2).
|
D. X._________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen:
|
(1.a) Ziff. 2 des Dispositivs abzuändern und neu abzufassen.
|
(1.b) Ziff. 3 und 4 aufzuheben.
|
(2.) Ziff. 6.1 abzuändern und neu abzufassen.
|
(3.) Ziff. 7.1 abzuändern und neu abzufassen.
|
(4.) Ziff. 8.1 abzuändern und neu abzufassen.
|
(5.a) Es sei über die beantragten Ziff. 1-4 hiervor von der Adressatin selber zu befinden.
|
(5.b) Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
|
(6.) Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates. [7.] Es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und die Unterzeichnete als seine unentgeltliche Prozessbeiständin zu bestimmen und einzusetzen (im Einzelnen Beschwerde S. 2 f.).
|
Erwägungen: |
1. |
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz wie auch die Erstinstanz wie auch die Beschwerdegegnerin hätten es unterlassen, seine Beweismittel zu berücksichtigen, aus welchen ersichtlich gewesen wäre, dass nicht er selbst für die gemäss Anklageschrift vorgeworfenen Delikte verantwortlich sei, sondern seine beiden Cousins. Weiter habe es die Beschwerdegegnerin bis heute unterlassen, die beiden Cousins zur Verhaftung auszuschreiben. Weiter sei bezüglich des Vorwurfs des Betrugs und der Widerhandlung gegen das SPG/AG seinen Ausführungen bezüglich seines Grossvaters nie Glauben geschenkt worden. Es werde demnach willkürliches Handeln sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgeworfen, eben Bundesrechtsverletzungen, die gemäss Art. 95 lit. a BGG als Beschwerdegründe für die vorliegende Beschwerde in Strafsachen gelten. Weiter habe bereits die Beschwerdegegnerin gegen Bundesrecht verstossen. Demnach erhelle, wieso vorliegend eine Beschwerde in Strafsachen eingereicht werde und weshalb vorliegend nicht eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde eingereicht werde (Beschwerde S. 5 f.).
|
Im Einzelnen ergänzt der Beschwerdeführer:
|
1.2. Er habe seine Cousins persönlich in seinem Heimatland aufgesucht und sie zu einem Geständnis bewegt, was im erstinstanzlichen Verfahren mittels eines Tonträgers eingereicht worden sei. "Auch das reichte dem Gericht nicht. Sie meinten, diese Aussagen auf dem Tonträger seien nur Schutzbehauptungen und der Beschwerdeführer könne daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. [...] Auch bei der Vorinstanz hat man die Aussagen der Cousins keineswegs zu Gunsten des Beschwerdeführers gewürdigt. [...] Genau deshalb [Da aber kein Rechtshilfeersuchen aus der Schweiz vorlag] begab er sich zur Schweizer Botschaft in Mazedonien, um dort seine Aussagen zu deponieren und liess sie übersetzen und notariell beglaubigen. [...] Dies ist als unechtes Novum im vorliegenden Verfahren mitzuberücksichtigen" (Beschwerde S. 6).
|
1.3. Fakt sei, dass in den teilweise allgemein zugänglichen Räumlichkeiten der Exfrau, in denen er sich auch nach der Scheidung oft aufgehalten habe, diverses Deliktsgut gefunden werden konnte. Es habe immer diverse Personen gegeben, die Zutritt gehabt hätten. Keiner der Diebstähle habe ihm mit eindeutigen Beweisen nachgewiesen werden können. "Es musste auf Indizien abgestellt werden" (Beschwerde S. 8). Da von diversen Fahrrädern die Rahmennummer nicht habe gemeldet werden können, habe "nicht mit einer ohne Zweifel erhabenen Gewissheit nachgewiesen werden" können, dass es sich bei den gefundenen Fahrrädern um diejenigen gehandelt hatte, die als gestohlen gemeldet worden seien. Fakt sei, dass die Vorinstanz fälschlicherweise auf den polizeilichen Schlussbericht abgestellt habe, ohne diesen zu hinterfragen und ohne die Vorbringen der Unterzeichneten zu hören oder detailliert zu würdigen; dadurch habe die Vorinstanz willkürlich gehandelt (Beschwerde S. 8). Auch hinsichtlich der Kompletträder habe die Vorinstanz willkürlich gehandelt (Beschwerde S. 8 f. unter Hinweis auf das "Novum").
|
1.4. Ihm werde vorgeworfen, das für seinen Grossvater in Mazedonien erstellte Konto nicht gemeldet und sich damit der Widerhandlung gegen das SPG/AG schuldig gemacht zu haben. Fakt sei, dass bei der telefonischen Befragung des Grossvaters die Angaben nicht bestätigt werden konnten; wäre dieser korrekt formell rechtshilfeweise befragt worden, "hätte dies vermutlich ganz anders ausgesehen." Die Erst- und die Vorinstanz hätten ihm nicht geglaubt. "Der Grossvater ist im Laufe des Untersuchungsverfahrens verstorben, so dass dieser Fehler bis heute nicht mehr korrigiert werden kann. [...] Daher ist er in diesem Punkt von Schuld und Strafe vollumfassend frei zu sprechen" (Beschwerde S. 10).
|
1.5. Er weist unter dem Titel "Rechtliches" in den Ziff. 11.1-11.5 der Beschwerde in kurzen Statements auf das Urteil und erklärt in Ziff. 11.6: Zusammenfassend erhelle, dass in diversen Punkten des vorinstanzlichen Urteils wichtige Aspekte nicht mitberücksichtigt wurden, weil die Vorinstanz willkürlich gehandelt habe. Des weiteren seien die Cousins nicht zur Verhaftung ausgeschrieben worden, wodurch ganz klar der Untersuchungsgrundsatz verletzt worden sei, denn hätten diese beiden verhaftet werden können, wäre er entlastet worden. Mit den ins Recht gelegten unechten Noven solle versucht werden, das Versäumnis der Behörden etwas zu korrigieren und gestützt darauf nun einen Freispruch für ihn zu erzielen (Beschwerde S. 13).
|
1.6. Der Beschwerdeführer schliesst, aufgrund der obigen Ausführungen seien die beschlagnahmten Vermögenswerte umgehend freizugeben. Es rechtfertige sich, sämtliche Kosten des vorinstanzlichen und des vorliegenden Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen. Demgegenüber seien ihm für die Fälschung von Ausweisen die erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu 1/7 aufzuerlegen.
|
1.7. Es ist nicht ersichtlich, wie das Bundesgericht mit dieser Art der Beschwerdeführung befasst werden könnte. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts wird nur über eine justizförmige Befassung begründet. Es nimmt die Strafsache nicht wie eine Erstinstanz an die Hand und beurteilt sie nicht in eigener Kompetenz (vgl. BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; Urteil 6B_1406/2017 vom 9. April 2018 E. 3); es ist auch kein Appellationsgericht, vor welchem Tatsachen erneut frei diskutiert werden könnten ("n'est pas une autorité d'appel, auprès de laquelle les faits pourraient être rediscutés librement"; Urteil 6B_1167/2018 vom 23. Januar 2019 E. 3.1; konstante Rechtsprechung).
|
Für das Bundesgericht ist der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt massgebend (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Beweiswürdigung ist Aufgabe des Sachgerichts (Art. 10 Abs. 2 StPO). Für die Anfechtung des Sachverhalts gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Rechtsanwendung schlechterdings unhaltbar ist. Die Beschwerdeführung erweist sich als appellatorisch (vgl. Urteil 6B_118/2018 vom 7. November 2018 E. 4). Der Beschwerdeführer trägt eine abweichende eigene Version und blosse Kritik vor. Darauf ist nicht einzutreten.
|
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 64 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 140 V 521 E. 9.1 S. 537; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Es kann von einer Mittellosigkeit ausgegangen werden, so dass die aufzuerlegenden Gerichtskosten praxisgemäss herabzusetzen sind (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG). Bei Unterliegen besteht kein Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG).
|
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
|
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
|
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
|
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
|
Lausanne, 7. Februar 2019
|
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
|
des Schweizerischen Bundesgerichts
|
Der Präsident: Denys
|
Der Gerichtsschreiber: Briw
|