Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
1B_47/2019
Urteil vom 20. Februar 2019
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Karlen, Muschietti,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
B.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt A.________,
gegen
1. Samuel Kaspar Schmid,
2. Franziska Bratschi-Rindlisbacher,
3. Christine Schaer,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 18. Dezember 2018 (SK 18 508).
Sachverhalt:
A.
Gegen B.________ ist im Kanton Bern ein Strafverfahren hängig. Im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 30. November 2018 machte er geltend, er lehne die Zusammensetzung des Obergerichts ab.
Das Obergericht führte in der Folge ein Ausstandsverfahren im Sinne von Art. 59 StPO durch. Über das gegen die Oberrichter Schmid, Bratschi und Schaer gerichtete Gesuch entschied das Obergericht in modifizierter Besetzung, unter Mitwirkung der Oberrichter Niklaus, Geiser und Kiener. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2018 trat es auf das Gesuch nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1). Die Verfahrenskosten von Fr. 1'500.-- auferlegte es dem Rechtsvertreter des Gesuchstellers, Rechtsanwalt A.________ (Dispositiv-Ziffer 2). Zur Begründung führte es aus, das Ausstandsgesuch sei verspätet.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 28. Januar 2019 beantragt B.________, Dispositiv-Ziffer 1 des Beschlusses des Obergerichts sei aufzuheben und dieses anzuweisen, auf das Ausstandsgesuch einzutreten. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er lehne die vom Bundesgericht bestimmte Besetzung des Spruchkörpers wegen eines Verstosses gegen Art. 6 EMRK in seiner Ausprägung als Anspruch auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht sowie in seiner Ausprägung als Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiliches Gericht vollständig ab. Das Vorbringen bezieht sich auf das bundesgerichtliche Verfahren, weshalb darauf vorab einzugehen ist.
1.2. Der Beschwerdeführer macht nicht die Befangenheit einzelner Richter oder einen sonstigen Ausstandsgrund im Sinn von Art. 34 BGG geltend, sondern kritisiert das Verfahren der Spruchkörperbesetzung. Konkret bringt er vor, das Bundesgericht verfüge über keinen Geschäftsverteilungsplan für die Besetzung des Spruchkörpers im Einzelfall. Anders als am Bundesverwaltungsgericht erfolge diese nicht ausschliesslich nach dem Zufallsprinzip. Die in Art. 40 des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht (BGerR; SR 173.110.131) vorgesehenen Kriterien würden keine Gewähr dafür bieten, dass der Spruchkörper gegen Einflussnahme von aussen hinreichend geschützt sei. Der Abteilungspräsident habe weitgehend freie Hand, was konventionswidrig sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Bundesrichter nur für eine relativ kurze Amtszeit von sechs Jahren gewählt würden und damit verstärkt politischem Druck ausgesetzt seien. Dass die Gefahr einer Beeinflussung tatsächlich bestehe, zeige sich auch an einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 2003 betreffend eine "Spuck-Affäre" von alt Bundesrichter Schubarth. Gemäss der Aussage jenes Bundesrichters solle es Versuche der politischen Einflussnahme auf die Rechtsprechung gegeben haben. Ungeachtet des Wahrheitsgehalts dieser Behauptung werde im Zeitungsartikel weiter erwähnt, dass das Bundesgericht sich damals dazu entschieden habe, den Bundesrichter wegen der Affäre nicht mehr in der Rechtsprechung einzusetzen, weil er sich geweigert habe, zurückzutreten. Beeinflussungsversuche habe es auch von aussen, insbesondere von Seiten politischer Parteien gegeben. Diese seien bis hin zur Drohung mit der Nichtwiederwahl als Folge gesellschaftlich umstrittener Urteile gegangen. Zudem gebe es die Praxis, wonach die Richter Geld an ihre Partei zahlten.
1.3. Das Bundesgericht hat in BGE 144 I 37 ausführlich dargelegt, dass die Besetzung des Spruchkörpers am Bundesgericht verfassungs- und konventionskonform geregelt ist. Es bestätigte damit seine Ausführungen im Urteil 1B_491/2016 vom 24. März 2017 E. 1.3. Insbesondere legte es dar, dass in Art. 40 BGerR sachliche Kriterien vorgesehen sind, welche der Abteilungspräsident bei der Besetzung des Spruchkörpers berücksichtigen muss, und dass eine weitere Objektivierung der Besetzung aufgrund der EDV-Applikation "CompCour" erfolgt, welche die weiteren mitwirkenden Richter automatisch bestimmt. Das Bundesgericht hat weiter aufgezeigt, dass weder die Bundesverfassung noch die EMRK verlangen, bei der Spruchkörperbesetzung jegliches Ermessen auszuschliessen. Die Kritik des Beschwerdeführers weckt keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegungen und bietet deshalb auch keinen Anlass, darauf zurückzukommen.
1.4. Die weiteren Hinweise des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, objektive Zweifel an der Unabhängigkeit der Bundesrichter zu wecken. Soweit er sich auf einen Zeitungsbericht aus dem Jahr 2003 beruft, übersieht er, dass die rechtliche Ausgangslage heute anders ist (vgl. E. 1.3 hiervor), weshalb es sich erübrigt, auf seine diesbezüglichen Vorbringen im Einzelnen einzugehen. Die Amtsdauer der Bundesrichter von sechs Jahren (Art. 145 BV, Art. 9 Abs. 1 BGG) mit Wiederwahlmöglichkeit verletzt die richterliche Unabhängigkeit gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht (BGE 119 Ia 81 E. 4 S. 85; vgl. auch BGE 143 I 211 E. 3 S. 212 ff. mit Hinweisen). Auch Zuwendungen von Richtern an politische Parteien vermögen für sich allein genommen die richterliche Unabhängigkeit nicht in Frage zu stellen. Inwieweit zutrifft, dass es in der Vergangenheit zu (politischen) Beeinflussungsversuchen gegenüber Bundesrichtern gekommen ist, braucht nicht im Einzelnen erörtert zu werden. Beeinflussungsversuche allein sind kein Beweis für mangelnde richterliche Unabhängigkeit. Dass das bestehende gesetzliche Rahmenwerk keinen hinreichenden Schutz dagegen gewährt, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun. Er behauptet im Übrigen auch nicht, dass im vorliegenden Fall von aussen versucht worden sei, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen.
1.5. Die Rüge der Verletzung von Art. 6 EMRK ist somit unbegründet, und der Spruchkörper ist in der dargestellten üblichen Weise zu besetzen.
2.
Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 92 Abs. 1 BGG ist gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren die Beschwerde zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Auf sein Rechtsmittel ist einzutreten.
3.
3.1. Der Beschwerdeführer kritisiert, der angefochtene Beschluss verstosse gegen Art. 6 und 18 EMRK . Das Ausstandsgesuch sei nicht verspätet gestellt worden. Gemäss Art. 339 StPO eröffne die Verfahrensleitung die Hauptverhandlung und gebe die Zusammensetzung des Gerichts bekannt. Diese Mitteilungspflicht bestehe gemäss Art. 331 Abs. 1 StPO gegenüber den Parteien bereits beim Ansetzen der Hauptverhandlung. Die Zusammensetzung könne sich aber unter Umständen inzwischen geändert haben. Damit sei das Ausstandsgesuch fristgerecht gestellt worden.
3.2. Das Obergericht legte dar, die Zusammensetzung des Spruchkörpers sei dem Beschuldigten seit der Verfügung vom 9. Juli 2018 bekannt. Diese Zusammensetzung erst am 30. November 2018 zu rügen, sei zu spät.
3.3. Gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO hat die Partei, die den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangt, der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen. Nach der Rechtsprechung ist der Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnisnahme zu verlangen. Andernfalls verwirkt der Anspruch. Ein Gesuch, das sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds eingereicht wird, gilt als rechtzeitig. Unzulässig ist jedenfalls ein Zuwarten während zwei Wochen (zum Ganzen: Urteil 1B_100/2015 vom 8. Juni 2015 E. 4.1 mit Hinweisen). Auch Organmängel anderer Art sind nach der Rechtsprechung gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) so früh wie möglich, d.h. nach deren Kenntnis bei erster Gelegenheit, geltend zu machen. Dies gilt auch, soweit eine Verletzung von Art. 6 EMRK gerügt wird (BGE 143 V 66 E. 4.3 S. 69; 132 II 485 E. 4.3 S. 496; je mit Hinweisen).
3.4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung, die dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits in anderen Verfahren dargelegt wurde (vgl. zum Beispiel Urteil 1B_513/2017 vom 5. März 2018 E. 3 mit Hinweisen), war sein Ausstandsgesuch offensichtlich verspätet. Dass sich die Spruchkörperbesetzung unter Umständen ändern kann, trifft zu, jedoch tat sie dies im Nachgang zur Verfügung vom 9. Juli 2018 gerade nicht. Eine Verletzung von Art. 6 und 18 EMRK ist deshalb zu verneinen.
3.5. Das Obergericht beurteilte das Gesuch auch inhaltlich, um aufzuzeigen, dass es als unbegründet abzuweisen gewesen wäre, wenn darauf hätte eingetreten werden können. Ausschlaggebend für den Prozessausgang war dies jedoch nicht. Auf die Kritik des Beschwerdeführers an den betreffenden Erwägungen ist deshalb nicht einzugehen.
4.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 66 Abs. 3 BGG hat indessen unnötige Kosten zu bezahlen, wer sie verursacht hat. Auf dieser Grundlage kann das Bundesgericht ausnahmsweise entscheiden, die Kosten nicht der unterliegenden Partei, sondern deren Rechtsvertreter persönlich aufzuerlegen. Dies ist namentlich dann gerechtfertigt, wenn die Aussichtslosigkeit des eingelegten Rechtsmittels schon bei Beachtung elementarster Sorgfalt festgestellt werden kann (Urteil 9C_644/2016 vom 31. Oktober 2016 E. 3 mit Hinweisen). Dies trifft nach dem Ausgeführten vorliegend zu. Die Gerichtskosten sind deshalb dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aufzuerlegen. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen ( Art. 68 Abs. 1-3 BGG ). Das Gesuch des Beschwerdeführers 1 um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden Rechtsanwalt A.________ auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Februar 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Dold