BGer 8C_356/2018
 
BGer 8C_356/2018 vom 14.03.2019
 
8C_356/2018
 
Urteil vom 14. März 2019
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Nabold.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Wüthrich,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 8. März 2018 (5V 16 221/5V 17 149).
 
Sachverhalt:
A. Mit Verfügung vom 17. Juni 2003 sprach die IV-Stelle Luzern dem 1972 geborenen A.________ bei einem Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. Mai 2001 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Im November 2012 leitete die IV-Stelle gestützt auf die Schlussbestimmungen der 6. IV-Revision eine ausserordentliche Rentenrevision ein und verfügte am 26. Februar 2013 die Aufhebung der laufenden Rente. Eine von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das damalige Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 5. Dezember 2014 insoweit gut, als es die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurückwies und diese verpflichtete, bis zum Erlass der neuen Verfügung die ganze Rente weiterhin auszurichten. In Nachachtung dieses Entscheides holte die IV-Stelle bei der SMAB (Swiss Medical Assessment and Business-Center) AG,   St. Gallen, eine polydisziplinäre Expertise ein (Gutachten vom  10. August 2015). Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle die Rente mit Verfügung vom 4. Mai 2016 abermals auf, wobei sie einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzog. Mit Verfügung vom 5. Mai 2016 stellte die IV-Stelle dem Versicherten für die Dauer der von ihr eingeleiteten Massnahmen zur Wiedereingliederung eine Weiterausrichtung der Rente in Aussicht. Am 21. Februar 2017 verfügte die IV-Stelle den Abbruch der Wiedereingliederungsmassnahmen per 14. Februar 2017, da der Versicherte die Zielvereinbarung betreffend seiner Anwesenheit bei dieser Massnahme nicht eingehalten habe.
B. Die von A.________ gegen die Verfügungen vom 4. Mai 2016 und 21. Februar 2017 erhobenen Beschwerden wies das Kantonsgericht Luzern nach Vereinigung der beiden Verfahren mit Entscheid vom 8. März 2018 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, die Sache sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides an die Vorinstanz zurückzuweisen, oder es sei ihm weiterhin eine ganze Rente der Invalidenversicherung auszurichten. Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
1. 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an   (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97   Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen).
2. Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, als es die Aufhebung der ganze Rente der Invalidenversicherung auf Ende des der Eröffnung der Verfügung vom 4. Mai 2016 folgenden Monats bestätigte.
3. 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
3.2. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente nach Art. 17 Abs. 1 ATSG von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben.
Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, werden gemäss lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; in Kraft seit 1. Januar 2012) innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind.
4. 
4.1. Es ist letztinstanzlich zu Recht unbestritten, dass die Verwaltung im Rahmen einer Überprüfung gemäss lit. a Abs. 1 SchlB IVG 2011 auf ihre ursprüngliche Rentenzusprache zurückkommen und den Rentenanspruch für die Zukunft neu prüfen durfte. Die Vorinstanz hat in umfassender Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere aber gestützt auf das Gutachten der SMAB für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass der Versicherte nunmehr in der Lage ist, einer seinen Leiden angepassten Tätigkeit zu mindestens 80 % nachzugehen. Was der Beschwerdeführer gegen diese Feststellung vorbringt, vermag sie - wie nachstehende Erwägungen zeigen - nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
4.2. Der Versicherte bringt im Wesentlichen vor, entgegen den Erwägungen der Vorinstanz sei das Gutachten der SMAB nicht beweistauglich. Auf ein im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholtes Gutachten ist jedoch rechtsprechungsgemäss abzustellen, wenn nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470). Soweit der Versicherte die Zuverlässigkeit der Expertise mit dem Argument in Zweifel zieht, die Dauer der Explorationsgespräche sei entweder nicht nachvollziehbar oder zu kurz gewesen, hat die Vorinstanz zu Recht erwogen, dass es nicht auf die Dauer der Untersuchung ankommt; massgebend ist in erster Linie, ob die Expertise inhaltlich vollständig und im Ergebnis schlüssig ist (vgl. Urteil 8C_354/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 4.2 mit weiteren Hinweisen). Ebenfalls die Zuverlässigkeit des Gutachtens nicht ernsthaft in Frage zu stellen vermag der Umstand, dass darin der Name des Übersetzers, welcher bei der psychiatrischen Exploration anwesend war, nicht angegeben wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie vorliegend keine Ausstandsgründe gegen den Übersetzer vorgebracht werden. Weiter kann aus dem vom Versicherten am 2. November 2017 - und damit mehr als zwei Jahre nach Gutachtenserstellung - erlittenen Herzinfarkt nicht geschlossen werden, die kardiologische Expertise sei mängelbehaftet gewesen. Was schliesslich die Rüge betrifft, der Beschwerdeführer sei während der Exploration für das Gutachten übermüdet gewesen, so erscheint wenig glaubhaft, dass sich dadurch sein Gesundheitszustand für die Experten besser dargestellt hätte, als er tatsächlich war. Zudem kann von einer neuropsychologischen Fachperson erwartet werden, sie könne eine Übermüdung von einer verminderten Anstrengungsbereitschaft unterscheiden.
4.3. Ergibt sich aus einer psychischen Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeit, so ist an sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BGE 143 V 418) zur Feststellung ihrer invalidenversicherungsrechtlichen Relevanz ein strukturiertes Beweisverfahren im Sinne von BGE 141 V 281 durchzuführen. Resultierte jedoch selbst bei einer vollen Anerkennung der psychiatrisch begründeten Arbeitsunfähigkeit kein rentenbegründender Invaliditätsgrad, so kann auf ein solches Beweisverfahren in der Regel verzichtet werden. Die Vorinstanz ermittelte ausgehend von einer 80%-igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit gestützt auf einen Einkommensvergleich einen Invaliditätsgrad von 19 %, wobei sie darauf hinwies, dass selbst bei Gewährung des maximalen Abzuges vom Tabellenlohn im Sinne von BGE 129 V 472 kein rentenbegründender Invaliditätsgrad resultieren würde. Der Versicherte legt nicht in einer Art. 42 Abs. 2 BGG genügenden Art und Weise dar, inwiefern der vorinstanzliche Einkommensvergleich gegen Bundesrecht verstossen sollte. Somit kann auf Weiterungen zur Relevanz der aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode attestierten 20%-igen Einschränkung verzichtet werden. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht die Aufhebung der Rente gemäss der Verfügung vom 4. Mai 2016 bestätigte.
5. 
5.1. Weiter ist streitig und zu prüfen, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie den Abbruch der Wiedereingliederungsmassnahmen gemäss der Verfügung der IV-Stelle vom 21. Februar 2017 bestätigte.
5.2. Zur Vermeidung unbilliger Härtefälle bei Aufhebung oder Herabsetzung bestehender Renten beinhalten die SchlB IVG 2011 unter anderem spezielle Integrationsmassnahmen. So haben versicherte Personen, deren Rente unter diesem Titel aufgehoben oder herabgesetzt werden, für maximal zwei Jahre Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung (lit. a Abs. 2 und 3 SchlB IVG 2011). Darauf sind sie anlässlich eines persönlichen Gesprächs ausdrücklich hinzuweisen (vgl. Rz. 1004 des Kreisschreibens des BSV über die Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG, gültig ab  1. März 2013 [KSSB]). Es handelt sich dabei um Vorkehren zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG, während deren Durchführung bis zum Abschluss die bisherige Rente weiter ausgerichtet wird, längstens aber während zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Aufhebung oder Herabsetzung. Betroffene können im Rahmen der 6. IV-Revision somit Leistungen erwirken, die sie befähigen sollen, ihr Leben durch den Einsatz ihrer Erwerbsfähigkeit und damit ohne Rente zu bestreiten (BGE 139 V 547 E. 9.3 S. 567 f.; SVR 2014 IV Nr. 17 S. 65, 8C_773/2013 E. 4.3.2).
5.3. Das kantonale Gericht hat in Bezug auf die Wiedereingliederungsmassnahmen erwogen, der Versicherte sei von der IV-Stelle wiederholt und rechtsgenüglich darauf aufmerksam gemacht worden, dass von ihm ein aktives Mitwirken an der Massnahme erwartet werde, widrigenfalls die Massnahmen eingestellt würden. Insbesondere wurde er gemäss den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen im Januar 2017 mehrmals darüber informiert, er könne Absenzen nicht mit seinen bekannten Diagnosen entschuldigen. Bei einer solchen Ausgangslage hat die IV-Stelle entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt, als sie in Folge lediglich mit dem Hinweis auf "Krankheit" (ohne nähere Diagnose) begründete Absenzen die Wiedereingliederungsmassnahmen abbrach. Wären seine Abwesenheiten tatsächlich durch eine vorübergehende zusätzliche Erkrankung, wie etwa einer Grippe, verursacht gewesen, so hätte es angesichts der Vorgeschichte dem Versicherten oblegen, die IV-Stelle umgehend und spontan darüber zu informieren. Eine solche zusätzliche Erkrankung hat der Versicherte jedoch weder im Verwaltungs- noch im kantonalen Gerichtsverfahren substanziiert geltend gemacht. Die Beschwerde ist dementsprechend auch in diesem Punkt abzuweisen.
6. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eingereichte Kostennote gibt zu keinen Bemerkungen Anlass, so dass die Entschädigung entsprechend festzusetzen ist.
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Thomas Wüthrich wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4. Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2984.35 ausgerichtet.
5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 14. März 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Nabold